welt schwerlich, ohne Partheilichkeit, darüber ein Endurtheil sprechen kann.
Meinem Vater schienen sich nach und nach dieselben Bemerkungen auf zu drängen. Er hatte den Frieden von Amiens benutzt, um persönlich beim ersten Konsul Eure Rückkehr aus zu wirken, ein Beweis, wie sehr er den mächtigen Mann ehrte, keinen andern hätte er darum gebeten. Jhr wurdet von der Liste der Ausgewanderten gestrichen.
Deine gute Mutter benutzte die ertheilte Erlaubniß, um ihrer geschwächten Gesundheit willen, und um ihren geliebten Bruder wieder zu sehn, mit vieler Freude; dein Vater gab seine Einwilligung, wahrscheinlich aus ökonomi- schen und politischen Rücksichten, und so kamst Du, meine geliebte Adele, mit Deiner Mut- ter zu uns. Welch ein Fest gab das in un- serem Hause! ein neues Leben ging für uns Alle auf. Jch war damals vierzehn, Du noch nicht viel über acht Jahr alt, aber wie innig schlossen wir uns an einander! Es war nicht der Begriff der Blutsverwandtschaft allein, was mich so an Dich kettete, ob wir uns gleich
welt ſchwerlich, ohne Partheilichkeit, daruͤber ein Endurtheil ſprechen kann.
Meinem Vater ſchienen ſich nach und nach dieſelben Bemerkungen auf zu draͤngen. Er hatte den Frieden von Amiens benutzt, um perſoͤnlich beim erſten Konſul Eure Ruͤckkehr aus zu wirken, ein Beweis, wie ſehr er den maͤchtigen Mann ehrte, keinen andern haͤtte er darum gebeten. Jhr wurdet von der Liſte der Ausgewanderten geſtrichen.
Deine gute Mutter benutzte die ertheilte Erlaubniß, um ihrer geſchwaͤchten Geſundheit willen, und um ihren geliebten Bruder wieder zu ſehn, mit vieler Freude; dein Vater gab ſeine Einwilligung, wahrſcheinlich aus oͤkonomi- ſchen und politiſchen Ruͤckſichten, und ſo kamſt Du, meine geliebte Adele, mit Deiner Mut- ter zu uns. Welch ein Feſt gab das in un- ſerem Hauſe! ein neues Leben ging fuͤr uns Alle auf. Jch war damals vierzehn, Du noch nicht viel uͤber acht Jahr alt, aber wie innig ſchloſſen wir uns an einander! Es war nicht der Begriff der Blutsverwandtſchaft allein, was mich ſo an Dich kettete, ob wir uns gleich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0096"n="86"/>
welt ſchwerlich, ohne Partheilichkeit, daruͤber<lb/>
ein Endurtheil ſprechen kann.</p><lb/><p>Meinem Vater ſchienen ſich nach und nach<lb/>
dieſelben Bemerkungen auf zu draͤngen. Er<lb/>
hatte den Frieden von Amiens benutzt, um<lb/>
perſoͤnlich beim erſten Konſul Eure Ruͤckkehr<lb/>
aus zu wirken, ein Beweis, wie ſehr er den<lb/>
maͤchtigen Mann ehrte, keinen andern haͤtte er<lb/>
darum gebeten. Jhr wurdet von der Liſte der<lb/>
Ausgewanderten geſtrichen.</p><lb/><p>Deine gute Mutter benutzte die ertheilte<lb/>
Erlaubniß, um ihrer geſchwaͤchten Geſundheit<lb/>
willen, und um ihren geliebten Bruder wieder<lb/>
zu ſehn, mit vieler Freude; dein Vater gab<lb/>ſeine Einwilligung, wahrſcheinlich aus oͤkonomi-<lb/>ſchen und politiſchen Ruͤckſichten, und ſo kamſt<lb/>
Du, meine geliebte Adele, mit Deiner Mut-<lb/>
ter zu uns. Welch ein Feſt gab das in un-<lb/>ſerem Hauſe! ein neues Leben ging fuͤr uns<lb/>
Alle auf. Jch war damals vierzehn, Du noch<lb/>
nicht viel uͤber acht Jahr alt, aber wie innig<lb/>ſchloſſen wir uns an einander! Es war nicht<lb/>
der Begriff der Blutsverwandtſchaft allein, was<lb/>
mich ſo an Dich kettete, ob wir uns gleich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0096]
welt ſchwerlich, ohne Partheilichkeit, daruͤber
ein Endurtheil ſprechen kann.
Meinem Vater ſchienen ſich nach und nach
dieſelben Bemerkungen auf zu draͤngen. Er
hatte den Frieden von Amiens benutzt, um
perſoͤnlich beim erſten Konſul Eure Ruͤckkehr
aus zu wirken, ein Beweis, wie ſehr er den
maͤchtigen Mann ehrte, keinen andern haͤtte er
darum gebeten. Jhr wurdet von der Liſte der
Ausgewanderten geſtrichen.
Deine gute Mutter benutzte die ertheilte
Erlaubniß, um ihrer geſchwaͤchten Geſundheit
willen, und um ihren geliebten Bruder wieder
zu ſehn, mit vieler Freude; dein Vater gab
ſeine Einwilligung, wahrſcheinlich aus oͤkonomi-
ſchen und politiſchen Ruͤckſichten, und ſo kamſt
Du, meine geliebte Adele, mit Deiner Mut-
ter zu uns. Welch ein Feſt gab das in un-
ſerem Hauſe! ein neues Leben ging fuͤr uns
Alle auf. Jch war damals vierzehn, Du noch
nicht viel uͤber acht Jahr alt, aber wie innig
ſchloſſen wir uns an einander! Es war nicht
der Begriff der Blutsverwandtſchaft allein, was
mich ſo an Dich kettete, ob wir uns gleich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/96>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.