Herrn mit ihrem letzten Blutstropfen verthei- digen; man donnert sie im Namen des Kö- nigs zurück, der Wagen wird verschlossen, und dahin rollt er unaufhaltsam der furchtbaren Ba- stille zu. Mein Vater, mein armer betäubter Vater allein, und für den Augenblick ohne Aus- sicht auf Rettung. Aber er hatte eine männ- liche Seele, und diese verzweifelt nie. Der Mann wagt auch den mißlichsten Kampf mit dem Schicksal, und gibt die Hoffnung des Sieges nur mit dem letzten Lebensfunken auf. Wer vermöchte aber wohl die Verzweiflung seiner unglücklichen Klara zu schildern, als sie von ihrer tiefen Ohnmacht erwachte! Noch nach späten Jahren gerieth sie außer sich, wenn sie von dieser fürchterlichen Nacht sprach. Sie umklammerte dann unwillkührlich meinen Vater mit krampfhafter Stärke, als fürchte sie, ihn aufs neue zu verlieren, und Thrä- nen und Küsse überströmten sein Gesicht. Damals fehlte der Unglücklichen sogar die Wohlthat der Thränen. Stumm, gleich ei- nem Marmorbilde, saß sie da. Jhre Kam- merfrau handelte an ihrer Statt, und sandte
Herrn mit ihrem letzten Blutstropfen verthei- digen; man donnert ſie im Namen des Koͤ- nigs zuruͤck, der Wagen wird verſchloſſen, und dahin rollt er unaufhaltſam der furchtbaren Ba- ſtille zu. Mein Vater, mein armer betaͤubter Vater allein, und fuͤr den Augenblick ohne Aus- ſicht auf Rettung. Aber er hatte eine maͤnn- liche Seele, und dieſe verzweifelt nie. Der Mann wagt auch den mißlichſten Kampf mit dem Schickſal, und gibt die Hoffnung des Sieges nur mit dem letzten Lebensfunken auf. Wer vermoͤchte aber wohl die Verzweiflung ſeiner ungluͤcklichen Klara zu ſchildern, als ſie von ihrer tiefen Ohnmacht erwachte! Noch nach ſpaͤten Jahren gerieth ſie außer ſich, wenn ſie von dieſer fuͤrchterlichen Nacht ſprach. Sie umklammerte dann unwillkuͤhrlich meinen Vater mit krampfhafter Staͤrke, als fuͤrchte ſie, ihn aufs neue zu verlieren, und Thraͤ- nen und Kuͤſſe uͤberſtroͤmten ſein Geſicht. Damals fehlte der Ungluͤcklichen ſogar die Wohlthat der Thraͤnen. Stumm, gleich ei- nem Marmorbilde, ſaß ſie da. Jhre Kam- merfrau handelte an ihrer Statt, und ſandte
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Herrn mit ihrem letzten Blutstropfen verthei-
digen; man donnert ſie im Namen des Koͤ-
nigs zuruͤck, der Wagen wird verſchloſſen, und
dahin rollt er unaufhaltſam der furchtbaren Ba-
ſtille zu. Mein Vater, mein armer betaͤubter
Vater allein, und fuͤr den Augenblick ohne Aus-
ſicht auf Rettung. Aber er hatte eine maͤnn-
liche Seele, und dieſe verzweifelt nie. Der
Mann wagt auch den mißlichſten Kampf mit
dem Schickſal, und gibt die Hoffnung des
Sieges nur mit dem letzten Lebensfunken auf.
Wer vermoͤchte aber wohl die Verzweiflung
ſeiner ungluͤcklichen Klara zu ſchildern, als
ſie von ihrer tiefen Ohnmacht erwachte! Noch
nach ſpaͤten Jahren gerieth ſie außer ſich,
wenn ſie von dieſer fuͤrchterlichen Nacht ſprach.
Sie umklammerte dann unwillkuͤhrlich meinen
Vater mit krampfhafter Staͤrke, als fuͤrchte
ſie, ihn aufs neue zu verlieren, und Thraͤ-
nen und Kuͤſſe uͤberſtroͤmten ſein Geſicht.
Damals fehlte der Ungluͤcklichen ſogar die
Wohlthat der Thraͤnen. Stumm, gleich ei-
nem Marmorbilde, ſaß ſie da. Jhre Kam-
merfrau handelte an ihrer Statt, und ſandte
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/44>, abgerufen am 27.07.2024.
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