Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Noch eins? rief der Oberst, wie es schien, belustigt von diesem Anblicke; einen guten Zug habt Ihr, Hauptmann, wahr ist es.

Ich dank' Euch.

Der Gefangene wendete sein Gesicht, ohne sich von der Stelle zu rühren, der Stadt zu, und Theobald konnte nun aus seinem Verstecke hervor bemerken, wie seine klugen braunen Augen mit forschenden Blicken an den Häuserreihen auf und nieder gingen; den Fluß abwärts blieben sie an der Stadtmauer haften, die dort wohl eine Viertelstunde entfernt in einem Thurme endigt, der fast in seinem ganzen Umfange vom Wasser umspült wird. Es waren daselbst mehrere Personen zu erkennen, die außerhalb der Mauer am Flusse standen, vielleicht Fischer, oder auch Leute, die zur Thurmwache aufgestellt waren, denn sie blieben unbeweglich an ihrer Stelle stehen. Der Oberst trank nun selbst mit sichtlichem Behagen einen Becher und rief dabei den wachehaltenden Männern unten zu, sie sollten sich ihre Mühe nicht verdrießen lassen, sei die Geschichte einmal vorbei, so würden zum guten Schlusse wohl ein paar der großen Stückfässer im Rathhauskeller angestochen werden. Der Gefangene nickte leise mit dem Kopfe, als wär' er einverstanden mit dieser fröhlichen Aussicht, während Theobald fast zornig in sich hineinrief: Warum holst du dir den letzten Trunk nicht drunten im Strome? Ein Sprung, und du bist der Quälerei der Menschen entronnen!

Noch eins? rief der Oberst, wie es schien, belustigt von diesem Anblicke; einen guten Zug habt Ihr, Hauptmann, wahr ist es.

Ich dank' Euch.

Der Gefangene wendete sein Gesicht, ohne sich von der Stelle zu rühren, der Stadt zu, und Theobald konnte nun aus seinem Verstecke hervor bemerken, wie seine klugen braunen Augen mit forschenden Blicken an den Häuserreihen auf und nieder gingen; den Fluß abwärts blieben sie an der Stadtmauer haften, die dort wohl eine Viertelstunde entfernt in einem Thurme endigt, der fast in seinem ganzen Umfange vom Wasser umspült wird. Es waren daselbst mehrere Personen zu erkennen, die außerhalb der Mauer am Flusse standen, vielleicht Fischer, oder auch Leute, die zur Thurmwache aufgestellt waren, denn sie blieben unbeweglich an ihrer Stelle stehen. Der Oberst trank nun selbst mit sichtlichem Behagen einen Becher und rief dabei den wachehaltenden Männern unten zu, sie sollten sich ihre Mühe nicht verdrießen lassen, sei die Geschichte einmal vorbei, so würden zum guten Schlusse wohl ein paar der großen Stückfässer im Rathhauskeller angestochen werden. Der Gefangene nickte leise mit dem Kopfe, als wär' er einverstanden mit dieser fröhlichen Aussicht, während Theobald fast zornig in sich hineinrief: Warum holst du dir den letzten Trunk nicht drunten im Strome? Ein Sprung, und du bist der Quälerei der Menschen entronnen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <pb facs="#f0067"/>
        <p>Noch eins? rief der Oberst, wie es schien, belustigt von diesem Anblicke; einen guten Zug      habt Ihr, Hauptmann, wahr ist es.</p><lb/>
        <p>Ich dank' Euch.</p><lb/>
        <p>Der Gefangene wendete sein Gesicht, ohne sich von der Stelle zu rühren, der Stadt zu, und      Theobald konnte nun aus seinem Verstecke hervor bemerken, wie seine klugen braunen Augen mit      forschenden Blicken an den Häuserreihen auf und nieder gingen; den Fluß abwärts blieben sie an      der Stadtmauer haften, die dort wohl eine Viertelstunde entfernt in einem Thurme endigt, der      fast in seinem ganzen Umfange vom Wasser umspült wird. Es waren daselbst mehrere Personen zu      erkennen, die außerhalb der Mauer am Flusse standen, vielleicht Fischer, oder auch Leute, die      zur Thurmwache aufgestellt waren, denn sie blieben unbeweglich an ihrer Stelle stehen. Der      Oberst trank nun selbst mit sichtlichem Behagen einen Becher und rief dabei den wachehaltenden      Männern unten zu, sie sollten sich ihre Mühe nicht verdrießen lassen, sei die Geschichte einmal      vorbei, so würden zum guten Schlusse wohl ein paar der großen Stückfässer im Rathhauskeller      angestochen werden. Der Gefangene nickte leise mit dem Kopfe, als wär' er einverstanden mit      dieser fröhlichen Aussicht, während Theobald fast zornig in sich hineinrief: Warum holst du dir      den letzten Trunk nicht drunten im Strome? Ein Sprung, und du bist der Quälerei der Menschen      entronnen!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] Noch eins? rief der Oberst, wie es schien, belustigt von diesem Anblicke; einen guten Zug habt Ihr, Hauptmann, wahr ist es. Ich dank' Euch. Der Gefangene wendete sein Gesicht, ohne sich von der Stelle zu rühren, der Stadt zu, und Theobald konnte nun aus seinem Verstecke hervor bemerken, wie seine klugen braunen Augen mit forschenden Blicken an den Häuserreihen auf und nieder gingen; den Fluß abwärts blieben sie an der Stadtmauer haften, die dort wohl eine Viertelstunde entfernt in einem Thurme endigt, der fast in seinem ganzen Umfange vom Wasser umspült wird. Es waren daselbst mehrere Personen zu erkennen, die außerhalb der Mauer am Flusse standen, vielleicht Fischer, oder auch Leute, die zur Thurmwache aufgestellt waren, denn sie blieben unbeweglich an ihrer Stelle stehen. Der Oberst trank nun selbst mit sichtlichem Behagen einen Becher und rief dabei den wachehaltenden Männern unten zu, sie sollten sich ihre Mühe nicht verdrießen lassen, sei die Geschichte einmal vorbei, so würden zum guten Schlusse wohl ein paar der großen Stückfässer im Rathhauskeller angestochen werden. Der Gefangene nickte leise mit dem Kopfe, als wär' er einverstanden mit dieser fröhlichen Aussicht, während Theobald fast zornig in sich hineinrief: Warum holst du dir den letzten Trunk nicht drunten im Strome? Ein Sprung, und du bist der Quälerei der Menschen entronnen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/67
Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/67>, abgerufen am 23.11.2024.