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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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Jahre 1855 Prof. A. Spring in Lüttich einen höchst inte-
ressanten Fund aus einer Kalksteinhöhle zwischen Namur
und Dinant an der Maas bekannt machte, da war dieses
Verhältniß noch so unsicher, daß er nicht wagte, für seinen
Fund ein vorsündfluthliches Alter geltend zu machen. Der
Fund bestand, außer einigen Steinwaffen, in einer ganzen
Menge bunt durcheinander gelagerter Thier- und Menschen-
knochen, die von derselben Schuttmasse bedeckt und zum Theil
in Kalksinter eingebacken waren. Unter den menschlichen
Resten befanden sich mehrere Schädelfragmente, sowie ein
ganzer Schädel von so auffallender Bildung, daß sie den
rohesten und am wenigsten entwickelten Negertypus zu ver-
treten schienen; sie waren aber so mürbe und so fest in die
Steinmasse eingewachsen, daß ihre Erhaltung nicht möglich
war. Nach langem Schwanken glaubte sich Prof. Spring
dahin entscheiden zu müssen, -- und darin mag er auch
Recht haben -- daß der Fund aus den Zeiten der rohesten,
nachsündfluthlichen Urbevölkerung datire, die vor der Ein-
wanderung der Kelten und Germanen das westliche Europa
bewohnte, und daß in demselben die Reste eines Canniba-
lenmahles vorlägen.

Ein Jahr später, nämlich im August 1856, wurden
endlich die Neanderthaler Gebeine aufgefunden, deren
Bedeutung für das Ganze der vorliegenden Frage ich oben be-
reits angegeben habe. Als ich diesen Fund im Frühjahr
1857 einer Versammlung von Naturforschern in Bonn vor-
legte, und nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände, die
den Fund begleiteten und die damals mir allein vollständig
bekannt waren, für denselben die Wahrscheinlichkeit eines
vorsündfluthlichen Alters und zugleich einer urtypischen Form
unserer Gattung in Anspruch nahm, da war man zwar er-
staunt und machte große Augen über das, was man sahe,

Jahre 1855 Prof. A. Spring in Lüttich einen höchſt inte-
reſſanten Fund aus einer Kalkſteinhöhle zwiſchen Namur
und Dinant an der Maas bekannt machte, da war dieſes
Verhältniß noch ſo unſicher, daß er nicht wagte, für ſeinen
Fund ein vorſündfluthliches Alter geltend zu machen. Der
Fund beſtand, außer einigen Steinwaffen, in einer ganzen
Menge bunt durcheinander gelagerter Thier- und Menſchen-
knochen, die von derſelben Schuttmaſſe bedeckt und zum Theil
in Kalkſinter eingebacken waren. Unter den menſchlichen
Reſten befanden ſich mehrere Schädelfragmente, ſowie ein
ganzer Schädel von ſo auffallender Bildung, daß ſie den
roheſten und am wenigſten entwickelten Negertypus zu ver-
treten ſchienen; ſie waren aber ſo mürbe und ſo feſt in die
Steinmaſſe eingewachſen, daß ihre Erhaltung nicht möglich
war. Nach langem Schwanken glaubte ſich Prof. Spring
dahin entſcheiden zu müſſen, — und darin mag er auch
Recht haben — daß der Fund aus den Zeiten der roheſten,
nachſündfluthlichen Urbevölkerung datire, die vor der Ein-
wanderung der Kelten und Germanen das weſtliche Europa
bewohnte, und daß in demſelben die Reſte eines Canniba-
lenmahles vorlägen.

Ein Jahr ſpäter, nämlich im Auguſt 1856, wurden
endlich die Neanderthaler Gebeine aufgefunden, deren
Bedeutung für das Ganze der vorliegenden Frage ich oben be-
reits angegeben habe. Als ich dieſen Fund im Frühjahr
1857 einer Verſammlung von Naturforſchern in Bonn vor-
legte, und nach ſorgfältiger Erwägung aller Umſtände, die
den Fund begleiteten und die damals mir allein vollſtändig
bekannt waren, für denſelben die Wahrſcheinlichkeit eines
vorſündfluthlichen Alters und zugleich einer urtypiſchen Form
unſerer Gattung in Anſpruch nahm, da war man zwar er-
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[30/0034] Jahre 1855 Prof. A. Spring in Lüttich einen höchſt inte- reſſanten Fund aus einer Kalkſteinhöhle zwiſchen Namur und Dinant an der Maas bekannt machte, da war dieſes Verhältniß noch ſo unſicher, daß er nicht wagte, für ſeinen Fund ein vorſündfluthliches Alter geltend zu machen. Der Fund beſtand, außer einigen Steinwaffen, in einer ganzen Menge bunt durcheinander gelagerter Thier- und Menſchen- knochen, die von derſelben Schuttmaſſe bedeckt und zum Theil in Kalkſinter eingebacken waren. Unter den menſchlichen Reſten befanden ſich mehrere Schädelfragmente, ſowie ein ganzer Schädel von ſo auffallender Bildung, daß ſie den roheſten und am wenigſten entwickelten Negertypus zu ver- treten ſchienen; ſie waren aber ſo mürbe und ſo feſt in die Steinmaſſe eingewachſen, daß ihre Erhaltung nicht möglich war. Nach langem Schwanken glaubte ſich Prof. Spring dahin entſcheiden zu müſſen, — und darin mag er auch Recht haben — daß der Fund aus den Zeiten der roheſten, nachſündfluthlichen Urbevölkerung datire, die vor der Ein- wanderung der Kelten und Germanen das weſtliche Europa bewohnte, und daß in demſelben die Reſte eines Canniba- lenmahles vorlägen. Ein Jahr ſpäter, nämlich im Auguſt 1856, wurden endlich die Neanderthaler Gebeine aufgefunden, deren Bedeutung für das Ganze der vorliegenden Frage ich oben be- reits angegeben habe. Als ich dieſen Fund im Frühjahr 1857 einer Verſammlung von Naturforſchern in Bonn vor- legte, und nach ſorgfältiger Erwägung aller Umſtände, die den Fund begleiteten und die damals mir allein vollſtändig bekannt waren, für denſelben die Wahrſcheinlichkeit eines vorſündfluthlichen Alters und zugleich einer urtypiſchen Form unſerer Gattung in Anſpruch nahm, da war man zwar er- ſtaunt und machte große Augen über das, was man ſahe,

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/34>, abgerufen am 21.11.2024.