Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Maße gemessen habe, muß ich der geneigten Beurtheilung
meiner Zuhörer anheimstellen. Was aber den vielgenannten
Gegenstand meines Vortrags betrifft, so sind die Verhand-
lungen darüber zwar noch nicht zur wissenschaftlichen Spruch-
reife und zum völligen Austrag gelangt; das Ergebniß läßt
sich jedoch mit Sicherheit daraus ableiten:
Daß die Gebeine, welche den Neanderthaler
Fund bilden, nach dem Urtheile der competen-
testen Fachmänner unzweifelhaft von einem
Menschen herrühren und, ungeachtet ihrer auf-
fallend abnormen Bildung, zu der Annahme
eines generisch oder specifisch vom Menschen
verschiedenen Wesens, oder einer erloschenen
Uebergangsform des Affen in den Menschen
in keiner Weise berechtigen
.

Der Nachweis der Fossilität d. h. des diluvialen
Alters bildet die besondere Aufgabe, die ich persönlich in
der Angelegenheit des Fundes zu vertreten habe. Jch muß
mir daher noch folgende Schlußbemerkung erlauben.

Mit dem Namen "Fossilien" oder mit dem Worte
"fossil" bezeichnen wir nicht nur alle steinigen oder erdigen
Mineralkörper, die wir durch irgend eine künstliche Opera-
tion, sei es durch Bergbau, Steinbruch- oder Erdarbeiten,
aus ihrem natürlichen Verbande und Zusammenhange lösen,
sondern auch alle Reste und Formen von organischen Kör-
pern, nämlich von Thieren und Pflanzen, von denen wir
voraussetzen, daß sie in einer der jetzigen Epoche der Erd-
bildung vorangehenden Zeit, also spätestens in der sog. Di-
luvialperiode durch natürliche Vorgänge an ihren Fundort
gebracht wurden, wo sie von Mineralsubstanzen eingeschlossen
wohl ihre Form bewahrt, durch chemische Zersetzung aber sich
substanziell mehr oder weniger in Mineralkörper umgewan-

Maße gemeſſen habe, muß ich der geneigten Beurtheilung
meiner Zuhörer anheimſtellen. Was aber den vielgenannten
Gegenſtand meines Vortrags betrifft, ſo ſind die Verhand-
lungen darüber zwar noch nicht zur wiſſenſchaftlichen Spruch-
reife und zum völligen Austrag gelangt; das Ergebniß läßt
ſich jedoch mit Sicherheit daraus ableiten:
Daß die Gebeine, welche den Neanderthaler
Fund bilden, nach dem Urtheile der competen-
teſten Fachmänner unzweifelhaft von einem
Menſchen herrühren und, ungeachtet ihrer auf-
fallend abnormen Bildung, zu der Annahme
eines generiſch oder ſpecifiſch vom Menſchen
verſchiedenen Weſens, oder einer erloſchenen
Uebergangsform des Affen in den Menſchen
in keiner Weiſe berechtigen
.

Der Nachweis der Foſſilität d. h. des diluvialen
Alters bildet die beſondere Aufgabe, die ich perſönlich in
der Angelegenheit des Fundes zu vertreten habe. Jch muß
mir daher noch folgende Schlußbemerkung erlauben.

Mit dem Namen „Foſſilien“ oder mit dem Worte
„foſſil“ bezeichnen wir nicht nur alle ſteinigen oder erdigen
Mineralkörper, die wir durch irgend eine künſtliche Opera-
tion, ſei es durch Bergbau, Steinbruch- oder Erdarbeiten,
aus ihrem natürlichen Verbande und Zuſammenhange löſen,
ſondern auch alle Reſte und Formen von organiſchen Kör-
pern, nämlich von Thieren und Pflanzen, von denen wir
vorausſetzen, daß ſie in einer der jetzigen Epoche der Erd-
bildung vorangehenden Zeit, alſo ſpäteſtens in der ſog. Di-
luvialperiode durch natürliche Vorgänge an ihren Fundort
gebracht wurden, wo ſie von Mineralſubſtanzen eingeſchloſſen
wohl ihre Form bewahrt, durch chemiſche Zerſetzung aber ſich
ſubſtanziell mehr oder weniger in Mineralkörper umgewan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="71"/>
Maße geme&#x017F;&#x017F;en habe, muß ich der geneigten Beurtheilung<lb/>
meiner Zuhörer anheim&#x017F;tellen. Was aber den vielgenannten<lb/>
Gegen&#x017F;tand meines Vortrags betrifft, &#x017F;o &#x017F;ind die Verhand-<lb/>
lungen darüber zwar noch nicht zur wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Spruch-<lb/>
reife und zum völligen Austrag gelangt; <hi rendition="#g">das</hi> Ergebniß läßt<lb/>
&#x017F;ich jedoch mit Sicherheit daraus ableiten:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Daß die Gebeine, welche den Neanderthaler<lb/>
Fund bilden, nach dem Urtheile der competen-<lb/>
te&#x017F;ten Fachmänner unzweifelhaft von einem<lb/>
Men&#x017F;chen herrühren und, ungeachtet ihrer auf-<lb/>
fallend abnormen Bildung, zu der Annahme<lb/>
eines generi&#x017F;ch oder &#x017F;pecifi&#x017F;ch vom Men&#x017F;chen<lb/>
ver&#x017F;chiedenen We&#x017F;ens, oder einer erlo&#x017F;chenen<lb/>
Uebergangsform des Affen in den Men&#x017F;chen<lb/>
in keiner Wei&#x017F;e berechtigen</hi>.</hi></p><lb/>
        <p>Der Nachweis der <hi rendition="#g">Fo&#x017F;&#x017F;ilität</hi> d. h. des diluvialen<lb/>
Alters bildet die be&#x017F;ondere Aufgabe, die ich per&#x017F;önlich in<lb/>
der Angelegenheit des Fundes zu vertreten habe. Jch muß<lb/>
mir daher noch folgende Schlußbemerkung erlauben.</p><lb/>
        <p>Mit dem Namen &#x201E;Fo&#x017F;&#x017F;ilien&#x201C; oder mit dem Worte<lb/>
&#x201E;fo&#x017F;&#x017F;il&#x201C; bezeichnen wir nicht nur alle &#x017F;teinigen oder erdigen<lb/>
Mineralkörper, die wir durch irgend eine kün&#x017F;tliche Opera-<lb/>
tion, &#x017F;ei es durch Bergbau, Steinbruch- oder Erdarbeiten,<lb/>
aus ihrem natürlichen Verbande und Zu&#x017F;ammenhange lö&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern auch alle Re&#x017F;te und Formen von organi&#x017F;chen Kör-<lb/>
pern, nämlich von Thieren und Pflanzen, von denen wir<lb/>
voraus&#x017F;etzen, daß &#x017F;ie in einer der jetzigen Epoche der Erd-<lb/>
bildung vorangehenden Zeit, al&#x017F;o &#x017F;päte&#x017F;tens in der &#x017F;og. Di-<lb/>
luvialperiode durch natürliche Vorgänge an ihren Fundort<lb/>
gebracht wurden, wo &#x017F;ie von Mineral&#x017F;ub&#x017F;tanzen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wohl ihre Form bewahrt, durch chemi&#x017F;che Zer&#x017F;etzung aber &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ub&#x017F;tanziell mehr oder weniger in Mineralkörper umgewan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0075] Maße gemeſſen habe, muß ich der geneigten Beurtheilung meiner Zuhörer anheimſtellen. Was aber den vielgenannten Gegenſtand meines Vortrags betrifft, ſo ſind die Verhand- lungen darüber zwar noch nicht zur wiſſenſchaftlichen Spruch- reife und zum völligen Austrag gelangt; das Ergebniß läßt ſich jedoch mit Sicherheit daraus ableiten: Daß die Gebeine, welche den Neanderthaler Fund bilden, nach dem Urtheile der competen- teſten Fachmänner unzweifelhaft von einem Menſchen herrühren und, ungeachtet ihrer auf- fallend abnormen Bildung, zu der Annahme eines generiſch oder ſpecifiſch vom Menſchen verſchiedenen Weſens, oder einer erloſchenen Uebergangsform des Affen in den Menſchen in keiner Weiſe berechtigen. Der Nachweis der Foſſilität d. h. des diluvialen Alters bildet die beſondere Aufgabe, die ich perſönlich in der Angelegenheit des Fundes zu vertreten habe. Jch muß mir daher noch folgende Schlußbemerkung erlauben. Mit dem Namen „Foſſilien“ oder mit dem Worte „foſſil“ bezeichnen wir nicht nur alle ſteinigen oder erdigen Mineralkörper, die wir durch irgend eine künſtliche Opera- tion, ſei es durch Bergbau, Steinbruch- oder Erdarbeiten, aus ihrem natürlichen Verbande und Zuſammenhange löſen, ſondern auch alle Reſte und Formen von organiſchen Kör- pern, nämlich von Thieren und Pflanzen, von denen wir vorausſetzen, daß ſie in einer der jetzigen Epoche der Erd- bildung vorangehenden Zeit, alſo ſpäteſtens in der ſog. Di- luvialperiode durch natürliche Vorgänge an ihren Fundort gebracht wurden, wo ſie von Mineralſubſtanzen eingeſchloſſen wohl ihre Form bewahrt, durch chemiſche Zerſetzung aber ſich ſubſtanziell mehr oder weniger in Mineralkörper umgewan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/75
Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/75>, abgerufen am 24.11.2024.