Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

cher Herzlichkeit empfangen werden. Die schwar-
zen Pflanzer stehen an Betriebsamkeit den Wei-
ßen nicht nach, und werden ihnen nach 50 Jah-
ren vielleicht an Vermögen ziemlich nahe kom-
men, da sie fleißig die Schulen zu besuchen an-
fangen, und ihre Bildung in der Nähe der
Städte merklich fortschreitet. Unfern Paris
würde es wohl sehr auffallen, zwey junge Mäd-
chen, im Morgenkleide und im Sonnenhute, durch
Felder und Gehölze streifen zu sehen; hier ist
dieß, Dank sey den schuldlosen Sitten des
Landes, gar nichts ungewöhnliches. Die treu-
herzigen Pensilvanier grüßen uns überall mit
freundlicher Unbefangenheit, und reden uns mit
dem vertraulichen Du an, welches ich so gern
höre, weil ich es in meiner Kindheit so allgemein
vernahm. Philippine hat sich mit leidenschaftli-
cher Liebe an mich gehängt, und ich umfasse das
holde Mädchen mit schwesterlicher Zärtlichkeit,
freilich nicht in dem Sinne, wie es die Familie
zu erwarten scheint. Ueberhaupt ist dieß die
Kehrseite meines sonst so glücklichen Lebens,
daß man etwas voraussetzt, wovon ich mich noch
weit entfernt fühle. Der Vater ist voll Eifer

*

cher Herzlichkeit empfangen werden. Die ſchwar-
zen Pflanzer ſtehen an Betriebſamkeit den Wei-
ßen nicht nach, und werden ihnen nach 50 Jah-
ren vielleicht an Vermoͤgen ziemlich nahe kom-
men, da ſie fleißig die Schulen zu beſuchen an-
fangen, und ihre Bildung in der Naͤhe der
Staͤdte merklich fortſchreitet. Unfern Paris
wuͤrde es wohl ſehr auffallen, zwey junge Maͤd-
chen, im Morgenkleide und im Sonnenhute, durch
Felder und Gehoͤlze ſtreifen zu ſehen; hier iſt
dieß, Dank ſey den ſchuldloſen Sitten des
Landes, gar nichts ungewoͤhnliches. Die treu-
herzigen Penſilvanier gruͤßen uns uͤberall mit
freundlicher Unbefangenheit, und reden uns mit
dem vertraulichen Du an, welches ich ſo gern
hoͤre, weil ich es in meiner Kindheit ſo allgemein
vernahm. Philippine hat ſich mit leidenſchaftli-
cher Liebe an mich gehaͤngt, und ich umfaſſe das
holde Maͤdchen mit ſchweſterlicher Zaͤrtlichkeit,
freilich nicht in dem Sinne, wie es die Familie
zu erwarten ſcheint. Ueberhaupt iſt dieß die
Kehrſeite meines ſonſt ſo gluͤcklichen Lebens,
daß man etwas vorausſetzt, wovon ich mich noch
weit entfernt fuͤhle. Der Vater iſt voll Eifer

*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="19"/>
cher Herzlichkeit empfangen werden. Die &#x017F;chwar-<lb/>
zen Pflanzer &#x017F;tehen an Betrieb&#x017F;amkeit den Wei-<lb/>
ßen nicht nach, und werden ihnen nach 50 Jah-<lb/>
ren vielleicht an Vermo&#x0364;gen ziemlich nahe kom-<lb/>
men, da &#x017F;ie fleißig die Schulen zu be&#x017F;uchen an-<lb/>
fangen, und ihre Bildung in der Na&#x0364;he der<lb/>
Sta&#x0364;dte merklich fort&#x017F;chreitet. Unfern Paris<lb/>
wu&#x0364;rde es wohl &#x017F;ehr auffallen, zwey junge Ma&#x0364;d-<lb/>
chen, im Morgenkleide und im Sonnenhute, durch<lb/>
Felder und Geho&#x0364;lze &#x017F;treifen zu &#x017F;ehen; hier i&#x017F;t<lb/>
dieß, Dank &#x017F;ey den &#x017F;chuldlo&#x017F;en Sitten des<lb/>
Landes, gar nichts ungewo&#x0364;hnliches. Die treu-<lb/>
herzigen Pen&#x017F;ilvanier gru&#x0364;ßen uns u&#x0364;berall mit<lb/>
freundlicher Unbefangenheit, und reden uns mit<lb/>
dem vertraulichen Du an, welches ich &#x017F;o gern<lb/>
ho&#x0364;re, weil ich es in meiner Kindheit &#x017F;o allgemein<lb/>
vernahm. Philippine hat &#x017F;ich mit leiden&#x017F;chaftli-<lb/>
cher Liebe an mich geha&#x0364;ngt, und ich umfa&#x017F;&#x017F;e das<lb/>
holde Ma&#x0364;dchen mit &#x017F;chwe&#x017F;terlicher Za&#x0364;rtlichkeit,<lb/>
freilich nicht in dem Sinne, wie es die Familie<lb/>
zu erwarten &#x017F;cheint. Ueberhaupt i&#x017F;t dieß die<lb/>
Kehr&#x017F;eite meines &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o glu&#x0364;cklichen Lebens,<lb/>
daß man etwas voraus&#x017F;etzt, wovon ich mich noch<lb/>
weit entfernt fu&#x0364;hle. Der Vater i&#x017F;t voll Eifer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0027] cher Herzlichkeit empfangen werden. Die ſchwar- zen Pflanzer ſtehen an Betriebſamkeit den Wei- ßen nicht nach, und werden ihnen nach 50 Jah- ren vielleicht an Vermoͤgen ziemlich nahe kom- men, da ſie fleißig die Schulen zu beſuchen an- fangen, und ihre Bildung in der Naͤhe der Staͤdte merklich fortſchreitet. Unfern Paris wuͤrde es wohl ſehr auffallen, zwey junge Maͤd- chen, im Morgenkleide und im Sonnenhute, durch Felder und Gehoͤlze ſtreifen zu ſehen; hier iſt dieß, Dank ſey den ſchuldloſen Sitten des Landes, gar nichts ungewoͤhnliches. Die treu- herzigen Penſilvanier gruͤßen uns uͤberall mit freundlicher Unbefangenheit, und reden uns mit dem vertraulichen Du an, welches ich ſo gern hoͤre, weil ich es in meiner Kindheit ſo allgemein vernahm. Philippine hat ſich mit leidenſchaftli- cher Liebe an mich gehaͤngt, und ich umfaſſe das holde Maͤdchen mit ſchweſterlicher Zaͤrtlichkeit, freilich nicht in dem Sinne, wie es die Familie zu erwarten ſcheint. Ueberhaupt iſt dieß die Kehrſeite meines ſonſt ſo gluͤcklichen Lebens, daß man etwas vorausſetzt, wovon ich mich noch weit entfernt fuͤhle. Der Vater iſt voll Eifer *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/27
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/27>, abgerufen am 11.12.2024.