Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

das Recht haben, uns zu Gemeinderäthen oder Steuereinnehmern zu wählen, und besitzen dabei seit uralten Zeiten die Kraft, uns zu Königen zu machen, wenn sie uns lieben; und sehen nicht ein, daß das mehr ist! Ein Glück, daß die Toni meine Braut ist, meine süße, mädchenhafte, dummliche, schlichte Toni, die nicht einen Schritt aus dem ihr natürlichen Lebenskreis gemacht hat! Das ist's, was ich brauche. Wenn mich die Sonja nicht abgewiesen hätte, Gott weiß, wie mir's gegangen wäre: eine russische Studentin, und ich! Übrigens eine dumme Ausrede von ihr: "ich heirathe keinen Deutschen", - wenn sie mich geliebt hätte - - Aber es war nichts, und dann, wie ich das unglaubliche Kollegienheft fand, da war auch ich kuriert. - Ach, meine Toni, meine süße Taube, was für ein Glück, daß du nicht Tintenflecke an den Pfötchen hast, wie die dumme, großäugige, breitnasige Sonja, die mich nicht gewollt hat! Und war doch sonst ein gutes Frauenzimmer. Auch intelligent, obwohl das Kollegienheft dagegen sprach. Aber zum Teufel auch, sie haben keinen Duft, sie haben keinen Schmelz! Küchenkräuter oder offizinelle Pflanzen sind sie, aber keine Blumen. Buben in Unterröcken! Sie kennen alles, was wir kennen, wissen von allem, was wir wissen, - man kann sie nicht verblüffen, erschrecken, nicht einmal erröthen machen. Das Kontrastvergnügen geht völlig in die Brüche. Die Noth der Zeit mag's

das Recht haben, uns zu Gemeinderäthen oder Steuereinnehmern zu wählen, und besitzen dabei seit uralten Zeiten die Kraft, uns zu Königen zu machen, wenn sie uns lieben; und sehen nicht ein, daß das mehr ist! Ein Glück, daß die Toni meine Braut ist, meine süße, mädchenhafte, dummliche, schlichte Toni, die nicht einen Schritt aus dem ihr natürlichen Lebenskreis gemacht hat! Das ist’s, was ich brauche. Wenn mich die Sonja nicht abgewiesen hätte, Gott weiß, wie mir’s gegangen wäre: eine russische Studentin, und ich! Übrigens eine dumme Ausrede von ihr: „ich heirathe keinen Deutschen“, – wenn sie mich geliebt hätte – – Aber es war nichts, und dann, wie ich das unglaubliche Kollegienheft fand, da war auch ich kuriert. – Ach, meine Toni, meine süße Taube, was für ein Glück, daß du nicht Tintenflecke an den Pfötchen hast, wie die dumme, großäugige, breitnasige Sonja, die mich nicht gewollt hat! Und war doch sonst ein gutes Frauenzimmer. Auch intelligent, obwohl das Kollegienheft dagegen sprach. Aber zum Teufel auch, sie haben keinen Duft, sie haben keinen Schmelz! Küchenkräuter oder offizinelle Pflanzen sind sie, aber keine Blumen. Buben in Unterröcken! Sie kennen alles, was wir kennen, wissen von allem, was wir wissen, – man kann sie nicht verblüffen, erschrecken, nicht einmal erröthen machen. Das Kontrastvergnügen geht völlig in die Brüche. Die Noth der Zeit mag’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="91"/>
das Recht haben, uns zu Gemeinderäthen oder Steuereinnehmern zu wählen, und besitzen dabei seit uralten Zeiten die Kraft, uns zu Königen zu machen, wenn sie uns lieben; und sehen nicht ein, daß das mehr ist! Ein Glück, daß die Toni meine Braut ist, meine süße, mädchenhafte, dummliche, schlichte Toni, die nicht einen Schritt aus dem ihr natürlichen Lebenskreis gemacht hat! Das ist&#x2019;s, was ich brauche. Wenn mich die Sonja nicht abgewiesen hätte, Gott weiß, wie mir&#x2019;s gegangen wäre: eine russische Studentin, und ich! Übrigens eine dumme Ausrede von ihr: &#x201E;ich heirathe keinen Deutschen&#x201C;, &#x2013; wenn sie mich geliebt hätte &#x2013; &#x2013; Aber es war nichts, und dann, wie ich das unglaubliche Kollegienheft fand, da war auch ich kuriert. &#x2013; Ach, meine Toni, meine süße Taube, was für ein Glück, daß du nicht Tintenflecke an den Pfötchen hast, wie die dumme, großäugige, breitnasige Sonja, die mich nicht gewollt hat! Und war doch sonst ein gutes Frauenzimmer. Auch intelligent, obwohl das Kollegienheft dagegen sprach. Aber zum Teufel auch, sie haben keinen Duft, sie haben keinen Schmelz! Küchenkräuter oder offizinelle Pflanzen sind sie, aber keine Blumen. Buben in Unterröcken! Sie kennen alles, was wir kennen, wissen von allem, was wir wissen, &#x2013; man kann sie nicht verblüffen, erschrecken, nicht einmal erröthen machen. Das Kontrastvergnügen geht völlig in die Brüche. Die Noth der Zeit mag&#x2019;s
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0099] das Recht haben, uns zu Gemeinderäthen oder Steuereinnehmern zu wählen, und besitzen dabei seit uralten Zeiten die Kraft, uns zu Königen zu machen, wenn sie uns lieben; und sehen nicht ein, daß das mehr ist! Ein Glück, daß die Toni meine Braut ist, meine süße, mädchenhafte, dummliche, schlichte Toni, die nicht einen Schritt aus dem ihr natürlichen Lebenskreis gemacht hat! Das ist’s, was ich brauche. Wenn mich die Sonja nicht abgewiesen hätte, Gott weiß, wie mir’s gegangen wäre: eine russische Studentin, und ich! Übrigens eine dumme Ausrede von ihr: „ich heirathe keinen Deutschen“, – wenn sie mich geliebt hätte – – Aber es war nichts, und dann, wie ich das unglaubliche Kollegienheft fand, da war auch ich kuriert. – Ach, meine Toni, meine süße Taube, was für ein Glück, daß du nicht Tintenflecke an den Pfötchen hast, wie die dumme, großäugige, breitnasige Sonja, die mich nicht gewollt hat! Und war doch sonst ein gutes Frauenzimmer. Auch intelligent, obwohl das Kollegienheft dagegen sprach. Aber zum Teufel auch, sie haben keinen Duft, sie haben keinen Schmelz! Küchenkräuter oder offizinelle Pflanzen sind sie, aber keine Blumen. Buben in Unterröcken! Sie kennen alles, was wir kennen, wissen von allem, was wir wissen, – man kann sie nicht verblüffen, erschrecken, nicht einmal erröthen machen. Das Kontrastvergnügen geht völlig in die Brüche. Die Noth der Zeit mag’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/99
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/99>, abgerufen am 27.11.2024.