Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

erwiederte, es sey ganz ein anderes für Frei-
heit und Menschenrecht in den Kampf zu ziehn,
als auf Paraden zu glänzen, und, als Söld-
ling, völlig fremden Zwecken zu dienen. Man
verstand einander fast gar nicht. Der Neffe
wünschte, zu seinen Studien zurück zu kehren,
und mit seinen geliebten Griechen und Römern
zu leben; der Oheim nannte dieß Pedanterie
und Verkehrtheit, wodurch er eben für die hö-
here Welt und seine glänzenden Entwürfe ver-
dorben worden, und dem feinern Leben immer
mehr entfremdet würde. Die Spannung stieg
zwischen Beiden, so sehr mein Vater sich auch
Mühe gab, durch kindliche Zuvorkommenheit,
diese Unzufriedenheit zu bekämpfen. Endlich
erhielt mein Vater die Einwilligung, auf einige
Zeit, ein kleines Gut in der Provence besuchen
zu dürfen, welches er von seiner Mutter geerbt,
und seit seiner ersten Kindheit nicht gesehen
hatte. Er verließ in den ersten Frühlingsta-
gen das geräuschvolle Paris, wie der Vogel
den Käfich. Er hatte dort wohl Freunde ge-
funden, aber die Luft, welche sie gemeinschaft-
lich umfangen hielt, war so schwühl, daß sie das

erwiederte, es ſey ganz ein anderes fuͤr Frei-
heit und Menſchenrecht in den Kampf zu ziehn,
als auf Paraden zu glaͤnzen, und, als Soͤld-
ling, voͤllig fremden Zwecken zu dienen. Man
verſtand einander faſt gar nicht. Der Neffe
wuͤnſchte, zu ſeinen Studien zuruͤck zu kehren,
und mit ſeinen geliebten Griechen und Roͤmern
zu leben; der Oheim nannte dieß Pedanterie
und Verkehrtheit, wodurch er eben fuͤr die hoͤ-
here Welt und ſeine glaͤnzenden Entwuͤrfe ver-
dorben worden, und dem feinern Leben immer
mehr entfremdet wuͤrde. Die Spannung ſtieg
zwiſchen Beiden, ſo ſehr mein Vater ſich auch
Muͤhe gab, durch kindliche Zuvorkommenheit,
dieſe Unzufriedenheit zu bekaͤmpfen. Endlich
erhielt mein Vater die Einwilligung, auf einige
Zeit, ein kleines Gut in der Provence beſuchen
zu duͤrfen, welches er von ſeiner Mutter geerbt,
und ſeit ſeiner erſten Kindheit nicht geſehen
hatte. Er verließ in den erſten Fruͤhlingsta-
gen das geraͤuſchvolle Paris, wie der Vogel
den Kaͤfich. Er hatte dort wohl Freunde ge-
funden, aber die Luft, welche ſie gemeinſchaft-
lich umfangen hielt, war ſo ſchwuͤhl, daß ſie das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="22"/>
erwiederte, es &#x017F;ey ganz ein anderes fu&#x0364;r Frei-<lb/>
heit und Men&#x017F;chenrecht in den Kampf zu ziehn,<lb/>
als auf Paraden zu gla&#x0364;nzen, und, als So&#x0364;ld-<lb/>
ling, vo&#x0364;llig fremden Zwecken zu dienen. Man<lb/>
ver&#x017F;tand einander fa&#x017F;t gar nicht. Der Neffe<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, zu &#x017F;einen Studien zuru&#x0364;ck zu kehren,<lb/>
und mit &#x017F;einen geliebten Griechen und Ro&#x0364;mern<lb/>
zu leben; der Oheim nannte dieß Pedanterie<lb/>
und Verkehrtheit, wodurch er eben fu&#x0364;r die ho&#x0364;-<lb/>
here Welt und &#x017F;eine gla&#x0364;nzenden Entwu&#x0364;rfe ver-<lb/>
dorben worden, und dem feinern Leben immer<lb/>
mehr entfremdet wu&#x0364;rde. Die Spannung &#x017F;tieg<lb/>
zwi&#x017F;chen Beiden, &#x017F;o &#x017F;ehr mein Vater &#x017F;ich auch<lb/>
Mu&#x0364;he gab, durch kindliche Zuvorkommenheit,<lb/>
die&#x017F;e Unzufriedenheit zu beka&#x0364;mpfen. Endlich<lb/>
erhielt mein Vater die Einwilligung, auf einige<lb/>
Zeit, ein kleines Gut in der Provence be&#x017F;uchen<lb/>
zu du&#x0364;rfen, welches er von &#x017F;einer Mutter geerbt,<lb/>
und &#x017F;eit &#x017F;einer er&#x017F;ten Kindheit nicht ge&#x017F;ehen<lb/>
hatte. Er verließ in den er&#x017F;ten Fru&#x0364;hlingsta-<lb/>
gen das gera&#x0364;u&#x017F;chvolle Paris, wie der Vogel<lb/>
den Ka&#x0364;fich. Er hatte dort wohl Freunde ge-<lb/>
funden, aber die Luft, welche &#x017F;ie gemein&#x017F;chaft-<lb/>
lich umfangen hielt, war &#x017F;o &#x017F;chwu&#x0364;hl, daß &#x017F;ie das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0030] erwiederte, es ſey ganz ein anderes fuͤr Frei- heit und Menſchenrecht in den Kampf zu ziehn, als auf Paraden zu glaͤnzen, und, als Soͤld- ling, voͤllig fremden Zwecken zu dienen. Man verſtand einander faſt gar nicht. Der Neffe wuͤnſchte, zu ſeinen Studien zuruͤck zu kehren, und mit ſeinen geliebten Griechen und Roͤmern zu leben; der Oheim nannte dieß Pedanterie und Verkehrtheit, wodurch er eben fuͤr die hoͤ- here Welt und ſeine glaͤnzenden Entwuͤrfe ver- dorben worden, und dem feinern Leben immer mehr entfremdet wuͤrde. Die Spannung ſtieg zwiſchen Beiden, ſo ſehr mein Vater ſich auch Muͤhe gab, durch kindliche Zuvorkommenheit, dieſe Unzufriedenheit zu bekaͤmpfen. Endlich erhielt mein Vater die Einwilligung, auf einige Zeit, ein kleines Gut in der Provence beſuchen zu duͤrfen, welches er von ſeiner Mutter geerbt, und ſeit ſeiner erſten Kindheit nicht geſehen hatte. Er verließ in den erſten Fruͤhlingsta- gen das geraͤuſchvolle Paris, wie der Vogel den Kaͤfich. Er hatte dort wohl Freunde ge- funden, aber die Luft, welche ſie gemeinſchaft- lich umfangen hielt, war ſo ſchwuͤhl, daß ſie das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/30
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/30>, abgerufen am 25.11.2024.