Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.Und wie kann man auch verlangen, daß die Menschen Vom deutschen Theater möchte ich Ihnen lieber das A 5
Und wie kann man auch verlangen, daß die Menſchen Vom deutſchen Theater moͤchte ich Ihnen lieber das A 5
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Und wie kann man auch verlangen, daß die Menſchen
ſich beeifern ſollen, jeder in ſeiner Art vollkommen zu
werden, wenn der Ruhm nicht ihre Belohnung iſt?
Indeß will ich zu den Herrn, die ich genannt habe, noch
einen Ungenannten hinzuſetzen, von dem ich reimloſe
Verſe geſehn habe; die Cadenz und Harmonie der-
ſelben entſtand aus der Abwechſelung der Dactylen
und Spondaͤen; ſie waren voll von Verſtand; und
mein Ohr wurde ſehr angenehm durch einen Wohllaut
der Toͤne geſchmeichelt, deſſen ich unſre Sprache kaum
faͤhig geglaubt hatte. Ich moͤchte behaupten, daß die-
ſe Art von Verſification ſich am beſten fuͤr unſre Spra-
che ſchicke, und ſehr große Vorzuͤge vor dem Reim ha-
be. Wollte man ſich Muͤhe geben, ſie dadurch voll-
kommener zu machen; ſo wuͤrde man es wahrſcheinlich
hierinn weit bringen.
Vom deutſchen Theater moͤchte ich Ihnen lieber
gar nichts ſagen. Die Melpomene iſt bey uns von
ſehr ſeltſamen Leuten verehret worden; einige traben
auf hohen Stelzen einher, andre kriechen im Staube;
alle uͤbertreten die Regeln der Kunſt, koͤnnen daher nicht
intereſſiren und ruͤhren, und muͤſſen von den Altaͤren
der tragiſchen Muſe verwieſen werden. Die Liebhaber
der Thalia ſind etwas gluͤcklicher geweſen; ſie haben uns
wenigſtens eine wahre und originelle Comoͤdie geliefert,
ich meyne den Poſtzug. Der Dichter dieſes Stuͤcks hat
unſre Sitten und unſer eigenthuͤmliches Laͤcherliche auf
das
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