Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Donner des Geschützes; die Straßen wurden
minder geräuschvoll, und öder; jeder fragte mit
banger Neugier den Nachbar um Nachrichten,
diese waren widersprechend, und unsicher. Da
ließ sich plötzlich Pferdegalopp die Straße hin-
auf vernehmen, ahndungsvoll stürzte ich an das
Fenster. Es war der junge Pohle, welcher, mit
Staub bedeckt, vom Pferde sprang. Ein furcht-
bares Vorgefühl warf mich regungslos auf einen
Sessel, sein Anblick sagte mir das schrecklichste,
noch ehe er die Lippen öffnete. Verzweiflung
rang in seinen Zügen, und Blässe war an die
Stelle seiner Jugendröthe getreten. Er sank
zu meinen Füßen. Verloren! hauchte er müh-
sam hervor. Mein Vater? rief ich fast erstik-
kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild-
nisse meiner Mutter aus seinem Busen. Das
letzte Andenken des Edlen, und sein Lebewohl!
sagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet,
ich hatte keine Thränen. Ach, fuhr er fort, ihr
Vater starb beneidenswerth! die Schlacht, sie
war noch nicht entschieden, und die Hoffnung
noch auf unsrer Seite. Mit seinem Leben

Donner des Geſchuͤtzes; die Straßen wurden
minder geraͤuſchvoll, und oͤder; jeder fragte mit
banger Neugier den Nachbar um Nachrichten,
dieſe waren widerſprechend, und unſicher. Da
ließ ſich ploͤtzlich Pferdegalopp die Straße hin-
auf vernehmen, ahndungsvoll ſtuͤrzte ich an das
Fenſter. Es war der junge Pohle, welcher, mit
Staub bedeckt, vom Pferde ſprang. Ein furcht-
bares Vorgefuͤhl warf mich regungslos auf einen
Seſſel, ſein Anblick ſagte mir das ſchrecklichſte,
noch ehe er die Lippen oͤffnete. Verzweiflung
rang in ſeinen Zuͤgen, und Blaͤſſe war an die
Stelle ſeiner Jugendroͤthe getreten. Er ſank
zu meinen Fuͤßen. Verloren! hauchte er muͤh-
ſam hervor. Mein Vater? rief ich faſt erſtik-
kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild-
niſſe meiner Mutter aus ſeinem Buſen. Das
letzte Andenken des Edlen, und ſein Lebewohl!
ſagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet,
ich hatte keine Thraͤnen. Ach, fuhr er fort, ihr
Vater ſtarb beneidenswerth! die Schlacht, ſie
war noch nicht entſchieden, und die Hoffnung
noch auf unſrer Seite. Mit ſeinem Leben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="174"/>
Donner des Ge&#x017F;chu&#x0364;tzes; die Straßen wurden<lb/>
minder gera&#x0364;u&#x017F;chvoll, und o&#x0364;der; jeder fragte mit<lb/>
banger Neugier den Nachbar um Nachrichten,<lb/>
die&#x017F;e waren wider&#x017F;prechend, und un&#x017F;icher. Da<lb/>
ließ &#x017F;ich plo&#x0364;tzlich Pferdegalopp die Straße hin-<lb/>
auf vernehmen, ahndungsvoll &#x017F;tu&#x0364;rzte ich an das<lb/>
Fen&#x017F;ter. Es war der junge Pohle, welcher, mit<lb/>
Staub bedeckt, vom Pferde &#x017F;prang. Ein furcht-<lb/>
bares Vorgefu&#x0364;hl warf mich regungslos auf einen<lb/>
Se&#x017F;&#x017F;el, &#x017F;ein Anblick &#x017F;agte mir das &#x017F;chrecklich&#x017F;te,<lb/>
noch ehe er die Lippen o&#x0364;ffnete. Verzweiflung<lb/>
rang in &#x017F;einen Zu&#x0364;gen, und Bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e war an die<lb/>
Stelle &#x017F;einer Jugendro&#x0364;the getreten. Er &#x017F;ank<lb/>
zu meinen Fu&#x0364;ßen. Verloren! hauchte er mu&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;am hervor. Mein Vater? rief ich fa&#x017F;t er&#x017F;tik-<lb/>
kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e meiner Mutter aus &#x017F;einem Bu&#x017F;en. Das<lb/>
letzte Andenken des Edlen, und &#x017F;ein Lebewohl!<lb/>
&#x017F;agte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet,<lb/>
ich hatte keine Thra&#x0364;nen. Ach, fuhr er fort, ihr<lb/>
Vater &#x017F;tarb beneidenswerth! die Schlacht, &#x017F;ie<lb/>
war noch nicht ent&#x017F;chieden, und die Hoffnung<lb/>
noch auf un&#x017F;rer Seite. Mit &#x017F;einem Leben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] Donner des Geſchuͤtzes; die Straßen wurden minder geraͤuſchvoll, und oͤder; jeder fragte mit banger Neugier den Nachbar um Nachrichten, dieſe waren widerſprechend, und unſicher. Da ließ ſich ploͤtzlich Pferdegalopp die Straße hin- auf vernehmen, ahndungsvoll ſtuͤrzte ich an das Fenſter. Es war der junge Pohle, welcher, mit Staub bedeckt, vom Pferde ſprang. Ein furcht- bares Vorgefuͤhl warf mich regungslos auf einen Seſſel, ſein Anblick ſagte mir das ſchrecklichſte, noch ehe er die Lippen oͤffnete. Verzweiflung rang in ſeinen Zuͤgen, und Blaͤſſe war an die Stelle ſeiner Jugendroͤthe getreten. Er ſank zu meinen Fuͤßen. Verloren! hauchte er muͤh- ſam hervor. Mein Vater? rief ich faſt erſtik- kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild- niſſe meiner Mutter aus ſeinem Buſen. Das letzte Andenken des Edlen, und ſein Lebewohl! ſagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet, ich hatte keine Thraͤnen. Ach, fuhr er fort, ihr Vater ſtarb beneidenswerth! die Schlacht, ſie war noch nicht entſchieden, und die Hoffnung noch auf unſrer Seite. Mit ſeinem Leben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/184
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/184>, abgerufen am 22.11.2024.