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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gab: Was haben Sie denn, was Sie mir geben können ? Lassen Sie hören!

Therese wurde dunkelroth, hielt aber an sich und sagte: Befehlen Sie nur!

Haben Sie vielleicht Himbeersaft?

Ja wohl, soll ich Ihnen ein Glas frisches Wasser dazu bringen?

Oder was noch besser wäre, aber das haben Sie wohl nicht --

Wenn Sie mir es sagen?

Schwarzen Thee? Haben Sie schwarzen Thee? Aber nur keinen grünen, denn davon bekäme ich ein Nervenfieber.

Meine Verwandten haben mir aus Berlin noch kürzlich sehr guten schwarzen Thee geschickt.

So bitte ich um eine Tasse.

Therese ging nun hinaus, um gleich darauf mit einer Serviette wiederzukommen, die sie auf dem runden Tische vor der Gräfin ausbreitete, und dann auf einem der Stühle, den sie zunächst dem Canape rückte, Platz zu nehmen und sich bescheiden mit einer weiblichen Arbeit zu beschäftigen, während die Gräfin, in Gedanken versunken, dem Spielen der beiden Kinder zusah, die unter Aufsicht der Wärterin in einer Ecke des Zimmers mit einigen Holzklötzchen spielten und zuweilen hell dabei auflachten.

Die Gräfin Agnes war durchaus keine hochmüthige und stolze Frau und hielt sich selbst für äußerst be-

gab: Was haben Sie denn, was Sie mir geben können ? Lassen Sie hören!

Therese wurde dunkelroth, hielt aber an sich und sagte: Befehlen Sie nur!

Haben Sie vielleicht Himbeersaft?

Ja wohl, soll ich Ihnen ein Glas frisches Wasser dazu bringen?

Oder was noch besser wäre, aber das haben Sie wohl nicht —

Wenn Sie mir es sagen?

Schwarzen Thee? Haben Sie schwarzen Thee? Aber nur keinen grünen, denn davon bekäme ich ein Nervenfieber.

Meine Verwandten haben mir aus Berlin noch kürzlich sehr guten schwarzen Thee geschickt.

So bitte ich um eine Tasse.

Therese ging nun hinaus, um gleich darauf mit einer Serviette wiederzukommen, die sie auf dem runden Tische vor der Gräfin ausbreitete, und dann auf einem der Stühle, den sie zunächst dem Canapé rückte, Platz zu nehmen und sich bescheiden mit einer weiblichen Arbeit zu beschäftigen, während die Gräfin, in Gedanken versunken, dem Spielen der beiden Kinder zusah, die unter Aufsicht der Wärterin in einer Ecke des Zimmers mit einigen Holzklötzchen spielten und zuweilen hell dabei auflachten.

Die Gräfin Agnes war durchaus keine hochmüthige und stolze Frau und hielt sich selbst für äußerst be-

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[0025] gab: Was haben Sie denn, was Sie mir geben können ? Lassen Sie hören! Therese wurde dunkelroth, hielt aber an sich und sagte: Befehlen Sie nur! Haben Sie vielleicht Himbeersaft? Ja wohl, soll ich Ihnen ein Glas frisches Wasser dazu bringen? Oder was noch besser wäre, aber das haben Sie wohl nicht — Wenn Sie mir es sagen? Schwarzen Thee? Haben Sie schwarzen Thee? Aber nur keinen grünen, denn davon bekäme ich ein Nervenfieber. Meine Verwandten haben mir aus Berlin noch kürzlich sehr guten schwarzen Thee geschickt. So bitte ich um eine Tasse. Therese ging nun hinaus, um gleich darauf mit einer Serviette wiederzukommen, die sie auf dem runden Tische vor der Gräfin ausbreitete, und dann auf einem der Stühle, den sie zunächst dem Canapé rückte, Platz zu nehmen und sich bescheiden mit einer weiblichen Arbeit zu beschäftigen, während die Gräfin, in Gedanken versunken, dem Spielen der beiden Kinder zusah, die unter Aufsicht der Wärterin in einer Ecke des Zimmers mit einigen Holzklötzchen spielten und zuweilen hell dabei auflachten. Die Gräfin Agnes war durchaus keine hochmüthige und stolze Frau und hielt sich selbst für äußerst be-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/25>, abgerufen am 21.11.2024.