Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.tastende Unruhe, die vergeblich nach einem Worte sucht, es war vielmehr eine träumerische Ruhe, die nichts sucht und nichts begehrt und in sich selber glücklich ist. Und als das Fräulein endlich wieder zu sprechen anfing, that sie es nicht, um dem Befehle des Vaters, an den sie in diesem Augenblicke gar nicht mehr dachte, gehorsam sich zu zeigen, sie that es vielmehr, um einem eigenen Befehle zu gehorchen, der ihr ganz vernehmlich zurief: Du mußt dir das Rätsel lösen lassen ... er kann es, er allein, der dir Alles, Alles sagen wird. Ihr seid ein Deutscher, begann sie, Eurer Sprache nach, mein Herr. Aus Köln am Rhein, gnädiges Fräulein. Ach, daran liegt es! Meine selige Mutter war eine geborene Rheinländerin, und deßhalb wohl haben mich die Anklänge Eurer Aussprache schon beim ersten Worte so freundlich angemuthet. Eine Rheinländerin? Ist ein schönes Land, mit seinen Städten, Schlössern und Ruinen, die sich in dem herrlichen Strome beschauen; habt Ihr's noch nie gesehen, gnädiges Fräulein? Ihr habt Heimweh danach, wie es scheint, und doch ist unser Land wohl nicht minder schön. Es ist meine Heimath, sagte er leise, die ich nicht gern verlassen habe. Darauf mußtet Ihr Euch wohl für einige Zeit schon gefaßt machen, als Ihr Euren Beruf erwähltet, mein Herr. tastende Unruhe, die vergeblich nach einem Worte sucht, es war vielmehr eine träumerische Ruhe, die nichts sucht und nichts begehrt und in sich selber glücklich ist. Und als das Fräulein endlich wieder zu sprechen anfing, that sie es nicht, um dem Befehle des Vaters, an den sie in diesem Augenblicke gar nicht mehr dachte, gehorsam sich zu zeigen, sie that es vielmehr, um einem eigenen Befehle zu gehorchen, der ihr ganz vernehmlich zurief: Du mußt dir das Rätsel lösen lassen … er kann es, er allein, der dir Alles, Alles sagen wird. Ihr seid ein Deutscher, begann sie, Eurer Sprache nach, mein Herr. Aus Köln am Rhein, gnädiges Fräulein. Ach, daran liegt es! Meine selige Mutter war eine geborene Rheinländerin, und deßhalb wohl haben mich die Anklänge Eurer Aussprache schon beim ersten Worte so freundlich angemuthet. Eine Rheinländerin? Ist ein schönes Land, mit seinen Städten, Schlössern und Ruinen, die sich in dem herrlichen Strome beschauen; habt Ihr's noch nie gesehen, gnädiges Fräulein? Ihr habt Heimweh danach, wie es scheint, und doch ist unser Land wohl nicht minder schön. Es ist meine Heimath, sagte er leise, die ich nicht gern verlassen habe. Darauf mußtet Ihr Euch wohl für einige Zeit schon gefaßt machen, als Ihr Euren Beruf erwähltet, mein Herr. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0029"/> tastende Unruhe, die vergeblich nach einem Worte sucht, es war vielmehr eine träumerische Ruhe, die nichts sucht und nichts begehrt und in sich selber glücklich ist<choice><sic/><corr>.</corr></choice> Und als das Fräulein endlich wieder zu sprechen anfing, that sie es nicht, um dem Befehle des Vaters, an den sie in diesem Augenblicke gar nicht mehr dachte, gehorsam sich zu zeigen, sie that es vielmehr, um einem eigenen Befehle zu gehorchen, der ihr ganz vernehmlich zurief: Du mußt dir das Rätsel lösen lassen … er kann es, er allein, der dir Alles, Alles sagen wird.</p><lb/> <p>Ihr seid ein Deutscher, begann sie, Eurer Sprache nach, mein Herr.</p><lb/> <p>Aus Köln am Rhein, gnädiges Fräulein.</p><lb/> <p>Ach, daran liegt es! Meine selige Mutter war eine geborene Rheinländerin, und deßhalb wohl haben mich die Anklänge Eurer Aussprache schon beim ersten Worte so freundlich angemuthet.</p><lb/> <p>Eine Rheinländerin? Ist ein schönes Land, mit seinen Städten, Schlössern und Ruinen, die sich in dem herrlichen Strome beschauen; habt Ihr's noch nie gesehen, gnädiges Fräulein?</p><lb/> <p>Ihr habt Heimweh danach, wie es scheint, und doch ist unser Land wohl nicht minder schön.</p><lb/> <p>Es ist meine Heimath, sagte er leise, die ich nicht gern verlassen habe.</p><lb/> <p>Darauf mußtet Ihr Euch wohl für einige Zeit schon gefaßt machen, als Ihr Euren Beruf erwähltet, mein Herr.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
tastende Unruhe, die vergeblich nach einem Worte sucht, es war vielmehr eine träumerische Ruhe, die nichts sucht und nichts begehrt und in sich selber glücklich ist. Und als das Fräulein endlich wieder zu sprechen anfing, that sie es nicht, um dem Befehle des Vaters, an den sie in diesem Augenblicke gar nicht mehr dachte, gehorsam sich zu zeigen, sie that es vielmehr, um einem eigenen Befehle zu gehorchen, der ihr ganz vernehmlich zurief: Du mußt dir das Rätsel lösen lassen … er kann es, er allein, der dir Alles, Alles sagen wird.
Ihr seid ein Deutscher, begann sie, Eurer Sprache nach, mein Herr.
Aus Köln am Rhein, gnädiges Fräulein.
Ach, daran liegt es! Meine selige Mutter war eine geborene Rheinländerin, und deßhalb wohl haben mich die Anklänge Eurer Aussprache schon beim ersten Worte so freundlich angemuthet.
Eine Rheinländerin? Ist ein schönes Land, mit seinen Städten, Schlössern und Ruinen, die sich in dem herrlichen Strome beschauen; habt Ihr's noch nie gesehen, gnädiges Fräulein?
Ihr habt Heimweh danach, wie es scheint, und doch ist unser Land wohl nicht minder schön.
Es ist meine Heimath, sagte er leise, die ich nicht gern verlassen habe.
Darauf mußtet Ihr Euch wohl für einige Zeit schon gefaßt machen, als Ihr Euren Beruf erwähltet, mein Herr.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/29>, abgerufen am 27.07.2024. |