Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
Weißt du wohl selber, was dich zu mir drängt?
Sprich, kennst du mich? und bin's auch wirklich ich,
Zu dem die zarte Blumenlippe flüstert?
Was wär ich dir, der Fremde einer Fremden,
Wo sich so wenig, ach, die Nächsten sind?"

Mit dem gewöhnlichen Zaudern übernahm seine Hauswirthin die Besorgung.

"Sind Sie sicher, daß immer eine Antwort erwartet wird?" meinte sie, "mir schien -"

"O, wir haben es mit einem sehr klugen Wesen zu thun," fiel er lebhaft ein, "scheinbar ganz klar wie Wasser, aber auf den Grund sieht man weniger denn je; ich bin überzeugt, daß auch Sie von ihr getäuscht werden."
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

In einem Lädchen der Nachbarschaft, wo er seine Zwickerschnur kaufte, machte er unerwartet die Bekanntschaft der hübschen Erscheinung aus der Mansarde. Sie sprach mit großer Zungengewandtheit in dem munteren anheimelnden Dialekt der Steirer von ihrem Mann und ihrem herzigen "Bubn", die bei der Großmutter waren und nun bald heimkommen sollten. Sie hatte nicht wegkönnen wegen der vielen Saisonarbeit. Ein allerliebstes Frauchen, dessen braune Augen lustig herumfuhren, auch über Iversen hin, der sich ein wenig gewaltsam ins Gespräch gemischt hatte. Mit großer Unbefangenheit brachte sie ein paar Sprachschnitzer

Weißt du wohl selber, was dich zu mir drängt?
Sprich, kennst du mich? und bin’s auch wirklich ich,
Zu dem die zarte Blumenlippe flüstert?
Was wär ich dir, der Fremde einer Fremden,
Wo sich so wenig, ach, die Nächsten sind?“

Mit dem gewöhnlichen Zaudern übernahm seine Hauswirthin die Besorgung.

„Sind Sie sicher, daß immer eine Antwort erwartet wird?“ meinte sie, „mir schien –“

„O, wir haben es mit einem sehr klugen Wesen zu thun,“ fiel er lebhaft ein, „scheinbar ganz klar wie Wasser, aber auf den Grund sieht man weniger denn je; ich bin überzeugt, daß auch Sie von ihr getäuscht werden.“
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

In einem Lädchen der Nachbarschaft, wo er seine Zwickerschnur kaufte, machte er unerwartet die Bekanntschaft der hübschen Erscheinung aus der Mansarde. Sie sprach mit großer Zungengewandtheit in dem munteren anheimelnden Dialekt der Steirer von ihrem Mann und ihrem herzigen „Bubn“, die bei der Großmutter waren und nun bald heimkommen sollten. Sie hatte nicht wegkönnen wegen der vielen Saisonarbeit. Ein allerliebstes Frauchen, dessen braune Augen lustig herumfuhren, auch über Iversen hin, der sich ein wenig gewaltsam ins Gespräch gemischt hatte. Mit großer Unbefangenheit brachte sie ein paar Sprachschnitzer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0055" n="47"/>
          <lg>
            <l>Weißt du wohl selber, was dich zu mir drängt?</l><lb/>
            <l>Sprich, kennst du mich? und bin&#x2019;s auch wirklich ich,</l><lb/>
            <l>Zu dem die zarte Blumenlippe flüstert?</l><lb/>
            <l>Was wär ich dir, der Fremde einer Fremden,</l><lb/>
            <l>Wo sich so wenig, ach, die Nächsten sind?&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
        <p>Mit dem gewöhnlichen Zaudern übernahm seine Hauswirthin die Besorgung.</p>
        <p>&#x201E;Sind Sie sicher, daß immer eine Antwort erwartet wird?&#x201C; meinte sie, &#x201E;mir schien &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;O, wir haben es mit einem sehr klugen Wesen zu thun,&#x201C; fiel er lebhaft ein, &#x201E;scheinbar ganz klar wie Wasser, aber auf den Grund sieht man weniger denn je; ich bin überzeugt, daß auch Sie von ihr getäuscht werden.&#x201C;<lb/>
&#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013;</p>
        <p>In einem Lädchen der Nachbarschaft, wo er seine Zwickerschnur kaufte, machte er unerwartet die Bekanntschaft der hübschen Erscheinung aus der Mansarde. Sie sprach mit großer Zungengewandtheit in dem munteren anheimelnden Dialekt der Steirer von ihrem Mann und ihrem herzigen &#x201E;Bubn&#x201C;, die bei der Großmutter waren und nun bald heimkommen sollten. Sie hatte nicht wegkönnen wegen der vielen Saisonarbeit. Ein allerliebstes Frauchen, dessen braune Augen lustig herumfuhren, auch über Iversen hin, der sich ein wenig gewaltsam ins Gespräch gemischt hatte. Mit großer Unbefangenheit brachte sie ein paar Sprachschnitzer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0055] Weißt du wohl selber, was dich zu mir drängt? Sprich, kennst du mich? und bin’s auch wirklich ich, Zu dem die zarte Blumenlippe flüstert? Was wär ich dir, der Fremde einer Fremden, Wo sich so wenig, ach, die Nächsten sind?“ Mit dem gewöhnlichen Zaudern übernahm seine Hauswirthin die Besorgung. „Sind Sie sicher, daß immer eine Antwort erwartet wird?“ meinte sie, „mir schien –“ „O, wir haben es mit einem sehr klugen Wesen zu thun,“ fiel er lebhaft ein, „scheinbar ganz klar wie Wasser, aber auf den Grund sieht man weniger denn je; ich bin überzeugt, daß auch Sie von ihr getäuscht werden.“ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – In einem Lädchen der Nachbarschaft, wo er seine Zwickerschnur kaufte, machte er unerwartet die Bekanntschaft der hübschen Erscheinung aus der Mansarde. Sie sprach mit großer Zungengewandtheit in dem munteren anheimelnden Dialekt der Steirer von ihrem Mann und ihrem herzigen „Bubn“, die bei der Großmutter waren und nun bald heimkommen sollten. Sie hatte nicht wegkönnen wegen der vielen Saisonarbeit. Ein allerliebstes Frauchen, dessen braune Augen lustig herumfuhren, auch über Iversen hin, der sich ein wenig gewaltsam ins Gespräch gemischt hatte. Mit großer Unbefangenheit brachte sie ein paar Sprachschnitzer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/55
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/55>, abgerufen am 23.11.2024.