Denken sie an die Römerzüge nach dem entfern- ten Albion, tröstete unser Abendgenosse, der freundliche Pfarrer. Und rechnen sie Pohlen, welches sich voll Freiheitshoffnung und Rachgefühl erhebt, für Nichts? es ist als ein zweiter Stütz- punkt anzusehn. Zu schwach! sagte mein Vater. O, mein Vater! rief ich: in einem Volke dem dieß geboten wurde, muß jeder Einzelne ein Held werden. Mein armes Polen! nicht erobert, nein mitten im Frieden durch einige Federstriche mächtiger Nachtbarn, zertheilt, zerrissen, dann das sträubende Volk gleich einem Rebellenhaufen behandelt. Und gleichwohl beruft man sich auf Moralität und Gerechtigkeit, wenn das Eisen nicht mächtig genug ist.
Der Winter trat auch bei uns früher und unfreundlicher ein, als gewöhnlich. Jedes rauhe Lüftchen preßte mir einen leisen Seufzer aus. Wie kalt mag es im Norden seyn? dachte ich. O, dieser unselige Winter! Wie viel Thränen hat er Frankreichs Müttern und Bräuten ge- kostet! Vernichtet das schönste Heer von Europa!
Denken ſie an die Roͤmerzuͤge nach dem entfern- ten Albion, troͤſtete unſer Abendgenoſſe, der freundliche Pfarrer. Und rechnen ſie Pohlen, welches ſich voll Freiheitshoffnung und Rachgefuͤhl erhebt, fuͤr Nichts? es iſt als ein zweiter Stuͤtz- punkt anzuſehn. Zu ſchwach! ſagte mein Vater. O, mein Vater! rief ich: in einem Volke dem dieß geboten wurde, muß jeder Einzelne ein Held werden. Mein armes Polen! nicht erobert, nein mitten im Frieden durch einige Federſtriche maͤchtiger Nachtbarn, zertheilt, zerriſſen, dann das ſtraͤubende Volk gleich einem Rebellenhaufen behandelt. Und gleichwohl beruft man ſich auf Moralitaͤt und Gerechtigkeit, wenn das Eiſen nicht maͤchtig genug iſt.
Der Winter trat auch bei uns fruͤher und unfreundlicher ein, als gewoͤhnlich. Jedes rauhe Luͤftchen preßte mir einen leiſen Seufzer aus. Wie kalt mag es im Norden ſeyn? dachte ich. O, dieſer unſelige Winter! Wie viel Thraͤnen hat er Frankreichs Muͤttern und Braͤuten ge- koſtet! Vernichtet das ſchoͤnſte Heer von Europa!
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Denken ſie an die Roͤmerzuͤge nach dem entfern-
ten Albion, troͤſtete unſer Abendgenoſſe, der
freundliche Pfarrer. Und rechnen ſie Pohlen,
welches ſich voll Freiheitshoffnung und Rachgefuͤhl
erhebt, fuͤr Nichts? es iſt als ein zweiter Stuͤtz-
punkt anzuſehn. Zu ſchwach! ſagte mein Vater.
O, mein Vater! rief ich: in einem Volke dem
dieß geboten wurde, muß jeder Einzelne ein
Held werden. Mein armes Polen! nicht erobert,
nein mitten im Frieden durch einige Federſtriche
maͤchtiger Nachtbarn, zertheilt, zerriſſen, dann
das ſtraͤubende Volk gleich einem Rebellenhaufen
behandelt. Und gleichwohl beruft man ſich auf
Moralitaͤt und Gerechtigkeit, wenn das Eiſen
nicht maͤchtig genug iſt.
Der Winter trat auch bei uns fruͤher und
unfreundlicher ein, als gewoͤhnlich. Jedes rauhe
Luͤftchen preßte mir einen leiſen Seufzer aus.
Wie kalt mag es im Norden ſeyn? dachte ich.
O, dieſer unſelige Winter! Wie viel Thraͤnen
hat er Frankreichs Muͤttern und Braͤuten ge-
koſtet! Vernichtet das ſchoͤnſte Heer von Europa!
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/162>, abgerufen am 27.07.2024.
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