Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Prinzen verkleiden, und was es zu bedeuten hat ... konnt's genug sehen in Versailles, bis ich's satt bekam und mich davonmachte. Aber gleichwohl, wo so viel Rauch, kann auch ein Feuerlein sein, gleichviel welches; deßhalb will ich wissen, woher der Bursche kommt, Jule, und was er eigentlich hier zu treiben beabsichtigt. Den Friseur meint Ihr doch, Papa? Versteht sich ... Dummheiten! Und wer soll ihn denn das fragen, Vater? Der Oberst wußte aus langer Erfahrung augenblicklich, wenn es ihm das eigene Gefühl auch nicht sagte, daß er seine Tochter in irgend welcher Weise verletzt, sobald sie das kindlich gewohnte Papa mit der ernstern Benennung Vater vertauschte; jetzt jedoch empfand er auch, ohne vorher in seinem Eifer daran gedacht zu haben, was es zu bedeuten habe, und sagte daher rasch: Nicht du, Jule, versteht sich. Du läßt den Burschen, wenn er anrückt, eine Weile warten, und da soll ihn Mädeli unterhalten unterdessen. Wird's gern thun bei einem Prinzen ... verstanden? ... Na, nachher soll er auch bei mir vorbeikommen. Der alte Herr hatte diese Worte mit halb lachendem Munde gesprochen, aber die Tochter sah seinen befehlenden Blick dabei noch leuchten, als er bereits zur Thüre hinausgeschritten. Einen Augenblick blieb sie ihm nachschauend stehen, dann ging sie, die Hände leise vor sich hinfaltend, wieder langsam dem Fenster zu. Drunten auf der Aare glitt in leichtem Laufe ein Prinzen verkleiden, und was es zu bedeuten hat … konnt's genug sehen in Versailles, bis ich's satt bekam und mich davonmachte. Aber gleichwohl, wo so viel Rauch, kann auch ein Feuerlein sein, gleichviel welches; deßhalb will ich wissen, woher der Bursche kommt, Jule, und was er eigentlich hier zu treiben beabsichtigt. Den Friseur meint Ihr doch, Papa? Versteht sich … Dummheiten! Und wer soll ihn denn das fragen, Vater? Der Oberst wußte aus langer Erfahrung augenblicklich, wenn es ihm das eigene Gefühl auch nicht sagte, daß er seine Tochter in irgend welcher Weise verletzt, sobald sie das kindlich gewohnte Papa mit der ernstern Benennung Vater vertauschte; jetzt jedoch empfand er auch, ohne vorher in seinem Eifer daran gedacht zu haben, was es zu bedeuten habe, und sagte daher rasch: Nicht du, Jule, versteht sich. Du läßt den Burschen, wenn er anrückt, eine Weile warten, und da soll ihn Mädeli unterhalten unterdessen. Wird's gern thun bei einem Prinzen … verstanden? … Na, nachher soll er auch bei mir vorbeikommen. Der alte Herr hatte diese Worte mit halb lachendem Munde gesprochen, aber die Tochter sah seinen befehlenden Blick dabei noch leuchten, als er bereits zur Thüre hinausgeschritten. Einen Augenblick blieb sie ihm nachschauend stehen, dann ging sie, die Hände leise vor sich hinfaltend, wieder langsam dem Fenster zu. Drunten auf der Aare glitt in leichtem Laufe ein <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0021"/> Prinzen verkleiden, und was es zu bedeuten hat … konnt's genug sehen in Versailles, bis ich's satt bekam und mich davonmachte. Aber gleichwohl, wo so viel Rauch, kann auch ein Feuerlein sein, gleichviel welches; deßhalb will ich wissen, woher der Bursche kommt, Jule, und was er eigentlich hier zu treiben beabsichtigt.</p><lb/> <p>Den Friseur meint Ihr doch, Papa? Versteht sich … Dummheiten! Und wer soll ihn denn das fragen, Vater?</p><lb/> <p>Der Oberst wußte aus langer Erfahrung augenblicklich, wenn es ihm das eigene Gefühl auch nicht sagte, daß er seine Tochter in irgend welcher Weise verletzt, sobald sie das kindlich gewohnte Papa mit der ernstern Benennung Vater vertauschte; jetzt jedoch empfand er auch, ohne vorher in seinem Eifer daran gedacht zu haben, was es zu bedeuten habe, und sagte daher rasch: Nicht du, Jule, versteht sich. Du läßt den Burschen, wenn er anrückt, eine Weile warten, und da soll ihn Mädeli unterhalten unterdessen. Wird's gern thun bei einem Prinzen … verstanden? … Na, nachher soll er auch bei mir vorbeikommen.</p><lb/> <p>Der alte Herr hatte diese Worte mit halb lachendem Munde gesprochen, aber die Tochter sah seinen befehlenden Blick dabei noch leuchten, als er bereits zur Thüre hinausgeschritten. Einen Augenblick blieb sie ihm nachschauend stehen, dann ging sie, die Hände leise vor sich hinfaltend, wieder langsam dem Fenster zu. Drunten auf der Aare glitt in leichtem Laufe ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Prinzen verkleiden, und was es zu bedeuten hat … konnt's genug sehen in Versailles, bis ich's satt bekam und mich davonmachte. Aber gleichwohl, wo so viel Rauch, kann auch ein Feuerlein sein, gleichviel welches; deßhalb will ich wissen, woher der Bursche kommt, Jule, und was er eigentlich hier zu treiben beabsichtigt.
Den Friseur meint Ihr doch, Papa? Versteht sich … Dummheiten! Und wer soll ihn denn das fragen, Vater?
Der Oberst wußte aus langer Erfahrung augenblicklich, wenn es ihm das eigene Gefühl auch nicht sagte, daß er seine Tochter in irgend welcher Weise verletzt, sobald sie das kindlich gewohnte Papa mit der ernstern Benennung Vater vertauschte; jetzt jedoch empfand er auch, ohne vorher in seinem Eifer daran gedacht zu haben, was es zu bedeuten habe, und sagte daher rasch: Nicht du, Jule, versteht sich. Du läßt den Burschen, wenn er anrückt, eine Weile warten, und da soll ihn Mädeli unterhalten unterdessen. Wird's gern thun bei einem Prinzen … verstanden? … Na, nachher soll er auch bei mir vorbeikommen.
Der alte Herr hatte diese Worte mit halb lachendem Munde gesprochen, aber die Tochter sah seinen befehlenden Blick dabei noch leuchten, als er bereits zur Thüre hinausgeschritten. Einen Augenblick blieb sie ihm nachschauend stehen, dann ging sie, die Hände leise vor sich hinfaltend, wieder langsam dem Fenster zu. Drunten auf der Aare glitt in leichtem Laufe ein
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/21>, abgerufen am 05.07.2024. |