Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.licher Mann, daß Ihr versöhnt von mir scheidet, rief Theobald. Geht mit Gott, antwortete der Hauptmann, und tragt das Unvermeidliche, dem Ihr nicht entfliehen werdet, ohne Menschengroll, wie ich es trage. Die Beiden hielten sich noch umschlungen, als die Thüre aufging und eine schwarzgekleidete Frau, von zwei in lautes Weinen ausbrechenden Knaben gefolgt, in das Gefängniß trat. Einen Augenblick blieb sie zurückbebend stehen, die großen, dunkelglühenden Augen auf Theobald gerichtet, um sich dann mit leidenschaftlicher Geberde ihrem Manne entgegenzustürzen. -- Wer ist dieser Mensch? ... wie kommt er zu dir? rief sie, die eine Hand ausstreckend. Kennst du ihn denn nicht mehr, diesen ... Still, Melanie, entgegnete der Hauptmann rasch, das schmerzvolle Weib an seine Brust ziehend und die Hand auf ihren Mund legend, er ist ein Kind des Unglücks, wie ich, wie du es bist, Melanie. Theobald stieg die Wendeltreppen des Thurmes hinab, wie von einem dumpfen Traume umfangen, aus dem ihm nichts deutlich mehr entgegentrat, als die dunkelblitzenden Blicke der armen, bleichen Frau und die letzten Worte des Gefangenen: Er ist ein Kind des Unglücks, wie ich und du, Melanie. -- Und wie plötzlich aus einem Traume geweckt, schrak er auf, als ihm, zu Hause angelangt, der Meister Hänni schon auf der Treppe mit freudigem Gesichte einen Brief überreichte. licher Mann, daß Ihr versöhnt von mir scheidet, rief Theobald. Geht mit Gott, antwortete der Hauptmann, und tragt das Unvermeidliche, dem Ihr nicht entfliehen werdet, ohne Menschengroll, wie ich es trage. Die Beiden hielten sich noch umschlungen, als die Thüre aufging und eine schwarzgekleidete Frau, von zwei in lautes Weinen ausbrechenden Knaben gefolgt, in das Gefängniß trat. Einen Augenblick blieb sie zurückbebend stehen, die großen, dunkelglühenden Augen auf Theobald gerichtet, um sich dann mit leidenschaftlicher Geberde ihrem Manne entgegenzustürzen. — Wer ist dieser Mensch? … wie kommt er zu dir? rief sie, die eine Hand ausstreckend. Kennst du ihn denn nicht mehr, diesen … Still, Melanie, entgegnete der Hauptmann rasch, das schmerzvolle Weib an seine Brust ziehend und die Hand auf ihren Mund legend, er ist ein Kind des Unglücks, wie ich, wie du es bist, Melanie. Theobald stieg die Wendeltreppen des Thurmes hinab, wie von einem dumpfen Traume umfangen, aus dem ihm nichts deutlich mehr entgegentrat, als die dunkelblitzenden Blicke der armen, bleichen Frau und die letzten Worte des Gefangenen: Er ist ein Kind des Unglücks, wie ich und du, Melanie. — Und wie plötzlich aus einem Traume geweckt, schrak er auf, als ihm, zu Hause angelangt, der Meister Hänni schon auf der Treppe mit freudigem Gesichte einen Brief überreichte. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0098"/> licher Mann, daß Ihr versöhnt von mir scheidet, rief Theobald.</p><lb/> <p>Geht mit Gott, antwortete der Hauptmann, und tragt das Unvermeidliche, dem Ihr nicht entfliehen werdet, ohne Menschengroll, wie ich es trage.</p><lb/> <p>Die Beiden hielten sich noch umschlungen, als die Thüre aufging und eine schwarzgekleidete Frau, von zwei in lautes Weinen ausbrechenden Knaben gefolgt, in das Gefängniß trat. Einen Augenblick blieb sie zurückbebend stehen, die großen, dunkelglühenden Augen auf Theobald gerichtet, um sich dann mit leidenschaftlicher Geberde ihrem Manne entgegenzustürzen. — Wer ist dieser Mensch? … wie kommt er zu dir? rief sie, die eine Hand ausstreckend. Kennst du ihn denn nicht mehr, diesen …</p><lb/> <p>Still, Melanie, entgegnete der Hauptmann rasch, das schmerzvolle Weib an seine Brust ziehend und die Hand auf ihren Mund legend, er ist ein Kind des Unglücks, wie ich, wie du es bist, Melanie.</p><lb/> <p>Theobald stieg die Wendeltreppen des Thurmes hinab, wie von einem dumpfen Traume umfangen, aus dem ihm nichts deutlich mehr entgegentrat, als die dunkelblitzenden Blicke der armen, bleichen Frau und die letzten Worte des Gefangenen: Er ist ein Kind des Unglücks, wie ich und du, Melanie. — Und wie plötzlich aus einem Traume geweckt, schrak er auf, als ihm, zu Hause angelangt, der Meister Hänni schon auf der Treppe mit freudigem Gesichte einen Brief überreichte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
licher Mann, daß Ihr versöhnt von mir scheidet, rief Theobald.
Geht mit Gott, antwortete der Hauptmann, und tragt das Unvermeidliche, dem Ihr nicht entfliehen werdet, ohne Menschengroll, wie ich es trage.
Die Beiden hielten sich noch umschlungen, als die Thüre aufging und eine schwarzgekleidete Frau, von zwei in lautes Weinen ausbrechenden Knaben gefolgt, in das Gefängniß trat. Einen Augenblick blieb sie zurückbebend stehen, die großen, dunkelglühenden Augen auf Theobald gerichtet, um sich dann mit leidenschaftlicher Geberde ihrem Manne entgegenzustürzen. — Wer ist dieser Mensch? … wie kommt er zu dir? rief sie, die eine Hand ausstreckend. Kennst du ihn denn nicht mehr, diesen …
Still, Melanie, entgegnete der Hauptmann rasch, das schmerzvolle Weib an seine Brust ziehend und die Hand auf ihren Mund legend, er ist ein Kind des Unglücks, wie ich, wie du es bist, Melanie.
Theobald stieg die Wendeltreppen des Thurmes hinab, wie von einem dumpfen Traume umfangen, aus dem ihm nichts deutlich mehr entgegentrat, als die dunkelblitzenden Blicke der armen, bleichen Frau und die letzten Worte des Gefangenen: Er ist ein Kind des Unglücks, wie ich und du, Melanie. — Und wie plötzlich aus einem Traume geweckt, schrak er auf, als ihm, zu Hause angelangt, der Meister Hänni schon auf der Treppe mit freudigem Gesichte einen Brief überreichte.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/98>, abgerufen am 17.02.2025. |