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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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4) Der Schädel ist ungeachtet seiner großen Affenähn-
lichkeit nicht so isolirt, wie es anfänglich scheint; er bildet
vielmehr nur den äußersten Ausdruck einer allmählig von
ihm aus zum höchsten und bestentwickelten menschlichen
Schädel führenden Reihe.

5) Die bis jetzt entdeckten fossilen Ueberreste des Men-
schen führen uns jener pithecoiden (Affen-) Form nicht merk-
lich näher, durch deren Modification der Mensch vermuthlich
das, was er ist, geworden ist.

6) Die Zeit muß es lehren, ob die Entdeckung des
"Urmenschen" in vielleicht noch älteren Schichten, als das
Diluvium, den Paläontologen der Zukunft vorbehalten ist.
Wenn aber eine Theorie der progressiven Entwickelung in
irgend einer Form richtig ist, so müssen wir die in Bezug
auf das Alter der Menschheit gemachte reichlichste Schätzung
um lange Zeiträume noch verlängern."

Die Namen so vieler, auf ihren wissenschaftlichen Ge-
bieten ausgezeichneter Fachgelehrten des Jn- und Auslandes,
die sich nach den vorliegenden Mittheilungen an der Dis-
cussion des Neanderthaler Fundes betheiligt und denselben
geologisch, anatomisch und anthropologisch zu deuten versucht
haben, mögen wohl mehr, als jede von persönlicher Vorliebe
ausgehende Versicherung die Bedeutsamkeit des Gegenstandes
und die Tragweite der wissenschaftlichen Probleme verbürgen,
um die es sich dabei handelt. Jn der übersichtlichen Dar-
stellung Dessen, was von diesen Männern bis dahin geleistet
worden, bin ich bemüht gewesen, mich auf Dasjenige zu be-
schränken, was nach meinem Ermessen dem allgemeineren
Verständniß zugänglich und andrerseits die Grenzen nicht zu
überschreiten schien, bis zu welchen den gebildeten Laien das
Jnteresse an einer wissenschaftlichen Tagesfrage zu begleiten
pflegt. Ob und in wie weit ich dabei mit dem richtigen

4) Der Schädel iſt ungeachtet ſeiner großen Affenähn-
lichkeit nicht ſo iſolirt, wie es anfänglich ſcheint; er bildet
vielmehr nur den äußerſten Ausdruck einer allmählig von
ihm aus zum höchſten und beſtentwickelten menſchlichen
Schädel führenden Reihe.

5) Die bis jetzt entdeckten foſſilen Ueberreſte des Men-
ſchen führen uns jener pithecoiden (Affen-) Form nicht merk-
lich näher, durch deren Modification der Menſch vermuthlich
das, was er iſt, geworden iſt.

6) Die Zeit muß es lehren, ob die Entdeckung des
„Urmenſchen“ in vielleicht noch älteren Schichten, als das
Diluvium, den Paläontologen der Zukunft vorbehalten iſt.
Wenn aber eine Theorie der progreſſiven Entwickelung in
irgend einer Form richtig iſt, ſo müſſen wir die in Bezug
auf das Alter der Menſchheit gemachte reichlichſte Schätzung
um lange Zeiträume noch verlängern.“

Die Namen ſo vieler, auf ihren wiſſenſchaftlichen Ge-
bieten ausgezeichneter Fachgelehrten des Jn- und Auslandes,
die ſich nach den vorliegenden Mittheilungen an der Dis-
cuſſion des Neanderthaler Fundes betheiligt und denſelben
geologiſch, anatomiſch und anthropologiſch zu deuten verſucht
haben, mögen wohl mehr, als jede von perſönlicher Vorliebe
ausgehende Verſicherung die Bedeutſamkeit des Gegenſtandes
und die Tragweite der wiſſenſchaftlichen Probleme verbürgen,
um die es ſich dabei handelt. Jn der überſichtlichen Dar-
ſtellung Deſſen, was von dieſen Männern bis dahin geleiſtet
worden, bin ich bemüht geweſen, mich auf Dasjenige zu be-
ſchränken, was nach meinem Ermeſſen dem allgemeineren
Verſtändniß zugänglich und andrerſeits die Grenzen nicht zu
überſchreiten ſchien, bis zu welchen den gebildeten Laien das
Jntereſſe an einer wiſſenſchaftlichen Tagesfrage zu begleiten
pflegt. Ob und in wie weit ich dabei mit dem richtigen

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[70/0074] 4) Der Schädel iſt ungeachtet ſeiner großen Affenähn- lichkeit nicht ſo iſolirt, wie es anfänglich ſcheint; er bildet vielmehr nur den äußerſten Ausdruck einer allmählig von ihm aus zum höchſten und beſtentwickelten menſchlichen Schädel führenden Reihe. 5) Die bis jetzt entdeckten foſſilen Ueberreſte des Men- ſchen führen uns jener pithecoiden (Affen-) Form nicht merk- lich näher, durch deren Modification der Menſch vermuthlich das, was er iſt, geworden iſt. 6) Die Zeit muß es lehren, ob die Entdeckung des „Urmenſchen“ in vielleicht noch älteren Schichten, als das Diluvium, den Paläontologen der Zukunft vorbehalten iſt. Wenn aber eine Theorie der progreſſiven Entwickelung in irgend einer Form richtig iſt, ſo müſſen wir die in Bezug auf das Alter der Menſchheit gemachte reichlichſte Schätzung um lange Zeiträume noch verlängern.“ Die Namen ſo vieler, auf ihren wiſſenſchaftlichen Ge- bieten ausgezeichneter Fachgelehrten des Jn- und Auslandes, die ſich nach den vorliegenden Mittheilungen an der Dis- cuſſion des Neanderthaler Fundes betheiligt und denſelben geologiſch, anatomiſch und anthropologiſch zu deuten verſucht haben, mögen wohl mehr, als jede von perſönlicher Vorliebe ausgehende Verſicherung die Bedeutſamkeit des Gegenſtandes und die Tragweite der wiſſenſchaftlichen Probleme verbürgen, um die es ſich dabei handelt. Jn der überſichtlichen Dar- ſtellung Deſſen, was von dieſen Männern bis dahin geleiſtet worden, bin ich bemüht geweſen, mich auf Dasjenige zu be- ſchränken, was nach meinem Ermeſſen dem allgemeineren Verſtändniß zugänglich und andrerſeits die Grenzen nicht zu überſchreiten ſchien, bis zu welchen den gebildeten Laien das Jntereſſe an einer wiſſenſchaftlichen Tagesfrage zu begleiten pflegt. Ob und in wie weit ich dabei mit dem richtigen

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/74>, abgerufen am 24.11.2024.