Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Es soll sich Niemand meiner schämen müssen, dazu bin ich zu stolz. Hoffentlich zürnst Du mir nicht, sondern bleibst auch ferner mein treuer Anhalt, den ich ja so nöthig habe.

Deine besonnene Lisbeth.

P.S. Sie sind in den letzten Tagen wieder viel netter mit mir gewesen; ich glaube, Mama bedauert mich.



Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort.

Also nicht? Also philiströse Bedenken, familienhafte Veilletäten. Aber ich habe mir's doch gedacht, als ich Dir den Vorschlag machte, den einzig vernünftigen, den es gegeben hätte für Dich! Ich sage Dir, Ihr seid doch im Ganzen eine jämmerliche Bande, von Initiative keine Ahnung. Gut, so laß es bleiben. Sitze da, und rede Dir selber vor, Du seiest eigentlich zu etwas Höherem geboren, es schadet ja nicht, es thut ja so wohl, sich selber als Opfer der Verhältnisse zu betrachten und mit stillen Wehmutsthränen zu bethauen! Ich aber sage Dir, für mich sind diese Thränen Kamillenthee, das heißt die fadeste, werthloseste Flüssigkeit, die auf Erden fließt. Natürlich wirst Du wieder auf meine "Verständnißlosigkeit" zurückkommen. Ganz, als ob ich es hörte! Aber laß nur gut sein, es wäre auch traurig, wenn ich Dich verstünde; eine hübsche

Es soll sich Niemand meiner schämen müssen, dazu bin ich zu stolz. Hoffentlich zürnst Du mir nicht, sondern bleibst auch ferner mein treuer Anhalt, den ich ja so nöthig habe.

Deine besonnene Lisbeth.

P.S. Sie sind in den letzten Tagen wieder viel netter mit mir gewesen; ich glaube, Mama bedauert mich.



Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort.

Also nicht? Also philiströse Bedenken, familienhafte Veilletäten. Aber ich habe mir’s doch gedacht, als ich Dir den Vorschlag machte, den einzig vernünftigen, den es gegeben hätte für Dich! Ich sage Dir, Ihr seid doch im Ganzen eine jämmerliche Bande, von Initiative keine Ahnung. Gut, so laß es bleiben. Sitze da, und rede Dir selber vor, Du seiest eigentlich zu etwas Höherem geboren, es schadet ja nicht, es thut ja so wohl, sich selber als Opfer der Verhältnisse zu betrachten und mit stillen Wehmutsthränen zu bethauen! Ich aber sage Dir, für mich sind diese Thränen Kamillenthee, das heißt die fadeste, werthloseste Flüssigkeit, die auf Erden fließt. Natürlich wirst Du wieder auf meine „Verständnißlosigkeit“ zurückkommen. Ganz, als ob ich es hörte! Aber laß nur gut sein, es wäre auch traurig, wenn ich Dich verstünde; eine hübsche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0343" n="335"/>
Es soll sich Niemand meiner schämen müssen, dazu bin ich zu stolz. Hoffentlich zürnst Du mir nicht, sondern bleibst auch ferner mein treuer Anhalt, den ich ja so nöthig habe.</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Deine besonnene Lisbeth.</hi> </salute>
          </closer>
          <postscript>
            <p>P.S. Sie sind in den letzten Tagen wieder viel netter mit mir gewesen; ich glaube, Mama bedauert mich.</p>
          </postscript>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="letter" n="2">
          <head>Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort.</head>
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#right">Kopenhagen, 23. Oktober 1892.</hi> </dateline>
          </opener>
          <p>Also nicht? Also philiströse Bedenken, familienhafte Veilletäten. Aber ich habe mir&#x2019;s doch gedacht, als ich Dir den Vorschlag machte, den einzig vernünftigen, den es gegeben hätte für Dich! Ich sage Dir, Ihr seid doch im Ganzen eine jämmerliche Bande, von Initiative keine Ahnung. Gut, so laß es bleiben. Sitze da, und rede Dir selber vor, Du seiest eigentlich zu etwas Höherem geboren, es schadet ja nicht, es thut ja so wohl, sich selber als Opfer der Verhältnisse zu betrachten und mit stillen Wehmutsthränen zu bethauen! Ich aber sage Dir, für mich sind diese Thränen Kamillenthee, das heißt die fadeste, werthloseste Flüssigkeit, die auf Erden fließt. Natürlich wirst Du wieder auf meine &#x201E;Verständnißlosigkeit&#x201C; zurückkommen. Ganz, als ob ich es hörte! Aber laß nur gut sein, es wäre auch traurig, wenn ich Dich verstünde; eine hübsche
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0343] Es soll sich Niemand meiner schämen müssen, dazu bin ich zu stolz. Hoffentlich zürnst Du mir nicht, sondern bleibst auch ferner mein treuer Anhalt, den ich ja so nöthig habe. Deine besonnene Lisbeth. P.S. Sie sind in den letzten Tagen wieder viel netter mit mir gewesen; ich glaube, Mama bedauert mich. Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort. Kopenhagen, 23. Oktober 1892. Also nicht? Also philiströse Bedenken, familienhafte Veilletäten. Aber ich habe mir’s doch gedacht, als ich Dir den Vorschlag machte, den einzig vernünftigen, den es gegeben hätte für Dich! Ich sage Dir, Ihr seid doch im Ganzen eine jämmerliche Bande, von Initiative keine Ahnung. Gut, so laß es bleiben. Sitze da, und rede Dir selber vor, Du seiest eigentlich zu etwas Höherem geboren, es schadet ja nicht, es thut ja so wohl, sich selber als Opfer der Verhältnisse zu betrachten und mit stillen Wehmutsthränen zu bethauen! Ich aber sage Dir, für mich sind diese Thränen Kamillenthee, das heißt die fadeste, werthloseste Flüssigkeit, die auf Erden fließt. Natürlich wirst Du wieder auf meine „Verständnißlosigkeit“ zurückkommen. Ganz, als ob ich es hörte! Aber laß nur gut sein, es wäre auch traurig, wenn ich Dich verstünde; eine hübsche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/343
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/343>, abgerufen am 22.12.2024.