meistens so gütig und libreich, wie in jenen schönen Tagen in meiner Provence. Mein Herz neigte sich wieder kindlich zu ihr; als Du aber in Deiner schaulustigen Art, vorschlugst, einen na- hen Spaziergang zu besuchen, oder ins Theater zu fahren, und sie sich weigerte, weil ich in Trauer sey, welches ich anfangs dankbar für zarte Scho- nung hielt, jedoch sie mir bald darauf mit einer kleinen Verlegenheit, den Vorschlag machte, ob ich mich nicht wenigstens weiß kleiden wolle, indem die Tracht Aufsehn errege und ich ihr durch deren Ablegung einen Gefallen erzeigen würde, da konnte ich mich nicht enthalten in größter Lei- denschaft mit Hamlet auszurufen: O Himmel, ein vernunftloses Thier würde länger getrauert ha- ben! Deine Mutter schwieg beschämt. Das Ver- trauen war wieder vernichtet, obschon es mir am andern Tage vor Augen lag, daß sie, gegen ihr Gefühl, nur nach der Vorschrift deines Va- ters, handle.
Der Herzog, vergib mir Adele daß es mir nicht möglich ist, Deinen Vater anders zu nen- nen, er war mir fremd, kündigte sich mir als
meiſtens ſo guͤtig und libreich, wie in jenen ſchoͤnen Tagen in meiner Provence. Mein Herz neigte ſich wieder kindlich zu ihr; als Du aber in Deiner ſchauluſtigen Art, vorſchlugſt, einen na- hen Spaziergang zu beſuchen, oder ins Theater zu fahren, und ſie ſich weigerte, weil ich in Trauer ſey, welches ich anfangs dankbar fuͤr zarte Scho- nung hielt, jedoch ſie mir bald darauf mit einer kleinen Verlegenheit, den Vorſchlag machte, ob ich mich nicht wenigſtens weiß kleiden wolle, indem die Tracht Aufſehn errege und ich ihr durch deren Ablegung einen Gefallen erzeigen wuͤrde, da konnte ich mich nicht enthalten in groͤßter Lei- denſchaft mit Hamlet auszurufen: O Himmel, ein vernunftloſes Thier wuͤrde laͤnger getrauert ha- ben! Deine Mutter ſchwieg beſchaͤmt. Das Ver- trauen war wieder vernichtet, obſchon es mir am andern Tage vor Augen lag, daß ſie, gegen ihr Gefuͤhl, nur nach der Vorſchrift deines Va- ters, handle.
Der Herzog, vergib mir Adele daß es mir nicht moͤglich iſt, Deinen Vater anders zu nen- nen, er war mir fremd, kuͤndigte ſich mir als
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meiſtens ſo guͤtig und libreich, wie in jenen
ſchoͤnen Tagen in meiner Provence. Mein Herz
neigte ſich wieder kindlich zu ihr; als Du aber
in Deiner ſchauluſtigen Art, vorſchlugſt, einen na-
hen Spaziergang zu beſuchen, oder ins Theater
zu fahren, und ſie ſich weigerte, weil ich in Trauer
ſey, welches ich anfangs dankbar fuͤr zarte Scho-
nung hielt, jedoch ſie mir bald darauf mit einer
kleinen Verlegenheit, den Vorſchlag machte, ob ich
mich nicht wenigſtens weiß kleiden wolle, indem
die Tracht Aufſehn errege und ich ihr durch
deren Ablegung einen Gefallen erzeigen wuͤrde,
da konnte ich mich nicht enthalten in groͤßter Lei-
denſchaft mit Hamlet auszurufen: O Himmel, ein
vernunftloſes Thier wuͤrde laͤnger getrauert ha-
ben! Deine Mutter ſchwieg beſchaͤmt. Das Ver-
trauen war wieder vernichtet, obſchon es mir
am andern Tage vor Augen lag, daß ſie, gegen
ihr Gefuͤhl, nur nach der Vorſchrift deines Va-
ters, handle.
Der Herzog, vergib mir Adele daß es mir
nicht moͤglich iſt, Deinen Vater anders zu nen-
nen, er war mir fremd, kuͤndigte ſich mir als
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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