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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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4) Die Oberfläche aller Knochen, namentlich die in-
nere Seite der Schädelknochen ist mit zierlichen Dendriten-
bildungen bedeckt, wie dergleichen an fossilen Thierknochen,
namentlich an denen aus den Balver und Sundwiger Höh-
len häufig beobachtet worden.

5) Sämmtliche Knochen, namentlich die Hirnschale
zeichnen sich durch ungewöhnliche Dicke und durch die starke
Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leisten aus, die den
Muskeln zum Ansatz dienen.

6) Der bei Weitem wichtigste von den Neanderthaler
menschlichen Ueberresten ist der zugehörige Schädel*), wovon
die Hirnschale bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand
des Stirnbeins und der sehr stark ausgebildeten und fast zu
einem horizontalen Wulst vereinigten oberen halbkreisförmi-
gen Linien der Hinterhauptsschuppe erhalten vorliegt. Diese
Hirnschale ist von ungewöhnlicher Größe und lang-elliptischer
Form. Die am meisten auffallende Eigenthümlichkeit der-
selben besteht in der außerordentlichen Entwickelung der
Stirnhöhlen, wodurch die Augenbraunbogen, die in der Mitte
ganz mit einander verschmolzen sind, so vorspringend werden,
daß hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einsenkung
zeigt. Die Stirn ist schmal und flach, während die mittle-
ren und hinteren Theile des Schädelgewölbes gut entwickelt
sind. Der Schädel ist ganz symmetrisch gebildet und es
fehlt jeder Anlaß, die stark niedergedrückte Stirn desselben
für eine künstliche Abflachung zu halten. Jn seiner Bildung
zeigt sich zwar jene Entwickelung des Vorderkopfes, die so
häufig an sehr alten Schädeln gefunden wurde und einer
der sprechendsten Beweise für den Einfluß der Cultur und
Civilisation auf die Gestalt des menschlichen Schädels ist,

*) Vergl. die beigegeb. Tafel, Figur 2.

4) Die Oberfläche aller Knochen, namentlich die in-
nere Seite der Schädelknochen iſt mit zierlichen Dendriten-
bildungen bedeckt, wie dergleichen an foſſilen Thierknochen,
namentlich an denen aus den Balver und Sundwiger Höh-
len häufig beobachtet worden.

5) Sämmtliche Knochen, namentlich die Hirnſchale
zeichnen ſich durch ungewöhnliche Dicke und durch die ſtarke
Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leiſten aus, die den
Muskeln zum Anſatz dienen.

6) Der bei Weitem wichtigſte von den Neanderthaler
menſchlichen Ueberreſten iſt der zugehörige Schädel*), wovon
die Hirnſchale bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand
des Stirnbeins und der ſehr ſtark ausgebildeten und faſt zu
einem horizontalen Wulſt vereinigten oberen halbkreisförmi-
gen Linien der Hinterhauptsſchuppe erhalten vorliegt. Dieſe
Hirnſchale iſt von ungewöhnlicher Größe und lang-elliptiſcher
Form. Die am meiſten auffallende Eigenthümlichkeit der-
ſelben beſteht in der außerordentlichen Entwickelung der
Stirnhöhlen, wodurch die Augenbraunbogen, die in der Mitte
ganz mit einander verſchmolzen ſind, ſo vorſpringend werden,
daß hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einſenkung
zeigt. Die Stirn iſt ſchmal und flach, während die mittle-
ren und hinteren Theile des Schädelgewölbes gut entwickelt
ſind. Der Schädel iſt ganz ſymmetriſch gebildet und es
fehlt jeder Anlaß, die ſtark niedergedrückte Stirn deſſelben
für eine künſtliche Abflachung zu halten. Jn ſeiner Bildung
zeigt ſich zwar jene Entwickelung des Vorderkopfes, die ſo
häufig an ſehr alten Schädeln gefunden wurde und einer
der ſprechendſten Beweiſe für den Einfluß der Cultur und
Civiliſation auf die Geſtalt des menſchlichen Schädels iſt,

*) Vergl. die beigegeb. Tafel, Figur 2.
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[59/0063] 4) Die Oberfläche aller Knochen, namentlich die in- nere Seite der Schädelknochen iſt mit zierlichen Dendriten- bildungen bedeckt, wie dergleichen an foſſilen Thierknochen, namentlich an denen aus den Balver und Sundwiger Höh- len häufig beobachtet worden. 5) Sämmtliche Knochen, namentlich die Hirnſchale zeichnen ſich durch ungewöhnliche Dicke und durch die ſtarke Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leiſten aus, die den Muskeln zum Anſatz dienen. 6) Der bei Weitem wichtigſte von den Neanderthaler menſchlichen Ueberreſten iſt der zugehörige Schädel *), wovon die Hirnſchale bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand des Stirnbeins und der ſehr ſtark ausgebildeten und faſt zu einem horizontalen Wulſt vereinigten oberen halbkreisförmi- gen Linien der Hinterhauptsſchuppe erhalten vorliegt. Dieſe Hirnſchale iſt von ungewöhnlicher Größe und lang-elliptiſcher Form. Die am meiſten auffallende Eigenthümlichkeit der- ſelben beſteht in der außerordentlichen Entwickelung der Stirnhöhlen, wodurch die Augenbraunbogen, die in der Mitte ganz mit einander verſchmolzen ſind, ſo vorſpringend werden, daß hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einſenkung zeigt. Die Stirn iſt ſchmal und flach, während die mittle- ren und hinteren Theile des Schädelgewölbes gut entwickelt ſind. Der Schädel iſt ganz ſymmetriſch gebildet und es fehlt jeder Anlaß, die ſtark niedergedrückte Stirn deſſelben für eine künſtliche Abflachung zu halten. Jn ſeiner Bildung zeigt ſich zwar jene Entwickelung des Vorderkopfes, die ſo häufig an ſehr alten Schädeln gefunden wurde und einer der ſprechendſten Beweiſe für den Einfluß der Cultur und Civiliſation auf die Geſtalt des menſchlichen Schädels iſt, *) Vergl. die beigegeb. Tafel, Figur 2.

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/63>, abgerufen am 24.11.2024.