wohnen. Jn demselben hatte sich, während mei- ner Krankheit, eine große Veränderung zugetra- gen. Ein junger deutscher freiwilliger Jä- ger war bei uns einquartiert, und in kurzen einheimisch geworden. Seine Bekanntschaft that mir wohl und wehe, sein Stand, seine Ju- gend und seine liebenswürdige Sanftheit und Bescheidenheit erinnerten mich nur zu lebhaft an meinen lieben Emil. So würde er jetzt seyn! dachte ich, und tausend schmerzliche Betrach- tungen drängten sich meinem leidenden Gemü- the auf. Thränen füllten meine Augen, wenn ich den schönen Jüngling ansahe, und doch sahe ich ihn so gern in seiner edlen Haltung. Seine ihn besuchenden Kameraden, waren nicht alle ihm gleich, manche kindisch eitel, unbil- lig, anmaßend, und großpralerisch; er zeich- nete sich durch Geistesbildung, Bescheidenheit und Billigkeit des Urtheils aus. Daß er eben so tapfer sey, davon gaben ihm ein rother Streif über der Stirn, und ein noch etwas stei- fer Fuß das Zeugniß; er hatte bei Lützen ta- pfer gekämpft, und zwei Wunden davon getra- gen. Bald merkte ich, daß zwischen dem schö-
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wohnen. Jn demſelben hatte ſich, waͤhrend mei- ner Krankheit, eine große Veraͤnderung zugetra- gen. Ein junger deutſcher freiwilliger Jaͤ- ger war bei uns einquartiert, und in kurzen einheimiſch geworden. Seine Bekanntſchaft that mir wohl und wehe, ſein Stand, ſeine Ju- gend und ſeine liebenswuͤrdige Sanftheit und Beſcheidenheit erinnerten mich nur zu lebhaft an meinen lieben Emil. So wuͤrde er jetzt ſeyn! dachte ich, und tauſend ſchmerzliche Betrach- tungen draͤngten ſich meinem leidenden Gemuͤ- the auf. Thraͤnen fuͤllten meine Augen, wenn ich den ſchoͤnen Juͤngling anſahe, und doch ſahe ich ihn ſo gern in ſeiner edlen Haltung. Seine ihn beſuchenden Kameraden, waren nicht alle ihm gleich, manche kindiſch eitel, unbil- lig, anmaßend, und großpraleriſch; er zeich- nete ſich durch Geiſtesbildung, Beſcheidenheit und Billigkeit des Urtheils aus. Daß er eben ſo tapfer ſey, davon gaben ihm ein rother Streif uͤber der Stirn, und ein noch etwas ſtei- fer Fuß das Zeugniß; er hatte bei Luͤtzen ta- pfer gekaͤmpft, und zwei Wunden davon getra- gen. Bald merkte ich, daß zwiſchen dem ſchoͤ-
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wohnen. Jn demſelben hatte ſich, waͤhrend mei-
ner Krankheit, eine große Veraͤnderung zugetra-
gen. Ein junger deutſcher freiwilliger Jaͤ-
ger war bei uns einquartiert, und in kurzen
einheimiſch geworden. Seine Bekanntſchaft that
mir wohl und wehe, ſein Stand, ſeine Ju-
gend und ſeine liebenswuͤrdige Sanftheit und
Beſcheidenheit erinnerten mich nur zu lebhaft
an meinen lieben Emil. So wuͤrde er jetzt ſeyn!
dachte ich, und tauſend ſchmerzliche Betrach-
tungen draͤngten ſich meinem leidenden Gemuͤ-
the auf. Thraͤnen fuͤllten meine Augen, wenn
ich den ſchoͤnen Juͤngling anſahe, und doch
ſahe ich ihn ſo gern in ſeiner edlen Haltung.
Seine ihn beſuchenden Kameraden, waren nicht
alle ihm gleich, manche kindiſch eitel, unbil-
lig, anmaßend, und großpraleriſch; er zeich-
nete ſich durch Geiſtesbildung, Beſcheidenheit
und Billigkeit des Urtheils aus. Daß er eben
ſo tapfer ſey, davon gaben ihm ein rother
Streif uͤber der Stirn, und ein noch etwas ſtei-
fer Fuß das Zeugniß; er hatte bei Luͤtzen ta-
pfer gekaͤmpft, und zwei Wunden davon getra-
gen. Bald merkte ich, daß zwiſchen dem ſchoͤ-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/189>, abgerufen am 16.02.2025.
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