Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

er, es zu ihrem Besten zu seyn. Er war kein
Heuchler, nur ein tugendhafter Schwärmer,
doch seine Tugend war hart und rauh."



Waren gleich, nach der Katastrophe vom 9ten
Thermidor, die Elemente bei weiten noch nicht
beruhigt, so hatten doch die fürchterlichsten Aus-
brüche des Vulkans nachgelassen, und, vertrau-
ter mit ihnen geworden, achtete man der nach-
folgenden, immer schwächeren Erschütterungen
wenig. Jedes Auge fast wendete sich dem Krie-
gesschauplatze zu, wo der Ruhm über den fran-
zösischen Fahnen schwebte. Der alte kriegerische
Geist meines Volkes erwachte in neuer Stär-
ke, Galliens Ritterzeiten kehrten wieder. Auch
in unsrem friedlichen Thale wurde meisten Theils
nur vom Kriege geredet. Unsere Knaben war-
fen Ball und Kreisel bei Seite, und spielten
Kriegesspiele, unsre Mädchen sangen den Mar-
seiller Hymnus. Mein Vater las öfter, als
sonst, die Zeitungen in Gesellschaft seines Freun-
des, unsers trefflichen Pfarrers, und ihre be-
geisterten Gespräche dauerten bis spät in die

er, es zu ihrem Beſten zu ſeyn. Er war kein
Heuchler, nur ein tugendhafter Schwaͤrmer,
doch ſeine Tugend war hart und rauh.‟



Waren gleich, nach der Kataſtrophe vom 9ten
Thermidor, die Elemente bei weiten noch nicht
beruhigt, ſo hatten doch die fuͤrchterlichſten Aus-
bruͤche des Vulkans nachgelaſſen, und, vertrau-
ter mit ihnen geworden, achtete man der nach-
folgenden, immer ſchwaͤcheren Erſchuͤtterungen
wenig. Jedes Auge faſt wendete ſich dem Krie-
gesſchauplatze zu, wo der Ruhm uͤber den fran-
zoͤſiſchen Fahnen ſchwebte. Der alte kriegeriſche
Geiſt meines Volkes erwachte in neuer Staͤr-
ke, Galliens Ritterzeiten kehrten wieder. Auch
in unſrem friedlichen Thale wurde meiſten Theils
nur vom Kriege geredet. Unſere Knaben war-
fen Ball und Kreiſel bei Seite, und ſpielten
Kriegesſpiele, unſre Maͤdchen ſangen den Mar-
ſeiller Hymnus. Mein Vater las oͤfter, als
ſonſt, die Zeitungen in Geſellſchaft ſeines Freun-
des, unſers trefflichen Pfarrers, und ihre be-
geiſterten Geſpraͤche dauerten bis ſpaͤt in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
er, es zu ihrem Be&#x017F;ten zu &#x017F;eyn. Er war kein<lb/>
Heuchler, nur ein tugendhafter Schwa&#x0364;rmer,<lb/>
doch &#x017F;eine Tugend war hart und rauh.&#x201F;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Waren gleich, nach der Kata&#x017F;trophe vom 9ten<lb/>
Thermidor, die Elemente bei weiten noch nicht<lb/>
beruhigt, &#x017F;o hatten doch die fu&#x0364;rchterlich&#x017F;ten Aus-<lb/>
bru&#x0364;che des Vulkans nachgela&#x017F;&#x017F;en, und, vertrau-<lb/>
ter mit ihnen geworden, achtete man der nach-<lb/>
folgenden, immer &#x017F;chwa&#x0364;cheren Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen<lb/>
wenig. Jedes Auge fa&#x017F;t wendete &#x017F;ich dem Krie-<lb/>
ges&#x017F;chauplatze zu, wo der Ruhm u&#x0364;ber den fran-<lb/>
zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Fahnen &#x017F;chwebte. Der alte kriegeri&#x017F;che<lb/>
Gei&#x017F;t meines Volkes erwachte in neuer Sta&#x0364;r-<lb/>
ke, Galliens Ritterzeiten kehrten wieder. Auch<lb/>
in un&#x017F;rem friedlichen Thale wurde mei&#x017F;ten Theils<lb/>
nur vom Kriege geredet. Un&#x017F;ere Knaben war-<lb/>
fen Ball und Krei&#x017F;el bei Seite, und &#x017F;pielten<lb/>
Krieges&#x017F;piele, un&#x017F;re Ma&#x0364;dchen &#x017F;angen den Mar-<lb/>
&#x017F;eiller Hymnus. Mein Vater las o&#x0364;fter, als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, die Zeitungen in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;eines Freun-<lb/>
des, un&#x017F;ers trefflichen Pfarrers, und ihre be-<lb/>
gei&#x017F;terten Ge&#x017F;pra&#x0364;che dauerten bis &#x017F;pa&#x0364;t in die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] er, es zu ihrem Beſten zu ſeyn. Er war kein Heuchler, nur ein tugendhafter Schwaͤrmer, doch ſeine Tugend war hart und rauh.‟ Waren gleich, nach der Kataſtrophe vom 9ten Thermidor, die Elemente bei weiten noch nicht beruhigt, ſo hatten doch die fuͤrchterlichſten Aus- bruͤche des Vulkans nachgelaſſen, und, vertrau- ter mit ihnen geworden, achtete man der nach- folgenden, immer ſchwaͤcheren Erſchuͤtterungen wenig. Jedes Auge faſt wendete ſich dem Krie- gesſchauplatze zu, wo der Ruhm uͤber den fran- zoͤſiſchen Fahnen ſchwebte. Der alte kriegeriſche Geiſt meines Volkes erwachte in neuer Staͤr- ke, Galliens Ritterzeiten kehrten wieder. Auch in unſrem friedlichen Thale wurde meiſten Theils nur vom Kriege geredet. Unſere Knaben war- fen Ball und Kreiſel bei Seite, und ſpielten Kriegesſpiele, unſre Maͤdchen ſangen den Mar- ſeiller Hymnus. Mein Vater las oͤfter, als ſonſt, die Zeitungen in Geſellſchaft ſeines Freun- des, unſers trefflichen Pfarrers, und ihre be- geiſterten Geſpraͤche dauerten bis ſpaͤt in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/82
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/82>, abgerufen am 22.11.2024.