gemeine Wohl, und rastloser als einer arbeitete er, an der neuen Organisation.
So kam der Julius heran, dieser so oft beschriebene, und in der Weltgeschichte ewig merkwürdige Monat. Meine Mutter wurde von all dem Treiben um sie her, nur sehr we- nig gewahr, ihr tiefer Kummer machte sie un- empfänglich für die Außenwelt. Sie hörte es kaum, wenn man sie bedauerte, und Vorüber- gehende sie laut ein Opfer der Tyrannei nann- ten. Tief in sich gekehrt ging sie auch am 14ten Julius Mittags auf ihrem gewöhnlichen Spaziergange auf und nieder, und es dauerte lange, ehe das Herbeiströmen einer zahllosen Volksmenge sie aufmerksam machte. Man um- ringt sie, Weiber und Mädchen umwinden sie mit dreifarbigen Bändern "auch Du sollst ge- rächt werden!" rufen sie. Das Getümmel nimmt zu. Von allen Seiten das Geschrei: "Nieder mit der Bastille, nieder!" Kanonen werden aufgepflanzt, die Thürme vom Zeughause und vom Garten werden eingestoßen, Löcher in die
gemeine Wohl, und raſtloſer als einer arbeitete er, an der neuen Organiſation.
So kam der Julius heran, dieſer ſo oft beſchriebene, und in der Weltgeſchichte ewig merkwuͤrdige Monat. Meine Mutter wurde von all dem Treiben um ſie her, nur ſehr we- nig gewahr, ihr tiefer Kummer machte ſie un- empfaͤnglich fuͤr die Außenwelt. Sie hoͤrte es kaum, wenn man ſie bedauerte, und Voruͤber- gehende ſie laut ein Opfer der Tyrannei nann- ten. Tief in ſich gekehrt ging ſie auch am 14ten Julius Mittags auf ihrem gewoͤhnlichen Spaziergange auf und nieder, und es dauerte lange, ehe das Herbeiſtroͤmen einer zahlloſen Volksmenge ſie aufmerkſam machte. Man um- ringt ſie, Weiber und Maͤdchen umwinden ſie mit dreifarbigen Baͤndern „auch Du ſollſt ge- raͤcht werden!‟ rufen ſie. Das Getuͤmmel nimmt zu. Von allen Seiten das Geſchrei: „Nieder mit der Baſtille, nieder!‟ Kanonen werden aufgepflanzt, die Thuͤrme vom Zeughauſe und vom Garten werden eingeſtoßen, Loͤcher in die
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gemeine Wohl, und raſtloſer als einer arbeitete
er, an der neuen Organiſation.
So kam der Julius heran, dieſer ſo oft
beſchriebene, und in der Weltgeſchichte ewig
merkwuͤrdige Monat. Meine Mutter wurde
von all dem Treiben um ſie her, nur ſehr we-
nig gewahr, ihr tiefer Kummer machte ſie un-
empfaͤnglich fuͤr die Außenwelt. Sie hoͤrte es
kaum, wenn man ſie bedauerte, und Voruͤber-
gehende ſie laut ein Opfer der Tyrannei nann-
ten. Tief in ſich gekehrt ging ſie auch am
14ten Julius Mittags auf ihrem gewoͤhnlichen
Spaziergange auf und nieder, und es dauerte
lange, ehe das Herbeiſtroͤmen einer zahlloſen
Volksmenge ſie aufmerkſam machte. Man um-
ringt ſie, Weiber und Maͤdchen umwinden ſie
mit dreifarbigen Baͤndern „auch Du ſollſt ge-
raͤcht werden!‟ rufen ſie. Das Getuͤmmel nimmt
zu. Von allen Seiten das Geſchrei: „Nieder
mit der Baſtille, nieder!‟ Kanonen werden
aufgepflanzt, die Thuͤrme vom Zeughauſe und
vom Garten werden eingeſtoßen, Loͤcher in die
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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