Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

spielte die Harfe fleißiger als je, und sang
manches neue Lied, das für unsere Lage paßte
und meinen Vater erfreuete. Dieser suchte seine
Studien wieder hervor, setzte mit mir den Un-
terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder
übersetzte für mich die trefflichsten Stellen der
Klassiker. Das Studium der Geschichte, be-
sonders der ältern, füllte regelmäßig unsere
Abendstunden, wobei es nicht an Vergleichun-
gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgestellten
Meinung nicht sehr günstig waren. Jch be-
schäftigte mich daneben aufs emsigste mit künst-
licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein
Vater lächelnd mit Penelope verglich.

Als die Hirtenflöten wieder durch die Thä-
ler tönten, hüpfte auch ich wieder kindlich froh
über die blumigen Matten. Das leichte Blut
meiner Heimath verleugnet sich nicht lange in
dem jugendlichen Herzen, es wirft die schwarze,
trübe Mischung hinaus, und hüpft fröhlich
durch die Adern; so auch bei mir. Wenn ich
zum Sternenhimmel aufsah, und weinend an
meinen Mucius dachte, so entzückte mich doch
bald das Flöten der Nachtigallen, und der

*

ſpielte die Harfe fleißiger als je, und ſang
manches neue Lied, das fuͤr unſere Lage paßte
und meinen Vater erfreuete. Dieſer ſuchte ſeine
Studien wieder hervor, ſetzte mit mir den Un-
terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder
uͤberſetzte fuͤr mich die trefflichſten Stellen der
Klaſſiker. Das Studium der Geſchichte, be-
ſonders der aͤltern, fuͤllte regelmaͤßig unſere
Abendſtunden, wobei es nicht an Vergleichun-
gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgeſtellten
Meinung nicht ſehr guͤnſtig waren. Jch be-
ſchaͤftigte mich daneben aufs emſigſte mit kuͤnſt-
licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein
Vater laͤchelnd mit Penelope verglich.

Als die Hirtenfloͤten wieder durch die Thaͤ-
ler toͤnten, huͤpfte auch ich wieder kindlich froh
uͤber die blumigen Matten. Das leichte Blut
meiner Heimath verleugnet ſich nicht lange in
dem jugendlichen Herzen, es wirft die ſchwarze,
truͤbe Miſchung hinaus, und huͤpft froͤhlich
durch die Adern; ſo auch bei mir. Wenn ich
zum Sternenhimmel aufſah, und weinend an
meinen Mucius dachte, ſo entzuͤckte mich doch
bald das Floͤten der Nachtigallen, und der

*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="147"/>
&#x017F;pielte die Harfe fleißiger als je, und &#x017F;ang<lb/>
manches neue Lied, das fu&#x0364;r un&#x017F;ere Lage paßte<lb/>
und meinen Vater erfreuete. Die&#x017F;er &#x017F;uchte &#x017F;eine<lb/>
Studien wieder hervor, &#x017F;etzte mit mir den Un-<lb/>
terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;etzte fu&#x0364;r mich die trefflich&#x017F;ten Stellen der<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;iker. Das Studium der Ge&#x017F;chichte, be-<lb/>
&#x017F;onders der a&#x0364;ltern, fu&#x0364;llte regelma&#x0364;ßig un&#x017F;ere<lb/>
Abend&#x017F;tunden, wobei es nicht an Vergleichun-<lb/>
gen fehlte, welche mancher neuerlich aufge&#x017F;tellten<lb/>
Meinung nicht &#x017F;ehr gu&#x0364;n&#x017F;tig waren. Jch be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigte mich daneben aufs em&#x017F;ig&#x017F;te mit ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein<lb/>
Vater la&#x0364;chelnd mit Penelope verglich.</p><lb/>
          <p>Als die Hirtenflo&#x0364;ten wieder durch die Tha&#x0364;-<lb/>
ler to&#x0364;nten, hu&#x0364;pfte auch ich wieder kindlich froh<lb/>
u&#x0364;ber die blumigen Matten. Das leichte Blut<lb/>
meiner Heimath verleugnet &#x017F;ich nicht lange in<lb/>
dem jugendlichen Herzen, es wirft die &#x017F;chwarze,<lb/>
tru&#x0364;be Mi&#x017F;chung hinaus, und hu&#x0364;pft fro&#x0364;hlich<lb/>
durch die Adern; &#x017F;o auch bei mir. Wenn ich<lb/>
zum Sternenhimmel auf&#x017F;ah, und weinend an<lb/>
meinen Mucius dachte, &#x017F;o entzu&#x0364;ckte mich doch<lb/>
bald das Flo&#x0364;ten der Nachtigallen, und der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0157] ſpielte die Harfe fleißiger als je, und ſang manches neue Lied, das fuͤr unſere Lage paßte und meinen Vater erfreuete. Dieſer ſuchte ſeine Studien wieder hervor, ſetzte mit mir den Un- terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder uͤberſetzte fuͤr mich die trefflichſten Stellen der Klaſſiker. Das Studium der Geſchichte, be- ſonders der aͤltern, fuͤllte regelmaͤßig unſere Abendſtunden, wobei es nicht an Vergleichun- gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgeſtellten Meinung nicht ſehr guͤnſtig waren. Jch be- ſchaͤftigte mich daneben aufs emſigſte mit kuͤnſt- licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein Vater laͤchelnd mit Penelope verglich. Als die Hirtenfloͤten wieder durch die Thaͤ- ler toͤnten, huͤpfte auch ich wieder kindlich froh uͤber die blumigen Matten. Das leichte Blut meiner Heimath verleugnet ſich nicht lange in dem jugendlichen Herzen, es wirft die ſchwarze, truͤbe Miſchung hinaus, und huͤpft froͤhlich durch die Adern; ſo auch bei mir. Wenn ich zum Sternenhimmel aufſah, und weinend an meinen Mucius dachte, ſo entzuͤckte mich doch bald das Floͤten der Nachtigallen, und der *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/157
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/157>, abgerufen am 24.11.2024.