Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.In fröhlicher Eile schritt er aus dem kleinen Bahnhof, wo schon die Gasflammen aufzuckten, hinaus auf die halbdunkle dörfliche Straße, an den Gärten vorbei, wo zwischen dem Grün bunte Ampeln leuchteten, aus den Lauben Plaudern und Mädchenlachen, Zitherklang und Klaviergeklimper aus offenen Hausthüren und Fenstern drang. Mit graurothem, drohendem Gewölk, dunstig und sternenlos lag der heiße Sommerabend über dem schwarzblau schimmernden Wasser des See's. Die Abkühlung mußte doch noch bald kommen; schon mischte sich hie und da ein schneller frischer Zug vom Wasser her in die stummen Lüfte, und das Laub am Waldesrand bebte und seufzte. Der Gang durch die Nacht mußte heute etwas besonderes Lockendes, Heimlichsüßes haben für den, der mit sich allein, die Geliebte im Herzen, dem Wiedersehen mit ihr entgegenwanderte. Er dachte mit Widerwillen an die sonnedurchheizten dumpfen Coupes, in deren staubigen Ecken noch die ganze Schwüle des langen Tages hocken mußte. "Wie thöricht, dort hineinzukriechen, - wie sonderbar, daß es immer das erste Vehikel ist, an das der moderne Mensch denkt, selbst wenn er ein Paar so langer und solider Beine besitzt wie ich!" - Ein glücklicher Zufall, daß ihm Toni's Briefchen nach Leoni nachgesandt worden. Toni und ihre Mutter in München, plötzlich, ohne lange Vorberathung und Verabredung! Hoch schlug ihm das Herz. Heute zwar würde es zu In fröhlicher Eile schritt er aus dem kleinen Bahnhof, wo schon die Gasflammen aufzuckten, hinaus auf die halbdunkle dörfliche Straße, an den Gärten vorbei, wo zwischen dem Grün bunte Ampeln leuchteten, aus den Lauben Plaudern und Mädchenlachen, Zitherklang und Klaviergeklimper aus offenen Hausthüren und Fenstern drang. Mit graurothem, drohendem Gewölk, dunstig und sternenlos lag der heiße Sommerabend über dem schwarzblau schimmernden Wasser des See’s. Die Abkühlung mußte doch noch bald kommen; schon mischte sich hie und da ein schneller frischer Zug vom Wasser her in die stummen Lüfte, und das Laub am Waldesrand bebte und seufzte. Der Gang durch die Nacht mußte heute etwas besonderes Lockendes, Heimlichsüßes haben für den, der mit sich allein, die Geliebte im Herzen, dem Wiedersehen mit ihr entgegenwanderte. Er dachte mit Widerwillen an die sonnedurchheizten dumpfen Coupés, in deren staubigen Ecken noch die ganze Schwüle des langen Tages hocken mußte. „Wie thöricht, dort hineinzukriechen, – wie sonderbar, daß es immer das erste Vehikel ist, an das der moderne Mensch denkt, selbst wenn er ein Paar so langer und solider Beine besitzt wie ich!“ – Ein glücklicher Zufall, daß ihm Toni’s Briefchen nach Leoni nachgesandt worden. Toni und ihre Mutter in München, plötzlich, ohne lange Vorberathung und Verabredung! Hoch schlug ihm das Herz. Heute zwar würde es zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="80"/> <p>In fröhlicher Eile schritt er aus dem kleinen Bahnhof, wo schon die Gasflammen aufzuckten, hinaus auf die halbdunkle dörfliche Straße, an den Gärten vorbei, wo zwischen dem Grün bunte Ampeln leuchteten, aus den Lauben Plaudern und Mädchenlachen, Zitherklang und Klaviergeklimper aus offenen Hausthüren und Fenstern drang. Mit graurothem, drohendem Gewölk, dunstig und sternenlos lag der heiße Sommerabend über dem schwarzblau schimmernden Wasser des See’s. Die Abkühlung mußte doch noch bald kommen; schon mischte sich hie und da ein schneller frischer Zug vom Wasser her in die stummen Lüfte, und das Laub am Waldesrand bebte und seufzte. Der Gang durch die Nacht mußte heute etwas besonderes Lockendes, Heimlichsüßes haben für den, der mit sich allein, die Geliebte im Herzen, dem Wiedersehen mit ihr entgegenwanderte. Er dachte mit Widerwillen an die sonnedurchheizten dumpfen Coupés, in deren staubigen Ecken noch die ganze Schwüle des langen Tages hocken mußte. „Wie thöricht, dort hineinzukriechen, – wie sonderbar, daß es immer das erste Vehikel ist, an das der moderne Mensch denkt, selbst wenn er ein Paar so langer und solider Beine besitzt wie ich!“ – Ein glücklicher Zufall, daß ihm Toni’s Briefchen nach Leoni nachgesandt worden. Toni und ihre Mutter in München, plötzlich, ohne lange Vorberathung und Verabredung! Hoch schlug ihm das Herz. Heute zwar würde es zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0088]
In fröhlicher Eile schritt er aus dem kleinen Bahnhof, wo schon die Gasflammen aufzuckten, hinaus auf die halbdunkle dörfliche Straße, an den Gärten vorbei, wo zwischen dem Grün bunte Ampeln leuchteten, aus den Lauben Plaudern und Mädchenlachen, Zitherklang und Klaviergeklimper aus offenen Hausthüren und Fenstern drang. Mit graurothem, drohendem Gewölk, dunstig und sternenlos lag der heiße Sommerabend über dem schwarzblau schimmernden Wasser des See’s. Die Abkühlung mußte doch noch bald kommen; schon mischte sich hie und da ein schneller frischer Zug vom Wasser her in die stummen Lüfte, und das Laub am Waldesrand bebte und seufzte. Der Gang durch die Nacht mußte heute etwas besonderes Lockendes, Heimlichsüßes haben für den, der mit sich allein, die Geliebte im Herzen, dem Wiedersehen mit ihr entgegenwanderte. Er dachte mit Widerwillen an die sonnedurchheizten dumpfen Coupés, in deren staubigen Ecken noch die ganze Schwüle des langen Tages hocken mußte. „Wie thöricht, dort hineinzukriechen, – wie sonderbar, daß es immer das erste Vehikel ist, an das der moderne Mensch denkt, selbst wenn er ein Paar so langer und solider Beine besitzt wie ich!“ – Ein glücklicher Zufall, daß ihm Toni’s Briefchen nach Leoni nachgesandt worden. Toni und ihre Mutter in München, plötzlich, ohne lange Vorberathung und Verabredung! Hoch schlug ihm das Herz. Heute zwar würde es zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |