und Pigmeen finden den Guliwer abscheulich. Sein größtes Verbrechen aber scheint mir immer zu seyn, daß er, im Volke gebohren, sich den Weg zum Throne gebahnt, und das Volk ihn da- rauf bestätigt hat. Wäre er ein gebohrener Fürst, man würde ihn in der Geschichte über alle Hel- den der Vorzeit erheben, und ihm seine Erobe- rungen nicht als Verbrechen anrechnen. Daß Regierungen durch solche Besitzergreifungen nicht befleckt werden, beweisen ja noch in den neue- sten Zeiten die Eroberungen Rußlands gegen Süden und Osten, die Handlungsweise der Engländer in Ostindien und die Theilung von Pohlen. Der Besiegte trägt sein Schicksal mit Größe und eben dieß verbürgt mir die Stärke seines Geistes; ein eitler Ehrgeiziger würde dar- unter erliegen, doch er, in seinem stolzen Selbst- gefühl, würde sich noch in Fesseln erhaben dün- ken und frei!
Mehrere Wochen noch, blieb ich, durch einen Zustand von Schwäche, im Bette festgehalten, und auch dann noch konnte ich nur auf einzelne Stunden im Wohnzimmer, auf einem Sopha, dem kleinen Familienkreise unsres Hauses bei-
und Pigmeen finden den Guliwer abſcheulich. Sein groͤßtes Verbrechen aber ſcheint mir immer zu ſeyn, daß er, im Volke gebohren, ſich den Weg zum Throne gebahnt, und das Volk ihn da- rauf beſtaͤtigt hat. Waͤre er ein gebohrener Fuͤrſt, man wuͤrde ihn in der Geſchichte uͤber alle Hel- den der Vorzeit erheben, und ihm ſeine Erobe- rungen nicht als Verbrechen anrechnen. Daß Regierungen durch ſolche Beſitzergreifungen nicht befleckt werden, beweiſen ja noch in den neue- ſten Zeiten die Eroberungen Rußlands gegen Suͤden und Oſten, die Handlungsweiſe der Englaͤnder in Oſtindien und die Theilung von Pohlen. Der Beſiegte traͤgt ſein Schickſal mit Groͤße und eben dieß verbuͤrgt mir die Staͤrke ſeines Geiſtes; ein eitler Ehrgeiziger wuͤrde dar- unter erliegen, doch er, in ſeinem ſtolzen Selbſt- gefuͤhl, wuͤrde ſich noch in Feſſeln erhaben duͤn- ken und frei!
Mehrere Wochen noch, blieb ich, durch einen Zuſtand von Schwaͤche, im Bette feſtgehalten, und auch dann noch konnte ich nur auf einzelne Stunden im Wohnzimmer, auf einem Sopha, dem kleinen Familienkreiſe unſres Hauſes bei-
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und Pigmeen finden den Guliwer abſcheulich.
Sein groͤßtes Verbrechen aber ſcheint mir immer
zu ſeyn, daß er, im Volke gebohren, ſich den
Weg zum Throne gebahnt, und das Volk ihn da-
rauf beſtaͤtigt hat. Waͤre er ein gebohrener Fuͤrſt,
man wuͤrde ihn in der Geſchichte uͤber alle Hel-
den der Vorzeit erheben, und ihm ſeine Erobe-
rungen nicht als Verbrechen anrechnen. Daß
Regierungen durch ſolche Beſitzergreifungen nicht
befleckt werden, beweiſen ja noch in den neue-
ſten Zeiten die Eroberungen Rußlands gegen
Suͤden und Oſten, die Handlungsweiſe der
Englaͤnder in Oſtindien und die Theilung von
Pohlen. Der Beſiegte traͤgt ſein Schickſal mit
Groͤße und eben dieß verbuͤrgt mir die Staͤrke
ſeines Geiſtes; ein eitler Ehrgeiziger wuͤrde dar-
unter erliegen, doch er, in ſeinem ſtolzen Selbſt-
gefuͤhl, wuͤrde ſich noch in Feſſeln erhaben duͤn-
ken und frei!
Mehrere Wochen noch, blieb ich, durch einen
Zuſtand von Schwaͤche, im Bette feſtgehalten,
und auch dann noch konnte ich nur auf einzelne
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/188>, abgerufen am 27.07.2024.
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