herbe Schmerz der Trennung von Mucius be- vor. Du hast noch nie geliebt, meine Adele, Du hast also keine Vorstellung von dem Schmerz, dem Geliebten ein ewiges Lebewohl zu sagen. Ach! und wir fühlten klar und lebendig, es sey das letzte Mahl für diese Welt daß unsre Herzen an einander schlugen, unser Ohr die sü- ßen Töne der geliebten Lippen vernahm. Aber das Schicksal, das unerbittliche, hatte kein Er- barmen mit unserm Jammer. Es mußte ge- schieden seyn. Muctus mußte dem Regimente nacheilen, der Ehre die Liebe weichen; er warf sich halb sinnlos auf das Pferd, und war in einem Augenblick für immer verschwunden, der leuchtende Stern auf meiner Lebensbahn für immer erloschen! Marie schloß mich laut wei- nend in ihre Arme. Unglückliche Marie! un- glücklichere Virginia! rief sie mit tiefem Jammer. Wir haben ihn beide verloren! sagte ich und drückte sie an meine Brust. Mein Vater er- griff zärtlich meine Hand. Für Virginia fürchte ich nicht, sagte er mit Vertrauen, ihr männli- cher Geist wird das unvermeidliche tragen ler-
herbe Schmerz der Trennung von Mucius be- vor. Du haſt noch nie geliebt, meine Adele, Du haſt alſo keine Vorſtellung von dem Schmerz, dem Geliebten ein ewiges Lebewohl zu ſagen. Ach! und wir fuͤhlten klar und lebendig, es ſey das letzte Mahl fuͤr dieſe Welt daß unſre Herzen an einander ſchlugen, unſer Ohr die ſuͤ- ßen Toͤne der geliebten Lippen vernahm. Aber das Schickſal, das unerbittliche, hatte kein Er- barmen mit unſerm Jammer. Es mußte ge- ſchieden ſeyn. Muctus mußte dem Regimente nacheilen, der Ehre die Liebe weichen; er warf ſich halb ſinnlos auf das Pferd, und war in einem Augenblick fuͤr immer verſchwunden, der leuchtende Stern auf meiner Lebensbahn fuͤr immer erloſchen! Marie ſchloß mich laut wei- nend in ihre Arme. Ungluͤckliche Marie! un- gluͤcklichere Virginia! rief ſie mit tiefem Jammer. Wir haben ihn beide verloren! ſagte ich und druͤckte ſie an meine Bruſt. Mein Vater er- griff zaͤrtlich meine Hand. Fuͤr Virginia fuͤrchte ich nicht, ſagte er mit Vertrauen, ihr maͤnnli- cher Geiſt wird das unvermeidliche tragen ler-
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herbe Schmerz der Trennung von Mucius be-
vor. Du haſt noch nie geliebt, meine Adele,
Du haſt alſo keine Vorſtellung von dem Schmerz,
dem Geliebten ein ewiges Lebewohl zu ſagen.
Ach! und wir fuͤhlten klar und lebendig, es
ſey das letzte Mahl fuͤr dieſe Welt daß unſre
Herzen an einander ſchlugen, unſer Ohr die ſuͤ-
ßen Toͤne der geliebten Lippen vernahm. Aber
das Schickſal, das unerbittliche, hatte kein Er-
barmen mit unſerm Jammer. Es mußte ge-
ſchieden ſeyn. Muctus mußte dem Regimente
nacheilen, der Ehre die Liebe weichen; er warf
ſich halb ſinnlos auf das Pferd, und war in
einem Augenblick fuͤr immer verſchwunden, der
leuchtende Stern auf meiner Lebensbahn fuͤr
immer erloſchen! Marie ſchloß mich laut wei-
nend in ihre Arme. Ungluͤckliche Marie! un-
gluͤcklichere Virginia! rief ſie mit tiefem Jammer.
Wir haben ihn beide verloren! ſagte ich und
druͤckte ſie an meine Bruſt. Mein Vater er-
griff zaͤrtlich meine Hand. Fuͤr Virginia fuͤrchte
ich nicht, ſagte er mit Vertrauen, ihr maͤnnli-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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