Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.lung entgegen. Meine Mutter sprach unauf- lung entgegen. Meine Mutter ſprach unauf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="136"/> lung entgegen. Meine Mutter ſprach unauf-<lb/> hoͤrlich von der traurigen Lage ihres Sohnes,<lb/> gefaͤhrlich krank, ſo fern von den Seinen, ohne<lb/> zarte weibliche Pflege, voll Sehnſucht nach<lb/> uns. Jch ſchluchzte und ſchwieg. Dann kam<lb/> ſie auf den Gedanken, man habe ſie gleich an-<lb/> fangs uͤber ſeine Wunde getaͤuſcht, es ſey viel<lb/> gefaͤhrlicher geweſen, er ſey graͤßlich verſtuͤmmelt.<lb/> Jhre Einbildungskraft erhitzte ſich, und ſchuf<lb/> ſchreckliche Bilder ſeines Zuſtandes. Mein Va-<lb/> ter wiederſprach nicht, und wies ſie nur ſanft<lb/> auf den Willen des Ewigen hin, ohne welchen<lb/> kein Haar von unſerm Haupte falle. Es wollte<lb/> keine Wirkung thun auf ihren ſonſt ſo religoͤſen<lb/> Sinn, ſie haderte mit Gott und den Menſchen.<lb/> Ein Kruͤppel auf Lebenszeit! rief ſie heftig, un-<lb/> nuͤtz der Welt, ſich ſelber eine Laſt! Freilich ſagte<lb/> mein Vater, einem Zuſtande wie du ihn ſchilderſt,<lb/> waͤre der Tod vor zu ziehn, wuͤrde es in die Wahl<lb/> des Menſchen geſtellt. Er mahlte das Bild der<lb/> Moͤglichkeit noch weiter aus. Nein, lieber tod!<lb/> ſchrie meine Mutter, lieber tod! Herr des Him-<lb/> mels hoͤre mich! kann ich ihn nicht mehr gluͤck-<lb/> lich ſehn, ſo nimm ihn mir! ich will ihn lieber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0146]
lung entgegen. Meine Mutter ſprach unauf-
hoͤrlich von der traurigen Lage ihres Sohnes,
gefaͤhrlich krank, ſo fern von den Seinen, ohne
zarte weibliche Pflege, voll Sehnſucht nach
uns. Jch ſchluchzte und ſchwieg. Dann kam
ſie auf den Gedanken, man habe ſie gleich an-
fangs uͤber ſeine Wunde getaͤuſcht, es ſey viel
gefaͤhrlicher geweſen, er ſey graͤßlich verſtuͤmmelt.
Jhre Einbildungskraft erhitzte ſich, und ſchuf
ſchreckliche Bilder ſeines Zuſtandes. Mein Va-
ter wiederſprach nicht, und wies ſie nur ſanft
auf den Willen des Ewigen hin, ohne welchen
kein Haar von unſerm Haupte falle. Es wollte
keine Wirkung thun auf ihren ſonſt ſo religoͤſen
Sinn, ſie haderte mit Gott und den Menſchen.
Ein Kruͤppel auf Lebenszeit! rief ſie heftig, un-
nuͤtz der Welt, ſich ſelber eine Laſt! Freilich ſagte
mein Vater, einem Zuſtande wie du ihn ſchilderſt,
waͤre der Tod vor zu ziehn, wuͤrde es in die Wahl
des Menſchen geſtellt. Er mahlte das Bild der
Moͤglichkeit noch weiter aus. Nein, lieber tod!
ſchrie meine Mutter, lieber tod! Herr des Him-
mels hoͤre mich! kann ich ihn nicht mehr gluͤck-
lich ſehn, ſo nimm ihn mir! ich will ihn lieber
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