Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.geführt haben möge. Daß da Gewichtiges verborgen lag, bezeugte schon der Umstand, daß er dem Ankerwirth ein Pferd, das unter Brüdern seine tausend Kronen gelte, geschenkt habe, nur damit dieser, der dem Fremden durch Zufall auf die wahre Spur gekommen, weder seinen Rang noch Namen verrathe. Im Verlaufe des Tages nahm die Sache jedoch eine Wendung, die nun erst das Bedenklichste erreichte und die kühnsten Vermuthungen in die Schranken rufen mußte. Bisher war es wohl öfters vorgekommen, daß sich hohe Personen aus diesem oder jenem Grunde vorübergehend unter angenommenem Namen in der Stadt aufgehalten; aber es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Kunde hergeflogen, der fremde Prinz sei bei dem Meister Hänni am Bärengraben als angeblicher Geselle eingetreten -- natürlich weil er, wie recht und billig, in die Verschwiegenheit des Ankerwirthes trotz des kostbaren Pferdegeschenkes kein Vertrauen gesetzt habe. Aber was nun da herauskommen werde, das möge der Himmel wissen! -- So, meint ihr, erwiderten jedoch die Pfiffigen auf diesen Ausruf rathloser Neugier; werden denn beim Meister Hänni nicht alle Rathsherrnzöpfe der Stadt geflochten und dabei alle Geheimnisse und Affairen eines löblichen Standesregimentes verhandelt? Denkt ihr, ein fremder Prinz werde bei einem geheimen Aufenthalte in unserem Lande andere Absichten haben, als solche Dinge zu erfahren, ganz abgesehen davon, daß er in seiner ange- geführt haben möge. Daß da Gewichtiges verborgen lag, bezeugte schon der Umstand, daß er dem Ankerwirth ein Pferd, das unter Brüdern seine tausend Kronen gelte, geschenkt habe, nur damit dieser, der dem Fremden durch Zufall auf die wahre Spur gekommen, weder seinen Rang noch Namen verrathe. Im Verlaufe des Tages nahm die Sache jedoch eine Wendung, die nun erst das Bedenklichste erreichte und die kühnsten Vermuthungen in die Schranken rufen mußte. Bisher war es wohl öfters vorgekommen, daß sich hohe Personen aus diesem oder jenem Grunde vorübergehend unter angenommenem Namen in der Stadt aufgehalten; aber es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Kunde hergeflogen, der fremde Prinz sei bei dem Meister Hänni am Bärengraben als angeblicher Geselle eingetreten — natürlich weil er, wie recht und billig, in die Verschwiegenheit des Ankerwirthes trotz des kostbaren Pferdegeschenkes kein Vertrauen gesetzt habe. Aber was nun da herauskommen werde, das möge der Himmel wissen! — So, meint ihr, erwiderten jedoch die Pfiffigen auf diesen Ausruf rathloser Neugier; werden denn beim Meister Hänni nicht alle Rathsherrnzöpfe der Stadt geflochten und dabei alle Geheimnisse und Affairen eines löblichen Standesregimentes verhandelt? Denkt ihr, ein fremder Prinz werde bei einem geheimen Aufenthalte in unserem Lande andere Absichten haben, als solche Dinge zu erfahren, ganz abgesehen davon, daß er in seiner ange- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> geführt haben möge. Daß da Gewichtiges verborgen lag, bezeugte schon der Umstand, daß er dem Ankerwirth ein Pferd, das unter Brüdern seine tausend Kronen gelte, geschenkt habe, nur damit dieser, der dem Fremden durch Zufall auf die wahre Spur gekommen, weder seinen Rang noch Namen verrathe.</p><lb/> <p>Im Verlaufe des Tages nahm die Sache jedoch eine Wendung, die nun erst das Bedenklichste erreichte und die kühnsten Vermuthungen in die Schranken rufen mußte. Bisher war es wohl öfters vorgekommen, daß sich hohe Personen aus diesem oder jenem Grunde vorübergehend unter angenommenem Namen in der Stadt aufgehalten; aber es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Kunde hergeflogen, der fremde Prinz sei bei dem Meister Hänni am Bärengraben als angeblicher Geselle eingetreten — natürlich weil er, wie recht und billig, in die Verschwiegenheit des Ankerwirthes trotz des kostbaren Pferdegeschenkes kein Vertrauen gesetzt habe. Aber was nun da herauskommen werde, das möge der Himmel wissen! — So, meint ihr, erwiderten jedoch die Pfiffigen auf diesen Ausruf rathloser Neugier; werden denn beim Meister Hänni nicht alle Rathsherrnzöpfe der Stadt geflochten und dabei alle Geheimnisse und Affairen eines löblichen Standesregimentes verhandelt? Denkt ihr, ein fremder Prinz werde bei einem geheimen Aufenthalte in unserem Lande andere Absichten haben, als solche Dinge zu erfahren, ganz abgesehen davon, daß er in seiner ange-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
geführt haben möge. Daß da Gewichtiges verborgen lag, bezeugte schon der Umstand, daß er dem Ankerwirth ein Pferd, das unter Brüdern seine tausend Kronen gelte, geschenkt habe, nur damit dieser, der dem Fremden durch Zufall auf die wahre Spur gekommen, weder seinen Rang noch Namen verrathe.
Im Verlaufe des Tages nahm die Sache jedoch eine Wendung, die nun erst das Bedenklichste erreichte und die kühnsten Vermuthungen in die Schranken rufen mußte. Bisher war es wohl öfters vorgekommen, daß sich hohe Personen aus diesem oder jenem Grunde vorübergehend unter angenommenem Namen in der Stadt aufgehalten; aber es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Kunde hergeflogen, der fremde Prinz sei bei dem Meister Hänni am Bärengraben als angeblicher Geselle eingetreten — natürlich weil er, wie recht und billig, in die Verschwiegenheit des Ankerwirthes trotz des kostbaren Pferdegeschenkes kein Vertrauen gesetzt habe. Aber was nun da herauskommen werde, das möge der Himmel wissen! — So, meint ihr, erwiderten jedoch die Pfiffigen auf diesen Ausruf rathloser Neugier; werden denn beim Meister Hänni nicht alle Rathsherrnzöpfe der Stadt geflochten und dabei alle Geheimnisse und Affairen eines löblichen Standesregimentes verhandelt? Denkt ihr, ein fremder Prinz werde bei einem geheimen Aufenthalte in unserem Lande andere Absichten haben, als solche Dinge zu erfahren, ganz abgesehen davon, daß er in seiner ange-
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/15>, abgerufen am 27.07.2024. |