Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.irgend eine Ursache, sich über mein Haus zu beklagen, Meyer, über mich selbst oder über meine Tochter? Theobald mußte bei dieser Frage, die mit einem scharfen, lauernden Blicke begleitet war, die Augen niederschlagen; doch rasch erwiderte er: Nein, das hab' ich nicht ... Ihr wißt es selbst, gnädiger Herr. -- Schon gut ... ich weiß; Er hat mir bei seiner Ankunft Seine Verlegenheit mitgetheilt, und ich hab's, wie versprochen, ins Reine gebracht, daß Ihn keine Polizei weiter darnach fragte ... was? ... Meine Tochter wird Ihn auch nicht gequält haben ... denk' mir's. Nun geh' Er einen Augenblick die Treppe hinunter und seh' Er, ob nicht zwei rothe Kreuze an die Hausthüre gemalt sind. Ich habe sie schon bei meinem Eintritte bemerkt, gnädiger Herr, und ich weiß, daß auch an andern Häusern solche Zeichen angemalt wurden. So, das weiß Er? fragte der Oberst, indem seine grauen Augen in unheimlichem Glanze aufblitzten, und weiß Er denn auch, was es zu bedeuten hat ... was? Nein, das weiß ich nicht; ich habe nur gehört, wie diese Kreuze mit einem Franzoseneinbruche oder einem Bauernaufstande in Verbindung gebracht werden wollten. Dummheiten! -- Der Oberst kam langsam an dem Tisch, hinter dem er bisher gestanden, herumgegangen und sagte dann, hart vor Theobald stehen bleibend: Hör' Er, lügen kann Er nicht, und drum ist Er auch irgend eine Ursache, sich über mein Haus zu beklagen, Meyer, über mich selbst oder über meine Tochter? Theobald mußte bei dieser Frage, die mit einem scharfen, lauernden Blicke begleitet war, die Augen niederschlagen; doch rasch erwiderte er: Nein, das hab' ich nicht … Ihr wißt es selbst, gnädiger Herr. — Schon gut … ich weiß; Er hat mir bei seiner Ankunft Seine Verlegenheit mitgetheilt, und ich hab's, wie versprochen, ins Reine gebracht, daß Ihn keine Polizei weiter darnach fragte … was? … Meine Tochter wird Ihn auch nicht gequält haben … denk' mir's. Nun geh' Er einen Augenblick die Treppe hinunter und seh' Er, ob nicht zwei rothe Kreuze an die Hausthüre gemalt sind. Ich habe sie schon bei meinem Eintritte bemerkt, gnädiger Herr, und ich weiß, daß auch an andern Häusern solche Zeichen angemalt wurden. So, das weiß Er? fragte der Oberst, indem seine grauen Augen in unheimlichem Glanze aufblitzten, und weiß Er denn auch, was es zu bedeuten hat … was? Nein, das weiß ich nicht; ich habe nur gehört, wie diese Kreuze mit einem Franzoseneinbruche oder einem Bauernaufstande in Verbindung gebracht werden wollten. Dummheiten! — Der Oberst kam langsam an dem Tisch, hinter dem er bisher gestanden, herumgegangen und sagte dann, hart vor Theobald stehen bleibend: Hör' Er, lügen kann Er nicht, und drum ist Er auch <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0054"/> irgend eine Ursache, sich über mein Haus zu beklagen, Meyer, über mich selbst oder über meine Tochter?</p><lb/> <p>Theobald mußte bei dieser Frage, die mit einem scharfen, lauernden Blicke begleitet war, die Augen niederschlagen; doch rasch erwiderte er: Nein, das hab' ich nicht … Ihr wißt es selbst, gnädiger Herr. — Schon gut … ich weiß; Er hat mir bei seiner Ankunft Seine Verlegenheit mitgetheilt, und ich hab's, wie versprochen, ins Reine gebracht, daß Ihn keine Polizei weiter darnach fragte … was? … Meine Tochter wird Ihn auch nicht gequält haben … denk' mir's. Nun geh' Er einen Augenblick die Treppe hinunter und seh' Er, ob nicht zwei rothe Kreuze an die Hausthüre gemalt sind.</p><lb/> <p>Ich habe sie schon bei meinem Eintritte bemerkt, gnädiger Herr, und ich weiß, daß auch an andern Häusern solche Zeichen angemalt wurden.</p><lb/> <p>So, das weiß Er? fragte der Oberst, indem seine grauen Augen in unheimlichem Glanze aufblitzten, und weiß Er denn auch, was es zu bedeuten hat … was?</p><lb/> <p>Nein, das weiß ich nicht; ich habe nur gehört, wie diese Kreuze mit einem Franzoseneinbruche oder einem Bauernaufstande in Verbindung gebracht werden wollten.</p><lb/> <p>Dummheiten! — Der Oberst kam langsam an dem Tisch, hinter dem er bisher gestanden, herumgegangen und sagte dann, hart vor Theobald stehen bleibend: Hör' Er, lügen kann Er nicht, und drum ist Er auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
irgend eine Ursache, sich über mein Haus zu beklagen, Meyer, über mich selbst oder über meine Tochter?
Theobald mußte bei dieser Frage, die mit einem scharfen, lauernden Blicke begleitet war, die Augen niederschlagen; doch rasch erwiderte er: Nein, das hab' ich nicht … Ihr wißt es selbst, gnädiger Herr. — Schon gut … ich weiß; Er hat mir bei seiner Ankunft Seine Verlegenheit mitgetheilt, und ich hab's, wie versprochen, ins Reine gebracht, daß Ihn keine Polizei weiter darnach fragte … was? … Meine Tochter wird Ihn auch nicht gequält haben … denk' mir's. Nun geh' Er einen Augenblick die Treppe hinunter und seh' Er, ob nicht zwei rothe Kreuze an die Hausthüre gemalt sind.
Ich habe sie schon bei meinem Eintritte bemerkt, gnädiger Herr, und ich weiß, daß auch an andern Häusern solche Zeichen angemalt wurden.
So, das weiß Er? fragte der Oberst, indem seine grauen Augen in unheimlichem Glanze aufblitzten, und weiß Er denn auch, was es zu bedeuten hat … was?
Nein, das weiß ich nicht; ich habe nur gehört, wie diese Kreuze mit einem Franzoseneinbruche oder einem Bauernaufstande in Verbindung gebracht werden wollten.
Dummheiten! — Der Oberst kam langsam an dem Tisch, hinter dem er bisher gestanden, herumgegangen und sagte dann, hart vor Theobald stehen bleibend: Hör' Er, lügen kann Er nicht, und drum ist Er auch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/54 |
Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/54>, abgerufen am 27.07.2024. |