tausendstimmige Chor der Abendvögl umher. Die Balsamdüfte der Blüthengebüsche zogen lindernd in meine Brust, und der schmeichelnde Abend- wind trocknete mein feuchtes Auge. Wenn ich Blumen pflückte, das Grab der Mutter und Emils theures Bildniß zu kränzen, so erfreute mich ihr Farbenschmelz, und ich wand mir schon wieder, spielend, diejenigen in das Haar, deren Anblick den Vater erfreute. Seinem Arbeits- tische ließ ich sie nimmer fehlen, und bei jeder Mahlzeit schmückte ich sorgsam die Tafel da- mit. Den Tänzen unserer Dörferinnen entzog ich mich nicht mehr, die Besuche meiner nach- barlichen Gespielinnen erwiederte ich willig, und stimmte heiter in die jugendliche Fröhlichkeit ein. Mein Vater freute sich meiner Heiterkeit. Der Muth, womit ich den Gram bekämpfte, und dem feindseligen Leben eine freundliche Seite abgewann, lag so ganz in seiner eigenen Seele. Kein Wunder, ich war ja sein Zög- ling. Wie leicht war es mir damahls, mich aufrecht zu halten, an eine so starke Stütze gelehnt! Wie wenig ahndete ich damahls, daß das Schicksal mich so bald an meine eigene
tauſendſtimmige Chor der Abendvoͤgl umher. Die Balſamduͤfte der Bluͤthengebuͤſche zogen lindernd in meine Bruſt, und der ſchmeichelnde Abend- wind trocknete mein feuchtes Auge. Wenn ich Blumen pfluͤckte, das Grab der Mutter und Emils theures Bildniß zu kraͤnzen, ſo erfreute mich ihr Farbenſchmelz, und ich wand mir ſchon wieder, ſpielend, diejenigen in das Haar, deren Anblick den Vater erfreute. Seinem Arbeits- tiſche ließ ich ſie nimmer fehlen, und bei jeder Mahlzeit ſchmuͤckte ich ſorgſam die Tafel da- mit. Den Taͤnzen unſerer Doͤrferinnen entzog ich mich nicht mehr, die Beſuche meiner nach- barlichen Geſpielinnen erwiederte ich willig, und ſtimmte heiter in die jugendliche Froͤhlichkeit ein. Mein Vater freute ſich meiner Heiterkeit. Der Muth, womit ich den Gram bekaͤmpfte, und dem feindſeligen Leben eine freundliche Seite abgewann, lag ſo ganz in ſeiner eigenen Seele. Kein Wunder, ich war ja ſein Zoͤg- ling. Wie leicht war es mir damahls, mich aufrecht zu halten, an eine ſo ſtarke Stuͤtze gelehnt! Wie wenig ahndete ich damahls, daß das Schickſal mich ſo bald an meine eigene
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tauſendſtimmige Chor der Abendvoͤgl umher. Die
Balſamduͤfte der Bluͤthengebuͤſche zogen lindernd
in meine Bruſt, und der ſchmeichelnde Abend-
wind trocknete mein feuchtes Auge. Wenn ich
Blumen pfluͤckte, das Grab der Mutter und
Emils theures Bildniß zu kraͤnzen, ſo erfreute
mich ihr Farbenſchmelz, und ich wand mir ſchon
wieder, ſpielend, diejenigen in das Haar, deren
Anblick den Vater erfreute. Seinem Arbeits-
tiſche ließ ich ſie nimmer fehlen, und bei jeder
Mahlzeit ſchmuͤckte ich ſorgſam die Tafel da-
mit. Den Taͤnzen unſerer Doͤrferinnen entzog
ich mich nicht mehr, die Beſuche meiner nach-
barlichen Geſpielinnen erwiederte ich willig, und
ſtimmte heiter in die jugendliche Froͤhlichkeit
ein. Mein Vater freute ſich meiner Heiterkeit.
Der Muth, womit ich den Gram bekaͤmpfte,
und dem feindſeligen Leben eine freundliche
Seite abgewann, lag ſo ganz in ſeiner eigenen
Seele. Kein Wunder, ich war ja ſein Zoͤg-
ling. Wie leicht war es mir damahls, mich
aufrecht zu halten, an eine ſo ſtarke Stuͤtze
gelehnt! Wie wenig ahndete ich damahls, daß
das Schickſal mich ſo bald an meine eigene
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/158>, abgerufen am 27.07.2024.
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