Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.darum aus dem Bewusstsein verdrängt ist. Die meisten und wichtigsten der abgewehrten und convertirten Vorstellungen haben sexualen Inhalt. Sie liegen einem grossen Theil der Pubertätshysterie zu Grunde. Die heranreifenden Mädchen, - um diese handelt es sich hauptsächlich - verhalten sich zu den sexualen Vorstellungen und Empfindungen, die auf sie eindringen, sehr verschieden. Bald mit voller Unbefangenheit, wobei die einen das ganze Gebiet ignoriren und übersehen. Die andern nehmen sie so an wie die Knaben; das ist bei Bauern- und Arbeitermädchen wohl die Regel. Wieder andere haschen mit mehr oder minder perverser Neugier nach allem, was Gespräch und Lectüre ihnen an Sexualem bringt; und endlich die feinorganisirten Naturen von grosser sexualer Erregbarkeit, aber ebenso grosser moralischer Reinheit, welche alles Sexuale als unvereinbar mit ihrem sittlichen Inhalt empfinden, als Beschmutzung und Befleckung.1 Diese verdrängen die Sexualität aus ihrem Bewusstsein und die affectiven Vorstellungen solchen Inhaltes, welche somatische Phänomene verursacht haben, werden als "abgewehrte" unbewusst. Die Neigung zur Abwehr des Sexualen wird noch verstärkt dadurch, dass die sinnliche Erregung bei der Jungfrau eine Beimischung von Angst hat, die Furcht vor dem Unbekannten, Geahnten, was kommen wird, während sie bei dem natürlichen, gesunden, jungen Manne, ein unvermischt aggressiver Trieb ist. Das Mädchen ahnt im Eros die furchtbare Macht, die ihr Schicksal beherrscht und entscheidet, und wird durch sie geängstigt. Um so grösser ist die Neigung, wegzublicken und das Aengstigende aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Die Ehe bringt neue sexuale Traumen. Es ist zu wundern, dass die Brautnacht nicht häufiger pathogen wirkt, da sie doch leider so oft nicht erotische Verführung, sondern Nothzucht zum Inhalt hat. Aber freilich sind ja auch die Hysterien junger Frauen nicht selten, welche darauf zurückzuführen sind und schwinden, wenn sich im Verlauf der Zeit der Sexualgenuss eingestellt und das Trauma verwischt hat. Auch im weiteren Verlauf vieler Ehen kommen sexuale Traumen vor. Jene Krankengeschichten, von deren Publication wir absehen mussten, enthalten davon eine grosse Zahl, perverse Anforderungen des Mannes, unnatürliche Praktiken u. s. w. Ich glaube nicht zu übertreiben, 1 Einige Beobachtungen lassen uns glauben, dass die Berührungs-, eigentlich Beschmutzungsfurcht, welche die Frauen zwingt, sich alle Augenblicke die Hände zu waschen, sehr häufig diesen Ursprung hat. Das Waschen entspringt demselben seelischen Vorgang wie bei Lady Macbeth.
darum aus dem Bewusstsein verdrängt ist. Die meisten und wichtigsten der abgewehrten und convertirten Vorstellungen haben sexualen Inhalt. Sie liegen einem grossen Theil der Pubertätshysterie zu Grunde. Die heranreifenden Mädchen, – um diese handelt es sich hauptsächlich – verhalten sich zu den sexualen Vorstellungen und Empfindungen, die auf sie eindringen, sehr verschieden. Bald mit voller Unbefangenheit, wobei die einen das ganze Gebiet ignoriren und übersehen. Die andern nehmen sie so an wie die Knaben; das ist bei Bauern- und Arbeitermädchen wohl die Regel. Wieder andere haschen mit mehr oder minder perverser Neugier nach allem, was Gespräch und Lectüre ihnen an Sexualem bringt; und endlich die feinorganisirten Naturen von grosser sexualer Erregbarkeit, aber ebenso grosser moralischer Reinheit, welche alles Sexuale als unvereinbar mit ihrem sittlichen Inhalt empfinden, als Beschmutzung und Befleckung.1 Diese verdrängen die Sexualität aus ihrem Bewusstsein und die affectiven Vorstellungen solchen Inhaltes, welche somatische Phänomene verursacht haben, werden als „abgewehrte“ unbewusst. Die Neigung zur Abwehr des Sexualen wird noch verstärkt dadurch, dass die sinnliche Erregung bei der Jungfrau eine Beimischung von Angst hat, die Furcht vor dem Unbekannten, Geahnten, was kommen wird, während sie bei dem natürlichen, gesunden, jungen Manne, ein unvermischt aggressiver Trieb ist. Das Mädchen ahnt im Eros die furchtbare Macht, die ihr Schicksal beherrscht und entscheidet, und wird durch sie geängstigt. Um so grösser ist die Neigung, wegzublicken und das Aengstigende aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Die Ehe bringt neue sexuale Traumen. Es ist zu wundern, dass die Brautnacht nicht häufiger pathogen wirkt, da sie doch leider so oft nicht erotische Verführung, sondern Nothzucht zum Inhalt hat. Aber freilich sind ja auch die Hysterien junger Frauen nicht selten, welche darauf zurückzuführen sind und schwinden, wenn sich im Verlauf der Zeit der Sexualgenuss eingestellt und das Trauma verwischt hat. Auch im weiteren Verlauf vieler Ehen kommen sexuale Traumen vor. Jene Krankengeschichten, von deren Publication wir absehen mussten, enthalten davon eine grosse Zahl, perverse Anforderungen des Mannes, unnatürliche Praktiken u. s. w. Ich glaube nicht zu übertreiben, 1 Einige Beobachtungen lassen uns glauben, dass die Berührungs-, eigentlich Beschmutzungsfurcht, welche die Frauen zwingt, sich alle Augenblicke die Hände zu waschen, sehr häufig diesen Ursprung hat. Das Waschen entspringt demselben seelischen Vorgang wie bei Lady Macbeth.
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darum aus dem Bewusstsein verdrängt ist. Die meisten und wichtigsten der abgewehrten und convertirten Vorstellungen haben sexualen Inhalt. Sie liegen einem grossen Theil der Pubertätshysterie zu Grunde. Die heranreifenden Mädchen, – um diese handelt es sich hauptsächlich – verhalten sich zu den sexualen Vorstellungen und Empfindungen, die auf sie eindringen, sehr verschieden. Bald mit voller Unbefangenheit, wobei die einen das ganze Gebiet ignoriren und übersehen. Die andern nehmen sie so an wie die Knaben; das ist bei Bauern- und Arbeitermädchen wohl die Regel. Wieder andere haschen mit mehr oder minder perverser Neugier nach allem, was Gespräch und Lectüre ihnen an Sexualem bringt; und endlich die feinorganisirten Naturen von grosser sexualer Erregbarkeit, aber ebenso grosser moralischer Reinheit, welche alles Sexuale als unvereinbar mit ihrem sittlichen Inhalt empfinden, als Beschmutzung und Befleckung. 1 Diese verdrängen die Sexualität aus ihrem Bewusstsein und die affectiven Vorstellungen solchen Inhaltes, welche somatische Phänomene verursacht haben, werden als „abgewehrte“ unbewusst.
Die Neigung zur Abwehr des Sexualen wird noch verstärkt dadurch, dass die sinnliche Erregung bei der Jungfrau eine Beimischung von Angst hat, die Furcht vor dem Unbekannten, Geahnten, was kommen wird, während sie bei dem natürlichen, gesunden, jungen Manne, ein unvermischt aggressiver Trieb ist. Das Mädchen ahnt im Eros die furchtbare Macht, die ihr Schicksal beherrscht und entscheidet, und wird durch sie geängstigt. Um so grösser ist die Neigung, wegzublicken und das Aengstigende aus dem Bewusstsein zu verdrängen.
Die Ehe bringt neue sexuale Traumen. Es ist zu wundern, dass die Brautnacht nicht häufiger pathogen wirkt, da sie doch leider so oft nicht erotische Verführung, sondern Nothzucht zum Inhalt hat. Aber freilich sind ja auch die Hysterien junger Frauen nicht selten, welche darauf zurückzuführen sind und schwinden, wenn sich im Verlauf der Zeit der Sexualgenuss eingestellt und das Trauma verwischt hat. Auch im weiteren Verlauf vieler Ehen kommen sexuale Traumen vor. Jene Krankengeschichten, von deren Publication wir absehen mussten, enthalten davon eine grosse Zahl, perverse Anforderungen des Mannes, unnatürliche Praktiken u. s. w. Ich glaube nicht zu übertreiben,
1 Einige Beobachtungen lassen uns glauben, dass die Berührungs-, eigentlich Beschmutzungsfurcht, welche die Frauen zwingt, sich alle Augenblicke die Hände zu waschen, sehr häufig diesen Ursprung hat. Das Waschen entspringt demselben seelischen Vorgang wie bei Lady Macbeth.
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