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Frege, Gottlob: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, N. F., Bd. 100/1 (1892), S. 25-50.

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Über Sinn und Bedeutung.
selben Wahrheitswerthe ersetzen lasse. Dies ist auch der Fall; nur
muß beachtet werden, daß sein Subject "Napoleon" sein muß aus
einem rein grammatischen Grunde, weil er nur dann in die Form
eines zu "Napoleon" gehörenden Beisatzes gebracht werden kann.
Sieht man aber von der Forderung ab, ihn in dieser Form zu
sehn, und läßt man auch die Anreihung mit "und" zu, so fällt
diese Beschränkung hinweg.

Auch in Nebensätzen mit "obgleich" werden vollständige Ge¬
danken ausgedrückt. Dieses Fügewort hat eigentlich keinen Sinn
und verändert auch den Sinn des Satzes nicht, sondern beleuchtet
ihn nur in eigenthümlicher Weise*). Wir könnten zwar unbe¬
schadet der Wahrheit des Ganzen den Concessivsatz durch einen
andern desselben Wahrheitswerthes ersetzen; aber die Beleuchtung
würde dann leicht unpassend erscheinen, wie wenn man ein Lied
traurigen Inhalts nach einer lustigen Weise singen wollte.

In den letzten Fällen schloß die Wahrheit des Ganzen die
Wahrheit der Theilsätze ein. Anders ist es, wenn ein Bedingungs¬
satz einen vollständigen Gedanken ausdrückt, indem er statt des
nur andeutenden Bestandtheils einen Eigennamen enthält oder
etwas, was dem gleich zu achten ist. In dem Satze
"wenn jetzt die Sonne schon aufgegangen ist, ist der Himmel
stark bewölkt"

ist die Zeit die Gegenwart, also bestimmt. Auch der Ort ist als
bestimmt zu denken. Hier kann man sagen, daß eine Beziehung
zwischen den Wahrheitswerthen des Bedingungs- und Folgesatzes
gesetzt sei, nämlich die, daß der Fall nicht stattfinde, wo der Be¬
dingungssatz das Wahre und der Nachsatz das Falsche bedeute.
Danach ist unser Satz wahr, sowohl wenn jetzt die Sonne noch
nicht aufgegangen ist, sei nun der Himmel stark bewölkt oder nicht,
als auch wenn die Sonne schon aufgegangen ist und der Himmel
stark bewölkt ist. Da es hierbei nur auf die Wahrheitswerthe
ankommt, so kann man jeden der Theilsätze durch einen andern
von gleichem Wahrheitswerthe ersetzen, ohne den Wahrheitswerth
des Ganzen zu ändern. Freilich würde auch hier die Beleuchtung
meistens unpassend werden; der Gedanke würde leicht abgeschmackt

*) Aehnliches haben wir bei "aber" "doch".

Über Sinn und Bedeutung.
ſelben Wahrheitswerthe erſetzen laſſe. Dies iſt auch der Fall; nur
muß beachtet werden, daß ſein Subject „Napoleon“ ſein muß aus
einem rein grammatiſchen Grunde, weil er nur dann in die Form
eines zu „Napoleon“ gehörenden Beiſatzes gebracht werden kann.
Sieht man aber von der Forderung ab, ihn in dieſer Form zu
ſehn, und läßt man auch die Anreihung mit „und“ zu, ſo fällt
dieſe Beſchränkung hinweg.

Auch in Nebenſätzen mit „obgleich“ werden vollſtändige Ge¬
danken ausgedrückt. Dieſes Fügewort hat eigentlich keinen Sinn
und verändert auch den Sinn des Satzes nicht, ſondern beleuchtet
ihn nur in eigenthümlicher Weiſe*). Wir könnten zwar unbe¬
ſchadet der Wahrheit des Ganzen den Conceſſivſatz durch einen
andern deſſelben Wahrheitswerthes erſetzen; aber die Beleuchtung
würde dann leicht unpaſſend erſcheinen, wie wenn man ein Lied
traurigen Inhalts nach einer luſtigen Weiſe ſingen wollte.

In den letzten Fällen ſchloß die Wahrheit des Ganzen die
Wahrheit der Theilſätze ein. Anders iſt es, wenn ein Bedingungs¬
ſatz einen vollſtändigen Gedanken ausdrückt, indem er ſtatt des
nur andeutenden Beſtandtheils einen Eigennamen enthält oder
etwas, was dem gleich zu achten iſt. In dem Satze
„wenn jetzt die Sonne ſchon aufgegangen iſt, iſt der Himmel
ſtark bewölkt“

iſt die Zeit die Gegenwart, alſo beſtimmt. Auch der Ort iſt als
beſtimmt zu denken. Hier kann man ſagen, daß eine Beziehung
zwiſchen den Wahrheitswerthen des Bedingungs- und Folgeſatzes
geſetzt ſei, nämlich die, daß der Fall nicht ſtattfinde, wo der Be¬
dingungsſatz das Wahre und der Nachſatz das Falſche bedeute.
Danach iſt unſer Satz wahr, ſowohl wenn jetzt die Sonne noch
nicht aufgegangen iſt, ſei nun der Himmel ſtark bewölkt oder nicht,
als auch wenn die Sonne ſchon aufgegangen iſt und der Himmel
ſtark bewölkt iſt. Da es hierbei nur auf die Wahrheitswerthe
ankommt, ſo kann man jeden der Theilſätze durch einen andern
von gleichem Wahrheitswerthe erſetzen, ohne den Wahrheitswerth
des Ganzen zu ändern. Freilich würde auch hier die Beleuchtung
meiſtens unpaſſend werden; der Gedanke würde leicht abgeſchmackt

*) Aehnliches haben wir bei „aber“ „doch“.
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[45/0041] Über Sinn und Bedeutung. ſelben Wahrheitswerthe erſetzen laſſe. Dies iſt auch der Fall; nur muß beachtet werden, daß ſein Subject „Napoleon“ ſein muß aus einem rein grammatiſchen Grunde, weil er nur dann in die Form eines zu „Napoleon“ gehörenden Beiſatzes gebracht werden kann. Sieht man aber von der Forderung ab, ihn in dieſer Form zu ſehn, und läßt man auch die Anreihung mit „und“ zu, ſo fällt dieſe Beſchränkung hinweg. Auch in Nebenſätzen mit „obgleich“ werden vollſtändige Ge¬ danken ausgedrückt. Dieſes Fügewort hat eigentlich keinen Sinn und verändert auch den Sinn des Satzes nicht, ſondern beleuchtet ihn nur in eigenthümlicher Weiſe *). Wir könnten zwar unbe¬ ſchadet der Wahrheit des Ganzen den Conceſſivſatz durch einen andern deſſelben Wahrheitswerthes erſetzen; aber die Beleuchtung würde dann leicht unpaſſend erſcheinen, wie wenn man ein Lied traurigen Inhalts nach einer luſtigen Weiſe ſingen wollte. In den letzten Fällen ſchloß die Wahrheit des Ganzen die Wahrheit der Theilſätze ein. Anders iſt es, wenn ein Bedingungs¬ ſatz einen vollſtändigen Gedanken ausdrückt, indem er ſtatt des nur andeutenden Beſtandtheils einen Eigennamen enthält oder etwas, was dem gleich zu achten iſt. In dem Satze „wenn jetzt die Sonne ſchon aufgegangen iſt, iſt der Himmel ſtark bewölkt“ iſt die Zeit die Gegenwart, alſo beſtimmt. Auch der Ort iſt als beſtimmt zu denken. Hier kann man ſagen, daß eine Beziehung zwiſchen den Wahrheitswerthen des Bedingungs- und Folgeſatzes geſetzt ſei, nämlich die, daß der Fall nicht ſtattfinde, wo der Be¬ dingungsſatz das Wahre und der Nachſatz das Falſche bedeute. Danach iſt unſer Satz wahr, ſowohl wenn jetzt die Sonne noch nicht aufgegangen iſt, ſei nun der Himmel ſtark bewölkt oder nicht, als auch wenn die Sonne ſchon aufgegangen iſt und der Himmel ſtark bewölkt iſt. Da es hierbei nur auf die Wahrheitswerthe ankommt, ſo kann man jeden der Theilſätze durch einen andern von gleichem Wahrheitswerthe erſetzen, ohne den Wahrheitswerth des Ganzen zu ändern. Freilich würde auch hier die Beleuchtung meiſtens unpaſſend werden; der Gedanke würde leicht abgeſchmackt *) Aehnliches haben wir bei „aber“ „doch“.

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Zitationshilfe: Frege, Gottlob: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, N. F., Bd. 100/1 (1892), S. 25-50, hier S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frege_sinn_1892/41>, abgerufen am 23.11.2024.