Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sign[atur] mit zwei Kreuzen in rother Farbe. Es war noch lange nicht die Stunde, in der Theobald sonst als Haarkräusler durch diese Thüre zu treten pflegte; aber jetzt hatte ihn plötzlich eine so mächtige Unruhe erfaßt, daß er auf die Klinke drückte und schon die breite Treppe hinanstieg, ohne daran zu denken, wie er sein allzufrühes Erscheinen rechtfertigen wolle, wenn er darüber befragt werden sollte. Als er sich dem Gemache des Obersten näherte, dachte er daran und war, mit leisen Tritten an der Thüre vorüberschreitend, froh, daß sich der alte Herr nicht blicken ließ; bei Julien, sagte er leise vor sich hin, wird sich's schon geben ... am Ende darf ich ihr wohl auch mittheilen, was mich nun einmal erschreckt hat und beunruhigt. -- Und es gab sich sogar noch schneller und leichter, als er erwartet hatte. Das Fräulein saß wie an jenem ersten Morgen an dem von grünem Laubwerke halbverhüllten Fenster, das Gesicht nachdenklich auf die kleine Hand gestützt; bei dem Eintritt Theobald's erhob sie sich jedoch rasch und rief sichtbar erfreut: Gottlob, daß Ihr da seid, Theobald; ich habe schon den ganzen Morgen mit großem Verlangen gewartet. Und ich ... ich fürchtete viel zu früh zu kommen, Fräulein Julia, es ist noch lange nicht zehn Uhr. Ach, um so besser, dann mögt Ihr länger hier bleiben; mir ist's so bange heute, auch um Euretwillen, Theobald ... gewiß, ich weiß mir selbst keinen Rath zu geben. Sign[atur] mit zwei Kreuzen in rother Farbe. Es war noch lange nicht die Stunde, in der Theobald sonst als Haarkräusler durch diese Thüre zu treten pflegte; aber jetzt hatte ihn plötzlich eine so mächtige Unruhe erfaßt, daß er auf die Klinke drückte und schon die breite Treppe hinanstieg, ohne daran zu denken, wie er sein allzufrühes Erscheinen rechtfertigen wolle, wenn er darüber befragt werden sollte. Als er sich dem Gemache des Obersten näherte, dachte er daran und war, mit leisen Tritten an der Thüre vorüberschreitend, froh, daß sich der alte Herr nicht blicken ließ; bei Julien, sagte er leise vor sich hin, wird sich's schon geben … am Ende darf ich ihr wohl auch mittheilen, was mich nun einmal erschreckt hat und beunruhigt. — Und es gab sich sogar noch schneller und leichter, als er erwartet hatte. Das Fräulein saß wie an jenem ersten Morgen an dem von grünem Laubwerke halbverhüllten Fenster, das Gesicht nachdenklich auf die kleine Hand gestützt; bei dem Eintritt Theobald's erhob sie sich jedoch rasch und rief sichtbar erfreut: Gottlob, daß Ihr da seid, Theobald; ich habe schon den ganzen Morgen mit großem Verlangen gewartet. Und ich … ich fürchtete viel zu früh zu kommen, Fräulein Julia, es ist noch lange nicht zehn Uhr. Ach, um so besser, dann mögt Ihr länger hier bleiben; mir ist's so bange heute, auch um Euretwillen, Theobald … gewiß, ich weiß mir selbst keinen Rath zu geben. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0047"/> Sign<supplied>atur</supplied> mit zwei Kreuzen in rother Farbe. Es war noch lange nicht die Stunde, in der Theobald sonst als Haarkräusler durch diese Thüre zu treten pflegte; aber jetzt hatte ihn plötzlich eine so mächtige Unruhe erfaßt, daß er auf die Klinke drückte und schon die breite Treppe hinanstieg, ohne daran zu denken, wie er sein allzufrühes Erscheinen rechtfertigen wolle, wenn er darüber befragt werden sollte. Als er sich dem Gemache des Obersten näherte, dachte er daran und war, mit leisen Tritten an der Thüre vorüberschreitend, froh, daß sich der alte Herr nicht blicken ließ; bei Julien, sagte er leise vor sich hin, wird sich's schon geben … am Ende darf ich ihr wohl auch mittheilen, was mich nun einmal erschreckt hat und beunruhigt. —</p><lb/> <p>Und es gab sich sogar noch schneller und leichter, als er erwartet hatte. Das Fräulein saß wie an jenem ersten Morgen an dem von grünem Laubwerke halbverhüllten Fenster, das Gesicht nachdenklich auf die kleine Hand gestützt; bei dem Eintritt Theobald's erhob sie sich jedoch rasch und rief sichtbar erfreut: Gottlob, daß Ihr da seid, Theobald; ich habe schon den ganzen Morgen mit großem Verlangen gewartet.</p><lb/> <p>Und ich … ich fürchtete viel zu früh zu kommen, Fräulein Julia, es ist noch lange nicht zehn Uhr.</p><lb/> <p>Ach, um so besser, dann mögt Ihr länger hier bleiben; mir ist's so bange heute, auch um Euretwillen, Theobald … gewiß, ich weiß mir selbst keinen Rath zu geben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
Signatur mit zwei Kreuzen in rother Farbe. Es war noch lange nicht die Stunde, in der Theobald sonst als Haarkräusler durch diese Thüre zu treten pflegte; aber jetzt hatte ihn plötzlich eine so mächtige Unruhe erfaßt, daß er auf die Klinke drückte und schon die breite Treppe hinanstieg, ohne daran zu denken, wie er sein allzufrühes Erscheinen rechtfertigen wolle, wenn er darüber befragt werden sollte. Als er sich dem Gemache des Obersten näherte, dachte er daran und war, mit leisen Tritten an der Thüre vorüberschreitend, froh, daß sich der alte Herr nicht blicken ließ; bei Julien, sagte er leise vor sich hin, wird sich's schon geben … am Ende darf ich ihr wohl auch mittheilen, was mich nun einmal erschreckt hat und beunruhigt. —
Und es gab sich sogar noch schneller und leichter, als er erwartet hatte. Das Fräulein saß wie an jenem ersten Morgen an dem von grünem Laubwerke halbverhüllten Fenster, das Gesicht nachdenklich auf die kleine Hand gestützt; bei dem Eintritt Theobald's erhob sie sich jedoch rasch und rief sichtbar erfreut: Gottlob, daß Ihr da seid, Theobald; ich habe schon den ganzen Morgen mit großem Verlangen gewartet.
Und ich … ich fürchtete viel zu früh zu kommen, Fräulein Julia, es ist noch lange nicht zehn Uhr.
Ach, um so besser, dann mögt Ihr länger hier bleiben; mir ist's so bange heute, auch um Euretwillen, Theobald … gewiß, ich weiß mir selbst keinen Rath zu geben.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/47>, abgerufen am 27.07.2024. |