Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nützen, ohne seine Tochter selbst dem nämlichen Spotte preiszugeben, -- jetzt nicht mehr, nachdem es so weit gekommen. Ach Julia, warum kein Wort, keinen Blick von dir! -- Als Theobald, zu Hause angelangt, wieder nach seinem Gemache hinaufsteigen wollte, trat ihm oben an der ersten Treppe die höfliche Meisterfrau entgegen, die ihn unter Erröthen und Knixen zur offen stehenden "grünen Stube" führte. Es war das Prunk- und Paradegemach des Haarkräuslers und nun recht freundlich mit frischen Blumen ausgeschmückt. Ich hab's wohl gedacht, mein Mann werde sich ungeschickt benommen haben heute früh, sagte die Meisterin lächelnd und nicht ohne deutliche Befriedigung auf die eben vollendeten Anordnungen ihres Haustempels blickend, aber Ihr müßt ihm verzeihen, Junker Theobald, wer konnte das wissen, da Ihr immer geheim gethan habt, uns geringen Leuten gegenüber. Freilich, freilich, mir hat immer was schwanen wollen, wenn ich Euch ansah, wie gar herrlich und schön Ihr seid, stattlicher, wie gar keiner unserer gnädigen Herrn; gewiß, gewiß, werthester Junker. Abermals, und auch hier! rief Theobald, den über der fortwährenden knixenden Beredsamkeit seiner sonst nicht eben herablassenden Hauswirthin eine unwillkürliche Lachlust anwandelte, und habt Ihr denn nicht selbst gewußt, daß ich ein hoher Herr bin, Frau Susanne? Ach, gnädiger Herr, erwiderte die Meisterin mit nützen, ohne seine Tochter selbst dem nämlichen Spotte preiszugeben, — jetzt nicht mehr, nachdem es so weit gekommen. Ach Julia, warum kein Wort, keinen Blick von dir! — Als Theobald, zu Hause angelangt, wieder nach seinem Gemache hinaufsteigen wollte, trat ihm oben an der ersten Treppe die höfliche Meisterfrau entgegen, die ihn unter Erröthen und Knixen zur offen stehenden „grünen Stube“ führte. Es war das Prunk- und Paradegemach des Haarkräuslers und nun recht freundlich mit frischen Blumen ausgeschmückt. Ich hab's wohl gedacht, mein Mann werde sich ungeschickt benommen haben heute früh, sagte die Meisterin lächelnd und nicht ohne deutliche Befriedigung auf die eben vollendeten Anordnungen ihres Haustempels blickend, aber Ihr müßt ihm verzeihen, Junker Theobald, wer konnte das wissen, da Ihr immer geheim gethan habt, uns geringen Leuten gegenüber. Freilich, freilich, mir hat immer was schwanen wollen, wenn ich Euch ansah, wie gar herrlich und schön Ihr seid, stattlicher, wie gar keiner unserer gnädigen Herrn; gewiß, gewiß, werthester Junker. Abermals, und auch hier! rief Theobald, den über der fortwährenden knixenden Beredsamkeit seiner sonst nicht eben herablassenden Hauswirthin eine unwillkürliche Lachlust anwandelte, und habt Ihr denn nicht selbst gewußt, daß ich ein hoher Herr bin, Frau Susanne? Ach, gnädiger Herr, erwiderte die Meisterin mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0088"/> nützen, ohne seine Tochter selbst dem nämlichen Spotte preiszugeben, — jetzt nicht mehr, nachdem es so weit gekommen. Ach Julia, warum kein Wort, keinen Blick von dir! —</p><lb/> <p>Als Theobald, zu Hause angelangt, wieder nach seinem Gemache hinaufsteigen wollte, trat ihm oben an der ersten Treppe die höfliche Meisterfrau entgegen, die ihn unter Erröthen und Knixen zur offen stehenden „grünen Stube“ führte. Es war das Prunk- und Paradegemach des Haarkräuslers und nun recht freundlich mit frischen Blumen ausgeschmückt. Ich hab's wohl gedacht, mein Mann werde sich ungeschickt benommen haben heute früh, sagte die Meisterin lächelnd und nicht ohne deutliche Befriedigung auf die eben vollendeten Anordnungen ihres Haustempels blickend, aber Ihr müßt ihm verzeihen, Junker Theobald, wer konnte das wissen, da Ihr immer geheim gethan habt, uns geringen Leuten gegenüber. Freilich, freilich, mir hat immer was schwanen wollen, wenn ich Euch ansah, wie gar herrlich und schön Ihr seid, stattlicher, wie gar keiner unserer gnädigen Herrn; gewiß, gewiß, werthester Junker.</p><lb/> <p>Abermals, und auch hier! rief Theobald, den über der fortwährenden knixenden Beredsamkeit seiner sonst nicht eben herablassenden Hauswirthin eine unwillkürliche Lachlust anwandelte, und habt Ihr denn nicht selbst gewußt, daß ich ein hoher Herr bin, Frau Susanne?</p><lb/> <p>Ach, gnädiger Herr, erwiderte die Meisterin mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
nützen, ohne seine Tochter selbst dem nämlichen Spotte preiszugeben, — jetzt nicht mehr, nachdem es so weit gekommen. Ach Julia, warum kein Wort, keinen Blick von dir! —
Als Theobald, zu Hause angelangt, wieder nach seinem Gemache hinaufsteigen wollte, trat ihm oben an der ersten Treppe die höfliche Meisterfrau entgegen, die ihn unter Erröthen und Knixen zur offen stehenden „grünen Stube“ führte. Es war das Prunk- und Paradegemach des Haarkräuslers und nun recht freundlich mit frischen Blumen ausgeschmückt. Ich hab's wohl gedacht, mein Mann werde sich ungeschickt benommen haben heute früh, sagte die Meisterin lächelnd und nicht ohne deutliche Befriedigung auf die eben vollendeten Anordnungen ihres Haustempels blickend, aber Ihr müßt ihm verzeihen, Junker Theobald, wer konnte das wissen, da Ihr immer geheim gethan habt, uns geringen Leuten gegenüber. Freilich, freilich, mir hat immer was schwanen wollen, wenn ich Euch ansah, wie gar herrlich und schön Ihr seid, stattlicher, wie gar keiner unserer gnädigen Herrn; gewiß, gewiß, werthester Junker.
Abermals, und auch hier! rief Theobald, den über der fortwährenden knixenden Beredsamkeit seiner sonst nicht eben herablassenden Hauswirthin eine unwillkürliche Lachlust anwandelte, und habt Ihr denn nicht selbst gewußt, daß ich ein hoher Herr bin, Frau Susanne?
Ach, gnädiger Herr, erwiderte die Meisterin mit
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/88>, abgerufen am 17.02.2025. |