Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gesprochen waren, klang in den Ohren Theobald's in anderer Weise nach, als in denjenigen seines Meisters, und zur Erinnerung an denselben gesellte sich nun auch noch der qualvolle Gedanke, daß er das heiligste Herzensgeheimniß Juliens verrathen und sie dadurch vielleicht unsäglichem Leide preisgegeben habe; zwar nahte sich wohl die süßflüsternde Hoffnung, sie werde in ihrer Liebe die Kraft gewinnen, den Kampf um einen glückverheißenden Sieg zu bestehen, aber auch dieser Trost vermochte den an Leib und Seele Erschöpften nicht mehr aufzurichten, und als ihm endlich der Schlaf die Augen schloß, brachte selbst dieser milde Besänftiger aller Qualen nur bange, unheilschwangere Träume mit. -- Gleichwohl stand die Sonne schon hoch über den benachbarten Giebeln der Stadt, als Theobald durch ein Pochen an seiner Thüre geweckt wurde. Es war der Meister Hänni, der, in der einen Hand einen mächtigen Blumenstrauß, in der andern ein versiegeltes Papier haltend, unter feierlichen Bücklingen in die Kammer seines Gesellen trat. An der Thüre blieb er stehen und schien mit verlegenen Blicken das geringe Geräthe und die mit einer vergilbten Tapete bekleideten Wände des Gemaches zu mustern, bevor er zu Worten kommen konnte; aber auch als er zu sprechen anfing, schwankte seine sonst so geläufige Zunge, als ob sie sich fürchtete, den richtigen Ausdruck zu verfehlen. Ich möchte Euch um die Ehre bitten, Herr ... Herr, sagte er, für die gesprochen waren, klang in den Ohren Theobald's in anderer Weise nach, als in denjenigen seines Meisters, und zur Erinnerung an denselben gesellte sich nun auch noch der qualvolle Gedanke, daß er das heiligste Herzensgeheimniß Juliens verrathen und sie dadurch vielleicht unsäglichem Leide preisgegeben habe; zwar nahte sich wohl die süßflüsternde Hoffnung, sie werde in ihrer Liebe die Kraft gewinnen, den Kampf um einen glückverheißenden Sieg zu bestehen, aber auch dieser Trost vermochte den an Leib und Seele Erschöpften nicht mehr aufzurichten, und als ihm endlich der Schlaf die Augen schloß, brachte selbst dieser milde Besänftiger aller Qualen nur bange, unheilschwangere Träume mit. — Gleichwohl stand die Sonne schon hoch über den benachbarten Giebeln der Stadt, als Theobald durch ein Pochen an seiner Thüre geweckt wurde. Es war der Meister Hänni, der, in der einen Hand einen mächtigen Blumenstrauß, in der andern ein versiegeltes Papier haltend, unter feierlichen Bücklingen in die Kammer seines Gesellen trat. An der Thüre blieb er stehen und schien mit verlegenen Blicken das geringe Geräthe und die mit einer vergilbten Tapete bekleideten Wände des Gemaches zu mustern, bevor er zu Worten kommen konnte; aber auch als er zu sprechen anfing, schwankte seine sonst so geläufige Zunge, als ob sie sich fürchtete, den richtigen Ausdruck zu verfehlen. Ich möchte Euch um die Ehre bitten, Herr … Herr, sagte er, für die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0078"/> gesprochen waren, klang in den Ohren Theobald's in anderer Weise nach, als in denjenigen seines Meisters, und zur Erinnerung an denselben gesellte sich nun auch noch der qualvolle Gedanke, daß er das heiligste Herzensgeheimniß Juliens verrathen und sie dadurch vielleicht unsäglichem Leide preisgegeben habe; zwar nahte sich wohl die süßflüsternde Hoffnung, sie werde in ihrer Liebe die Kraft gewinnen, den Kampf um einen glückverheißenden Sieg zu bestehen, aber auch dieser Trost vermochte den an Leib und Seele Erschöpften nicht mehr aufzurichten, und als ihm endlich der Schlaf die Augen schloß, brachte selbst dieser milde Besänftiger aller Qualen nur bange, unheilschwangere Träume mit. —</p><lb/> <p>Gleichwohl stand die Sonne schon hoch über den benachbarten Giebeln der Stadt, als Theobald durch ein Pochen an seiner Thüre geweckt wurde. Es war der Meister Hänni, der, in der einen Hand einen mächtigen Blumenstrauß, in der andern ein versiegeltes Papier haltend, unter feierlichen Bücklingen in die Kammer seines Gesellen trat. An der Thüre blieb er stehen und schien mit verlegenen Blicken das geringe Geräthe und die mit einer vergilbten Tapete bekleideten Wände des Gemaches zu mustern, bevor er zu Worten kommen konnte; aber auch als er zu sprechen anfing, schwankte seine sonst so geläufige Zunge, als ob sie sich fürchtete, den richtigen Ausdruck zu verfehlen. Ich möchte Euch um die Ehre bitten, Herr … Herr, sagte er, für die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
gesprochen waren, klang in den Ohren Theobald's in anderer Weise nach, als in denjenigen seines Meisters, und zur Erinnerung an denselben gesellte sich nun auch noch der qualvolle Gedanke, daß er das heiligste Herzensgeheimniß Juliens verrathen und sie dadurch vielleicht unsäglichem Leide preisgegeben habe; zwar nahte sich wohl die süßflüsternde Hoffnung, sie werde in ihrer Liebe die Kraft gewinnen, den Kampf um einen glückverheißenden Sieg zu bestehen, aber auch dieser Trost vermochte den an Leib und Seele Erschöpften nicht mehr aufzurichten, und als ihm endlich der Schlaf die Augen schloß, brachte selbst dieser milde Besänftiger aller Qualen nur bange, unheilschwangere Träume mit. —
Gleichwohl stand die Sonne schon hoch über den benachbarten Giebeln der Stadt, als Theobald durch ein Pochen an seiner Thüre geweckt wurde. Es war der Meister Hänni, der, in der einen Hand einen mächtigen Blumenstrauß, in der andern ein versiegeltes Papier haltend, unter feierlichen Bücklingen in die Kammer seines Gesellen trat. An der Thüre blieb er stehen und schien mit verlegenen Blicken das geringe Geräthe und die mit einer vergilbten Tapete bekleideten Wände des Gemaches zu mustern, bevor er zu Worten kommen konnte; aber auch als er zu sprechen anfing, schwankte seine sonst so geläufige Zunge, als ob sie sich fürchtete, den richtigen Ausdruck zu verfehlen. Ich möchte Euch um die Ehre bitten, Herr … Herr, sagte er, für die
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