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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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solcher an, und wurde in eurer Familie selbst, fast
nicht anders genannt; der Herzog welcher meh-
rere Tage auswärts gespeist hatte, erschien näm-
lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß
er öfters finstere mißfällige Blicke auf mich warf.
Nach aufgehobener Tafel näherte er sich mir, und
nöthigte mich in ein Fenster zu treten. Warum
noch immer in dieser Farbe, gegen welche ich
mich schon anfangs mißbilligend erklärt habe?
fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der
Trauer ist noch nicht vorüber, stotterte ich. Trauer
paßt nicht für diese Zeit! sagte er herrisch, wäre
auch der Todte erst gestern begraben; Trauer-
zeichen sind zweideutig, und sie sollen, wenigstens
in meinem Hause, nicht gesehen werden. Zudem
sollen sie am Montage der Prinzessinn -- vorge-
stellt werden, bereiten sie sich gehörig dazu vor.
Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber
nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut
mit ihnen, Gräsinn Nichte, fuhr er etwas mil-
der fort, aber sie müssen sich zu fügen wissen.
Er entfernte sich aus dem Zimmer. Jch wankte
nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir,
und umarmte mich, mit einiger Rührung. Jch

ſolcher an, und wurde in eurer Familie ſelbſt, faſt
nicht anders genannt; der Herzog welcher meh-
rere Tage auswaͤrts geſpeiſt hatte, erſchien naͤm-
lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß
er oͤfters finſtere mißfaͤllige Blicke auf mich warf.
Nach aufgehobener Tafel naͤherte er ſich mir, und
noͤthigte mich in ein Fenſter zu treten. Warum
noch immer in dieſer Farbe, gegen welche ich
mich ſchon anfangs mißbilligend erklaͤrt habe?
fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der
Trauer iſt noch nicht voruͤber, ſtotterte ich. Trauer
paßt nicht fuͤr dieſe Zeit! ſagte er herriſch, waͤre
auch der Todte erſt geſtern begraben; Trauer-
zeichen ſind zweideutig, und ſie ſollen, wenigſtens
in meinem Hauſe, nicht geſehen werden. Zudem
ſollen ſie am Montage der Prinzeſſinn — vorge-
ſtellt werden, bereiten ſie ſich gehoͤrig dazu vor.
Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber
nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut
mit ihnen, Graͤſinn Nichte, fuhr er etwas mil-
der fort, aber ſie muͤſſen ſich zu fuͤgen wiſſen.
Er entfernte ſich aus dem Zimmer. Jch wankte
nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir,
und umarmte mich, mit einiger Ruͤhrung. Jch

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[189/0199] ſolcher an, und wurde in eurer Familie ſelbſt, faſt nicht anders genannt; der Herzog welcher meh- rere Tage auswaͤrts geſpeiſt hatte, erſchien naͤm- lich bei der Mittagstafel. Bald bemerkte ich, daß er oͤfters finſtere mißfaͤllige Blicke auf mich warf. Nach aufgehobener Tafel naͤherte er ſich mir, und noͤthigte mich in ein Fenſter zu treten. Warum noch immer in dieſer Farbe, gegen welche ich mich ſchon anfangs mißbilligend erklaͤrt habe? fragte er, mit gebietender Stimme. Die Zeit der Trauer iſt noch nicht voruͤber, ſtotterte ich. Trauer paßt nicht fuͤr dieſe Zeit! ſagte er herriſch, waͤre auch der Todte erſt geſtern begraben; Trauer- zeichen ſind zweideutig, und ſie ſollen, wenigſtens in meinem Hauſe, nicht geſehen werden. Zudem ſollen ſie am Montage der Prinzeſſinn — vorge- ſtellt werden, bereiten ſie ſich gehoͤrig dazu vor. Jch wollte etwas erwiedern, er ließ mich aber nicht zu Worte kommen. Jch meine es gut mit ihnen, Graͤſinn Nichte, fuhr er etwas mil- der fort, aber ſie muͤſſen ſich zu fuͤgen wiſſen. Er entfernte ſich aus dem Zimmer. Jch wankte nach dem meinigen; Deine Mutter folgte mir, und umarmte mich, mit einiger Ruͤhrung. Jch

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/199>, abgerufen am 09.11.2024.