Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.Kindheit an, hatte ich mich gewöhnt, alles nach Die Schreckenszeit erfüllte meinen Va- Kindheit an, hatte ich mich gewoͤhnt, alles nach Die Schreckenszeit erfuͤllte meinen Va- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0079" n="69"/> Kindheit an, hatte ich mich gewoͤhnt, alles nach<lb/> den Muſtern der Alten zu beurtheilen, und ſo<lb/> mußten meine Anſichten ganz verſchieden ſeyn<lb/> von den Anſichten derer, welche von einem andern<lb/> Standpunkt auf die Dinge ſahen. Mein Vater<lb/> ſchien in demſelben Falle geweſen zu ſeyn. Als<lb/> des gutmuͤthigen Ludwig Haupt unter der Guil-<lb/> lotine fiel, ſah ich ihn tief betruͤbt. „Es iſt trau-<lb/> rig,‟ ſagte er, „daß es bis dahin kommen mußte!‟<lb/> O haͤtte der edle Koͤnig ſich doch gleich anfangs<lb/> losmachen koͤnnen von den anerzogenen Be-<lb/> griffen, ſich mit Aufrichtigkeit der Sache des<lb/> Volks angeſchloſſen — es waͤre um vieles an-<lb/> ders und beſſer geworden. Aber es war faſt<lb/> in ſeiner Lage unmoͤglich, der Einfluß ſeiner<lb/> Umgebungen war zu maͤchtig, die Raͤnke der<lb/> Ausgewanderten, und ihrer Verbuͤndeten wa-<lb/> ren zu eingreifend, es konnte faſt nicht anders<lb/> enden. Er fiel als ein großes Opfer der Frei-<lb/> heit, ein reines ſchuldloſes Opfer! Moͤge es<lb/> die unterirdiſchen Goͤtter verſoͤhnen! Die<lb/> Nachwelt nennt ihn mit Recht einen Heiligen.</p><lb/> <p>Die Schreckenszeit erfuͤllte meinen Va-<lb/> ter mit Grauſen. Sie war aber durch die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0079]
Kindheit an, hatte ich mich gewoͤhnt, alles nach
den Muſtern der Alten zu beurtheilen, und ſo
mußten meine Anſichten ganz verſchieden ſeyn
von den Anſichten derer, welche von einem andern
Standpunkt auf die Dinge ſahen. Mein Vater
ſchien in demſelben Falle geweſen zu ſeyn. Als
des gutmuͤthigen Ludwig Haupt unter der Guil-
lotine fiel, ſah ich ihn tief betruͤbt. „Es iſt trau-
rig,‟ ſagte er, „daß es bis dahin kommen mußte!‟
O haͤtte der edle Koͤnig ſich doch gleich anfangs
losmachen koͤnnen von den anerzogenen Be-
griffen, ſich mit Aufrichtigkeit der Sache des
Volks angeſchloſſen — es waͤre um vieles an-
ders und beſſer geworden. Aber es war faſt
in ſeiner Lage unmoͤglich, der Einfluß ſeiner
Umgebungen war zu maͤchtig, die Raͤnke der
Ausgewanderten, und ihrer Verbuͤndeten wa-
ren zu eingreifend, es konnte faſt nicht anders
enden. Er fiel als ein großes Opfer der Frei-
heit, ein reines ſchuldloſes Opfer! Moͤge es
die unterirdiſchen Goͤtter verſoͤhnen! Die
Nachwelt nennt ihn mit Recht einen Heiligen.
Die Schreckenszeit erfuͤllte meinen Va-
ter mit Grauſen. Sie war aber durch die
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