Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

rief er, leb wohl für diese Welt! -- -- ich sah
ihn nie wieder. Matt, und in dumpfer Fühl-
losigkeit, fiel ich in die Arme meiner weinenden
Mannon zurück.



Jch übergehe die zerreißenden Empfindungen
der nächsten Stunden; sie waren schrecklich.
Keine lindernde Thräne wollte meinen brennen-
den Schmerz kühlen, mein Gehirn brachte
nur verworrene gräßliche Bilder hervor. Da
erbarmte sich die Natur, die gütige, meiner, und
rettete meine Sinne durch eine betäubende Krank-
heit. Lange habe ich in Fieberhitze gelegen, dem
Anscheine nach, ein Raub des Todes, und nur
allmählig und schwach ordnete sich mein Bewußt-
seyn wieder. Jn dem Zustande eines Kindes,
welches die Größe seines Verlustes noch nicht ganz
begreift, lernte ich den meinigen fassen und er-
tragen. Er, der meines Lebens Sonne gewe-
sen, war nicht mehr! mir grauete in der fin-
steren Nacht, in welcher ich allein gelassen war.
Aber wie Kinder plaudern, wenn sie sich fürch-
ten, so redete ich leise mit ihm, der mir immer

gegen-

rief er, leb wohl fuͤr dieſe Welt! — — ich ſah
ihn nie wieder. Matt, und in dumpfer Fuͤhl-
loſigkeit, fiel ich in die Arme meiner weinenden
Mannon zuruͤck.



Jch uͤbergehe die zerreißenden Empfindungen
der naͤchſten Stunden; ſie waren ſchrecklich.
Keine lindernde Thraͤne wollte meinen brennen-
den Schmerz kuͤhlen, mein Gehirn brachte
nur verworrene graͤßliche Bilder hervor. Da
erbarmte ſich die Natur, die guͤtige, meiner, und
rettete meine Sinne durch eine betaͤubende Krank-
heit. Lange habe ich in Fieberhitze gelegen, dem
Anſcheine nach, ein Raub des Todes, und nur
allmaͤhlig und ſchwach ordnete ſich mein Bewußt-
ſeyn wieder. Jn dem Zuſtande eines Kindes,
welches die Groͤße ſeines Verluſtes noch nicht ganz
begreift, lernte ich den meinigen faſſen und er-
tragen. Er, der meines Lebens Sonne gewe-
ſen, war nicht mehr! mir grauete in der fin-
ſteren Nacht, in welcher ich allein gelaſſen war.
Aber wie Kinder plaudern, wenn ſie ſich fuͤrch-
ten, ſo redete ich leiſe mit ihm, der mir immer

gegen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="176"/>
rief er, leb wohl fu&#x0364;r die&#x017F;e Welt! &#x2014; &#x2014; ich &#x017F;ah<lb/>
ihn nie wieder. Matt, und in dumpfer Fu&#x0364;hl-<lb/>
lo&#x017F;igkeit, fiel ich in die Arme meiner weinenden<lb/>
Mannon zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch u&#x0364;bergehe die zerreißenden Empfindungen<lb/>
der na&#x0364;ch&#x017F;ten Stunden; &#x017F;ie waren &#x017F;chrecklich.<lb/>
Keine lindernde Thra&#x0364;ne wollte meinen brennen-<lb/>
den Schmerz ku&#x0364;hlen, mein Gehirn brachte<lb/>
nur verworrene gra&#x0364;ßliche Bilder hervor. Da<lb/>
erbarmte &#x017F;ich die Natur, die gu&#x0364;tige, meiner, und<lb/>
rettete meine Sinne durch eine beta&#x0364;ubende Krank-<lb/>
heit. Lange habe ich in Fieberhitze gelegen, dem<lb/>
An&#x017F;cheine nach, ein Raub des Todes, und nur<lb/>
allma&#x0364;hlig und &#x017F;chwach ordnete &#x017F;ich mein Bewußt-<lb/>
&#x017F;eyn wieder. Jn dem Zu&#x017F;tande eines Kindes,<lb/>
welches die Gro&#x0364;ße &#x017F;eines Verlu&#x017F;tes noch nicht ganz<lb/>
begreift, lernte ich den meinigen fa&#x017F;&#x017F;en und er-<lb/>
tragen. Er, der meines Lebens Sonne gewe-<lb/>
&#x017F;en, war nicht mehr! mir grauete in der fin-<lb/>
&#x017F;teren Nacht, in welcher ich allein gela&#x017F;&#x017F;en war.<lb/>
Aber wie Kinder plaudern, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;rch-<lb/>
ten, &#x017F;o redete ich lei&#x017F;e mit ihm, der mir immer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gegen-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] rief er, leb wohl fuͤr dieſe Welt! — — ich ſah ihn nie wieder. Matt, und in dumpfer Fuͤhl- loſigkeit, fiel ich in die Arme meiner weinenden Mannon zuruͤck. Jch uͤbergehe die zerreißenden Empfindungen der naͤchſten Stunden; ſie waren ſchrecklich. Keine lindernde Thraͤne wollte meinen brennen- den Schmerz kuͤhlen, mein Gehirn brachte nur verworrene graͤßliche Bilder hervor. Da erbarmte ſich die Natur, die guͤtige, meiner, und rettete meine Sinne durch eine betaͤubende Krank- heit. Lange habe ich in Fieberhitze gelegen, dem Anſcheine nach, ein Raub des Todes, und nur allmaͤhlig und ſchwach ordnete ſich mein Bewußt- ſeyn wieder. Jn dem Zuſtande eines Kindes, welches die Groͤße ſeines Verluſtes noch nicht ganz begreift, lernte ich den meinigen faſſen und er- tragen. Er, der meines Lebens Sonne gewe- ſen, war nicht mehr! mir grauete in der fin- ſteren Nacht, in welcher ich allein gelaſſen war. Aber wie Kinder plaudern, wenn ſie ſich fuͤrch- ten, ſo redete ich leiſe mit ihm, der mir immer gegen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/186
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/186>, abgerufen am 22.11.2024.