Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Dann wieder schien es doch so wenig! Zu wenig für den Ernst. Wie kann man nur so genügsam sein! Sie kannte ihn wenigstens, aber er war sehr im Nachtheil. So gar nichts Greifbares, nicht der kleinste Anhalt. Es war ein offenbares Ausweichen, Abgleiten da! Das erinnerte wieder an das übermüthige Mädchen. Aber es war ein prosaischer Übermuth, eine Unfähigkeit, sich selbst zu bändigen, in Anneli - das hatte ihm schon manchmal zu denken gegeben. Eine gewisse Derbheit der Empfindung, und hier - das gerade Gegentheil! Die Bekanntinnen seiner Bekannten, die Studentinnen, mit denen er verkehrte - bah! auch nicht eine darunter, der diese Verse zu Gesicht gestanden hätten. Die hübsche Nachbarin am Dachfenster fiel ihm ein - der mußte er doch einmal nachfragen, das war so ein poetisches Figürchen, - ein bißchen schwärmerisch und verträumt - das muß die Handarbeit so mit sich bringen. Inzwischen gab er seinen Wünschen Ausdruck. Er schrieb: "Was nennst du Glück? den wesenlosen Traum?
Ich weiß nicht einmal, ob du wirklich lebst! Ein Schmetterling ist körperhaft, doch du Bist nur sein Schatten, seines Schattens Schatten. Sieh, das Geheimnis lockt und reizt und quält Und quält und reizt, bis man es müde wird! Was treibt dich, mir so lieblich zu begegnen? Was treibt dich, mir so scheu sich zu verbergen? Dann wieder schien es doch so wenig! Zu wenig für den Ernst. Wie kann man nur so genügsam sein! Sie kannte ihn wenigstens, aber er war sehr im Nachtheil. So gar nichts Greifbares, nicht der kleinste Anhalt. Es war ein offenbares Ausweichen, Abgleiten da! Das erinnerte wieder an das übermüthige Mädchen. Aber es war ein prosaischer Übermuth, eine Unfähigkeit, sich selbst zu bändigen, in Anneli – das hatte ihm schon manchmal zu denken gegeben. Eine gewisse Derbheit der Empfindung, und hier – das gerade Gegentheil! Die Bekanntinnen seiner Bekannten, die Studentinnen, mit denen er verkehrte – bah! auch nicht eine darunter, der diese Verse zu Gesicht gestanden hätten. Die hübsche Nachbarin am Dachfenster fiel ihm ein – der mußte er doch einmal nachfragen, das war so ein poetisches Figürchen, – ein bißchen schwärmerisch und verträumt – das muß die Handarbeit so mit sich bringen. Inzwischen gab er seinen Wünschen Ausdruck. Er schrieb: „Was nennst du Glück? den wesenlosen Traum?
Ich weiß nicht einmal, ob du wirklich lebst! Ein Schmetterling ist körperhaft, doch du Bist nur sein Schatten, seines Schattens Schatten. Sieh, das Geheimnis lockt und reizt und quält Und quält und reizt, bis man es müde wird! Was treibt dich, mir so lieblich zu begegnen? Was treibt dich, mir so scheu sich zu verbergen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0054" n="46"/> <p>Dann wieder schien es doch so wenig! Zu wenig für den Ernst. Wie kann man nur so genügsam sein! Sie kannte ihn wenigstens, aber er war sehr im Nachtheil. So gar nichts Greifbares, nicht der kleinste Anhalt. Es war ein offenbares Ausweichen, Abgleiten da! Das erinnerte wieder an das übermüthige Mädchen. Aber es war ein prosaischer Übermuth, eine Unfähigkeit, sich selbst zu bändigen, in Anneli – das hatte ihm schon manchmal zu denken gegeben. Eine gewisse Derbheit der Empfindung, und hier – das gerade Gegentheil! Die Bekanntinnen seiner Bekannten, die Studentinnen, mit denen er verkehrte – bah! auch nicht eine darunter, der diese Verse zu Gesicht gestanden hätten. Die hübsche Nachbarin am Dachfenster fiel ihm ein – der mußte er doch einmal nachfragen, das war so ein poetisches Figürchen, – ein bißchen schwärmerisch und verträumt – das muß die Handarbeit so mit sich bringen.</p> <p>Inzwischen gab er seinen Wünschen Ausdruck.</p> <p>Er schrieb:</p> <lg type="poem"> <lg> <l>„Was nennst du Glück? den wesenlosen Traum?</l><lb/> <l>Ich weiß nicht einmal, ob du wirklich lebst!</l><lb/> <l>Ein Schmetterling ist körperhaft, doch du</l><lb/> <l>Bist nur sein Schatten, seines Schattens Schatten.</l><lb/> <l>Sieh, das Geheimnis lockt und reizt und quält</l><lb/> <l>Und quält und reizt, bis man es müde wird!</l><lb/> <l>Was treibt dich, mir so lieblich zu begegnen?</l><lb/> <l>Was treibt dich, mir so scheu sich zu verbergen?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [46/0054]
Dann wieder schien es doch so wenig! Zu wenig für den Ernst. Wie kann man nur so genügsam sein! Sie kannte ihn wenigstens, aber er war sehr im Nachtheil. So gar nichts Greifbares, nicht der kleinste Anhalt. Es war ein offenbares Ausweichen, Abgleiten da! Das erinnerte wieder an das übermüthige Mädchen. Aber es war ein prosaischer Übermuth, eine Unfähigkeit, sich selbst zu bändigen, in Anneli – das hatte ihm schon manchmal zu denken gegeben. Eine gewisse Derbheit der Empfindung, und hier – das gerade Gegentheil! Die Bekanntinnen seiner Bekannten, die Studentinnen, mit denen er verkehrte – bah! auch nicht eine darunter, der diese Verse zu Gesicht gestanden hätten. Die hübsche Nachbarin am Dachfenster fiel ihm ein – der mußte er doch einmal nachfragen, das war so ein poetisches Figürchen, – ein bißchen schwärmerisch und verträumt – das muß die Handarbeit so mit sich bringen.
Inzwischen gab er seinen Wünschen Ausdruck.
Er schrieb:
„Was nennst du Glück? den wesenlosen Traum?
Ich weiß nicht einmal, ob du wirklich lebst!
Ein Schmetterling ist körperhaft, doch du
Bist nur sein Schatten, seines Schattens Schatten.
Sieh, das Geheimnis lockt und reizt und quält
Und quält und reizt, bis man es müde wird!
Was treibt dich, mir so lieblich zu begegnen?
Was treibt dich, mir so scheu sich zu verbergen?
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