nicht mehr, stiller Friede ruht auf deiner rei- nen Stirn, ich will nicht klagen, da du glück- lich bist, ich will mich deines Friedens freuen. Auch ich empfand, wie er, ich weinte um ihren Verlust, aber ich freute mich ihrer Ruhe, und schmückte ihren Sarg mit den buntesten Kin- dern des Frühlings. Ach! oft noch, wenn ich ihren Hügel mit Rosen umkränzt, habe ich sie glücklich gepriesen, daß der Tod sie so früh ge- gegen die Stürme der Zeit in seine dunkle Wohnung gerettet. Jhrer Seele fehlte die ideale Richtung und der muthige Wille, wo- mit man allein so ungeheure Schicksale zu be- stehen vermag.
Einsamer und stiller lebten wir nun fort, aber ruhig und heiter. Wir freueten uns des allge- meinen Wohls und strebten nach Kräften es zu fördern. Mucius Briefe blieben im Herbste des Jahres 1810 plötzlich aus, und auch die genauesten Erkundigungen konnten uns keine Nachricht verschaffen. Lange schon war ich auf seinen Verlust vorbereitet, doch schmerzte er mich darum nicht weniger tief. Meine Seele wehrte sich lange, daran zu glauben, bis meh-
Erster Theil. [10]
nicht mehr, ſtiller Friede ruht auf deiner rei- nen Stirn, ich will nicht klagen, da du gluͤck- lich biſt, ich will mich deines Friedens freuen. Auch ich empfand, wie er, ich weinte um ihren Verluſt, aber ich freute mich ihrer Ruhe, und ſchmuͤckte ihren Sarg mit den bunteſten Kin- dern des Fruͤhlings. Ach! oft noch, wenn ich ihren Huͤgel mit Roſen umkraͤnzt, habe ich ſie gluͤcklich geprieſen, daß der Tod ſie ſo fruͤh ge- gegen die Stuͤrme der Zeit in ſeine dunkle Wohnung gerettet. Jhrer Seele fehlte die ideale Richtung und der muthige Wille, wo- mit man allein ſo ungeheure Schickſale zu be- ſtehen vermag.
Einſamer und ſtiller lebten wir nun fort, aber ruhig und heiter. Wir freueten uns des allge- meinen Wohls und ſtrebten nach Kraͤften es zu foͤrdern. Mucius Briefe blieben im Herbſte des Jahres 1810 ploͤtzlich aus, und auch die genaueſten Erkundigungen konnten uns keine Nachricht verſchaffen. Lange ſchon war ich auf ſeinen Verluſt vorbereitet, doch ſchmerzte er mich darum nicht weniger tief. Meine Seele wehrte ſich lange, daran zu glauben, bis meh-
Erſter Theil. [10]
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nicht mehr, ſtiller Friede ruht auf deiner rei-
nen Stirn, ich will nicht klagen, da du gluͤck-
lich biſt, ich will mich deines Friedens freuen.
Auch ich empfand, wie er, ich weinte um ihren
Verluſt, aber ich freute mich ihrer Ruhe, und
ſchmuͤckte ihren Sarg mit den bunteſten Kin-
dern des Fruͤhlings. Ach! oft noch, wenn ich
ihren Huͤgel mit Roſen umkraͤnzt, habe ich ſie
gluͤcklich geprieſen, daß der Tod ſie ſo fruͤh ge-
gegen die Stuͤrme der Zeit in ſeine dunkle
Wohnung gerettet. Jhrer Seele fehlte die
ideale Richtung und der muthige Wille, wo-
mit man allein ſo ungeheure Schickſale zu be-
ſtehen vermag.
Einſamer und ſtiller lebten wir nun fort, aber
ruhig und heiter. Wir freueten uns des allge-
meinen Wohls und ſtrebten nach Kraͤften es
zu foͤrdern. Mucius Briefe blieben im Herbſte
des Jahres 1810 ploͤtzlich aus, und auch die
genaueſten Erkundigungen konnten uns keine
Nachricht verſchaffen. Lange ſchon war ich auf
ſeinen Verluſt vorbereitet, doch ſchmerzte er
mich darum nicht weniger tief. Meine Seele
wehrte ſich lange, daran zu glauben, bis meh-
Erſter Theil. [10]
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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