Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Vaters. Die Stimme versagte ihm den Dienst.
Wohin führt ihr mich? Virginia, bei deiner
Seligkeit! wohin? Nach Monthameau stammelte
ich leise. Sie warf irre Blicke wechselnd auf
uns. Dort kann er nicht seyn, stieß sie endlich
hervor, er ist tod. Du sagst es, brachte müh-
sam mein Vater hervor, indem er erschöpft zu-
rück sank, und das Gesicht mit seinem Tuche
verhüllte. Auch mich laß eine Hülle über diese
schreckliche Scene werfen. Den höchsten Schmerz
vermag keine Feder zu beschreiben, wie ihn kein
Pinsel zu mahlen wagen sollte. O Adele, wie
leicht trägt sich eigenes Leiden, gegen das zerrei-
ßende Mitgefühl bei dem Schmerze geliebter
Personen! der Jammer meines eigenen frisch-
blutenden Herzens wurde in jenen Stunden
kaum von mir empfunden.



Anfangs wollte die Mutter als sie wieder
zu einiger Besinnung kam, durchaus umkehren,
sie wollte Mucius nicht sehn. Willst du den
treuen Pfleger deines Sohnes nicht an dein
Herz schließen? fragte mein Vater sanft verwei-

Vaters. Die Stimme verſagte ihm den Dienſt.
Wohin fuͤhrt ihr mich? Virginia, bei deiner
Seligkeit! wohin? Nach Monthameau ſtammelte
ich leiſe. Sie warf irre Blicke wechſelnd auf
uns. Dort kann er nicht ſeyn, ſtieß ſie endlich
hervor, er iſt tod. Du ſagſt es, brachte muͤh-
ſam mein Vater hervor, indem er erſchoͤpft zu-
ruͤck ſank, und das Geſicht mit ſeinem Tuche
verhuͤllte. Auch mich laß eine Huͤlle uͤber dieſe
ſchreckliche Scene werfen. Den hoͤchſten Schmerz
vermag keine Feder zu beſchreiben, wie ihn kein
Pinſel zu mahlen wagen ſollte. O Adele, wie
leicht traͤgt ſich eigenes Leiden, gegen das zerrei-
ßende Mitgefuͤhl bei dem Schmerze geliebter
Perſonen! der Jammer meines eigenen friſch-
blutenden Herzens wurde in jenen Stunden
kaum von mir empfunden.



Anfangs wollte die Mutter als ſie wieder
zu einiger Beſinnung kam, durchaus umkehren,
ſie wollte Mucius nicht ſehn. Willſt du den
treuen Pfleger deines Sohnes nicht an dein
Herz ſchließen? fragte mein Vater ſanft verwei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="138"/>
Vaters. Die Stimme ver&#x017F;agte ihm den Dien&#x017F;t.<lb/>
Wohin fu&#x0364;hrt ihr mich? Virginia, bei deiner<lb/>
Seligkeit! wohin? Nach Monthameau &#x017F;tammelte<lb/>
ich lei&#x017F;e. Sie warf irre Blicke wech&#x017F;elnd auf<lb/>
uns. Dort kann er nicht &#x017F;eyn, &#x017F;tieß &#x017F;ie endlich<lb/>
hervor, er i&#x017F;t tod. Du &#x017F;ag&#x017F;t es, brachte mu&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;am mein Vater hervor, indem er er&#x017F;cho&#x0364;pft zu-<lb/>
ru&#x0364;ck &#x017F;ank, und das Ge&#x017F;icht mit &#x017F;einem Tuche<lb/>
verhu&#x0364;llte. Auch mich laß eine Hu&#x0364;lle u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chreckliche Scene werfen. Den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Schmerz<lb/>
vermag keine Feder zu be&#x017F;chreiben, wie ihn kein<lb/>
Pin&#x017F;el zu mahlen wagen &#x017F;ollte. O Adele, wie<lb/>
leicht tra&#x0364;gt &#x017F;ich eigenes Leiden, gegen das zerrei-<lb/>
ßende Mitgefu&#x0364;hl bei dem Schmerze geliebter<lb/>
Per&#x017F;onen! der Jammer meines eigenen fri&#x017F;ch-<lb/>
blutenden Herzens wurde in jenen Stunden<lb/>
kaum von mir empfunden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Anfangs wollte die Mutter als &#x017F;ie wieder<lb/>
zu einiger Be&#x017F;innung kam, durchaus umkehren,<lb/>
&#x017F;ie wollte Mucius nicht &#x017F;ehn. Will&#x017F;t du den<lb/>
treuen Pfleger deines Sohnes nicht an dein<lb/>
Herz &#x017F;chließen? fragte mein Vater &#x017F;anft verwei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0148] Vaters. Die Stimme verſagte ihm den Dienſt. Wohin fuͤhrt ihr mich? Virginia, bei deiner Seligkeit! wohin? Nach Monthameau ſtammelte ich leiſe. Sie warf irre Blicke wechſelnd auf uns. Dort kann er nicht ſeyn, ſtieß ſie endlich hervor, er iſt tod. Du ſagſt es, brachte muͤh- ſam mein Vater hervor, indem er erſchoͤpft zu- ruͤck ſank, und das Geſicht mit ſeinem Tuche verhuͤllte. Auch mich laß eine Huͤlle uͤber dieſe ſchreckliche Scene werfen. Den hoͤchſten Schmerz vermag keine Feder zu beſchreiben, wie ihn kein Pinſel zu mahlen wagen ſollte. O Adele, wie leicht traͤgt ſich eigenes Leiden, gegen das zerrei- ßende Mitgefuͤhl bei dem Schmerze geliebter Perſonen! der Jammer meines eigenen friſch- blutenden Herzens wurde in jenen Stunden kaum von mir empfunden. Anfangs wollte die Mutter als ſie wieder zu einiger Beſinnung kam, durchaus umkehren, ſie wollte Mucius nicht ſehn. Willſt du den treuen Pfleger deines Sohnes nicht an dein Herz ſchließen? fragte mein Vater ſanft verwei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/148
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/148>, abgerufen am 22.11.2024.