man zwar, daß ihnen Heulen und Schreien natür- lich sey, daß aber eins von sich selbst nur ein ein- ziges wahres Wort, von der Sprache der Eltern vorgebracht habe, findet man nicht; sondern viel- mehr, daß alle, doch eins mit mehr, oder weniger Mühe, als das andere, Wort vor Wort haben lernen müssen, und daß sie, wenn sie versäumet worden sind, bey schon [ei]niger Kenntuiß der Wör- ter, dennoch nicht einmahl für tägliche Dinge will- kührliche Wörter zu erfinden gewagt, oder ver- mocht haben.
§. 80.
Hiezu kommt noch der merkwürdige Umstand, daß die erste Sprache aller Kinder, eine ganz an- dere ist, als ihrer Eltern, doch auch wieder mehr oder weniger für die Ohren anderer. Wenn man ihnen daher nach den ersten Anfängen nicht weiter nach hülffe, so würde oft jedes Kind von denselben Eltern, nach der besondern Geschicklichkeit seines Ohres und der Sprachtheile, vielmehr eine ganz andere, als der Eltern ihre, ohne alle Erfindung, mitten zwischen der alten Sprache führen.
§. 81.
man zwar, daß ihnen Heulen und Schreien natuͤr- lich ſey, daß aber eins von ſich ſelbſt nur ein ein- ziges wahres Wort, von der Sprache der Eltern vorgebracht habe, findet man nicht; ſondern viel- mehr, daß alle, doch eins mit mehr, oder weniger Muͤhe, als das andere, Wort vor Wort haben lernen muͤſſen, und daß ſie, wenn ſie verſaͤumet worden ſind, bey ſchon [ei]niger Kenntuiß der Woͤr- ter, dennoch nicht einmahl fuͤr taͤgliche Dinge will- kuͤhrliche Woͤrter zu erfinden gewagt, oder ver- mocht haben.
§. 80.
Hiezu kommt noch der merkwuͤrdige Umſtand, daß die erſte Sprache aller Kinder, eine ganz an- dere iſt, als ihrer Eltern, doch auch wieder mehr oder weniger fuͤr die Ohren anderer. Wenn man ihnen daher nach den erſten Anfaͤngen nicht weiter nach huͤlffe, ſo wuͤrde oft jedes Kind von denſelben Eltern, nach der beſondern Geſchicklichkeit ſeines Ohres und der Sprachtheile, vielmehr eine ganz andere, als der Eltern ihre, ohne alle Erfindung, mitten zwiſchen der alten Sprache fuͤhren.
§. 81.
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man zwar, daß ihnen Heulen und Schreien natuͤr-
lich ſey, daß aber eins von ſich ſelbſt nur ein ein-
ziges wahres Wort, von der Sprache der Eltern
vorgebracht habe, findet man nicht; ſondern viel-
mehr, daß alle, doch eins mit mehr, oder weniger
Muͤhe, als das andere, Wort vor Wort haben
lernen muͤſſen, und daß ſie, wenn ſie verſaͤumet
worden ſind, bey ſchon einiger Kenntuiß der Woͤr-
ter, dennoch nicht einmahl fuͤr taͤgliche Dinge will-
kuͤhrliche Woͤrter zu erfinden gewagt, oder ver-
mocht haben.
§. 80.
Hiezu kommt noch der merkwuͤrdige Umſtand,
daß die erſte Sprache aller Kinder, eine ganz an-
dere iſt, als ihrer Eltern, doch auch wieder mehr
oder weniger fuͤr die Ohren anderer. Wenn man
ihnen daher nach den erſten Anfaͤngen nicht weiter
nach huͤlffe, ſo wuͤrde oft jedes Kind von denſelben
Eltern, nach der beſondern Geſchicklichkeit ſeines
Ohres und der Sprachtheile, vielmehr eine ganz
andere, als der Eltern ihre, ohne alle Erfindung,
mitten zwiſchen der alten Sprache fuͤhren.
§. 81.
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[Füchsel, Georg Christian]: Entwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte. Frankfurt u. a., 1773, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773/72>, abgerufen am 03.03.2025.
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