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Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

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Pakete Stearinlichter, Steenbocken hat sie in Verwahrung; ich hol mir immer eins zur Zeit, damit es nicht auffällt. Jetzt kann ich in meiner kleinen Bodenkammer jeden Abend lesen und arbeiten, wenn die Andern schlafen. Ist das nicht reizend? Wenn es nur dies Jahr nicht früh kalt wird, aber dann kann man ja im Bett lesen, das geht auch. Heute fange ich an, ich freue mich so darauf. Papa, meinst Du, würde einwilligen, wenn ich ihn bäte, mich das Lehrerinnenexamen machen zu lassen? Ach, Axel, da irrst Du Dich sehr! Bei jeder Gelegenheit spricht er seine Abneigung gegen Lehrerinnen aus, er sagt immer, sie seien alle bleichsüchtig und pedantisch und behandelten auch die Erwachsenen wie dumme Jungen. Ein frisches lustiges Dienstmädchen sei ihm viel lieber, denk Dir! Ich kann ihm aber doch nicht den Gefallen thun und Dienstmädchen werden! Nein, weißt Du, ich finde das nun prachtvoll so vor einer vollen Klasse zu stehen, all die großen aufmerksamen Kinderaugen auf sich gerichtet. Ich möchte freilich nicht dabei stehen bleiben, es soll mir nur Mittel sein. Aber darüber kann ich selbst Dir nichts verrathen, das ist mein hohes Geheimniß!

Lieber Cousin, bitte, schicke mir die gute Amateurphotographie von Dir, ich hätte sie zu gern! Von mir hab ich leider kein neueres Bild, kann doch auch keins unvermerkt wegnehmen, weißt Du. Eine Beschreibung von mir kann ich auch nicht gut machen;

Pakete Stearinlichter, Steenbocken hat sie in Verwahrung; ich hol mir immer eins zur Zeit, damit es nicht auffällt. Jetzt kann ich in meiner kleinen Bodenkammer jeden Abend lesen und arbeiten, wenn die Andern schlafen. Ist das nicht reizend? Wenn es nur dies Jahr nicht früh kalt wird, aber dann kann man ja im Bett lesen, das geht auch. Heute fange ich an, ich freue mich so darauf. Papa, meinst Du, würde einwilligen, wenn ich ihn bäte, mich das Lehrerinnenexamen machen zu lassen? Ach, Axel, da irrst Du Dich sehr! Bei jeder Gelegenheit spricht er seine Abneigung gegen Lehrerinnen aus, er sagt immer, sie seien alle bleichsüchtig und pedantisch und behandelten auch die Erwachsenen wie dumme Jungen. Ein frisches lustiges Dienstmädchen sei ihm viel lieber, denk Dir! Ich kann ihm aber doch nicht den Gefallen thun und Dienstmädchen werden! Nein, weißt Du, ich finde das nun prachtvoll so vor einer vollen Klasse zu stehen, all die großen aufmerksamen Kinderaugen auf sich gerichtet. Ich möchte freilich nicht dabei stehen bleiben, es soll mir nur Mittel sein. Aber darüber kann ich selbst Dir nichts verrathen, das ist mein hohes Geheimniß!

Lieber Cousin, bitte, schicke mir die gute Amateurphotographie von Dir, ich hätte sie zu gern! Von mir hab ich leider kein neueres Bild, kann doch auch keins unvermerkt wegnehmen, weißt Du. Eine Beschreibung von mir kann ich auch nicht gut machen;

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Pakete Stearinlichter, Steenbocken hat sie in Verwahrung; ich hol mir immer eins zur Zeit, damit es nicht auffällt. Jetzt kann ich in meiner kleinen Bodenkammer jeden Abend lesen und arbeiten, wenn die Andern schlafen. Ist das nicht reizend? Wenn es nur dies Jahr nicht früh kalt wird, aber dann kann man ja im Bett lesen, das geht auch. Heute fange ich an, ich freue mich so darauf. Papa, meinst Du, würde einwilligen, wenn ich ihn bäte, mich das Lehrerinnenexamen machen zu lassen? Ach, Axel, da irrst Du Dich sehr! Bei jeder Gelegenheit spricht er seine Abneigung gegen Lehrerinnen aus, er sagt immer, sie seien alle bleichsüchtig und pedantisch und behandelten auch die Erwachsenen wie dumme Jungen. Ein frisches lustiges Dienstmädchen sei ihm viel lieber, denk Dir! Ich kann ihm aber doch nicht den Gefallen thun und Dienstmädchen werden! Nein, weißt Du, ich finde das nun prachtvoll so vor einer vollen Klasse zu stehen, all die großen aufmerksamen Kinderaugen auf sich gerichtet. Ich möchte freilich nicht dabei stehen bleiben, es soll mir nur Mittel sein. Aber darüber kann ich selbst Dir nichts verrathen, das ist mein hohes Geheimniß!</p>
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[315/0323] Pakete Stearinlichter, Steenbocken hat sie in Verwahrung; ich hol mir immer eins zur Zeit, damit es nicht auffällt. Jetzt kann ich in meiner kleinen Bodenkammer jeden Abend lesen und arbeiten, wenn die Andern schlafen. Ist das nicht reizend? Wenn es nur dies Jahr nicht früh kalt wird, aber dann kann man ja im Bett lesen, das geht auch. Heute fange ich an, ich freue mich so darauf. Papa, meinst Du, würde einwilligen, wenn ich ihn bäte, mich das Lehrerinnenexamen machen zu lassen? Ach, Axel, da irrst Du Dich sehr! Bei jeder Gelegenheit spricht er seine Abneigung gegen Lehrerinnen aus, er sagt immer, sie seien alle bleichsüchtig und pedantisch und behandelten auch die Erwachsenen wie dumme Jungen. Ein frisches lustiges Dienstmädchen sei ihm viel lieber, denk Dir! Ich kann ihm aber doch nicht den Gefallen thun und Dienstmädchen werden! Nein, weißt Du, ich finde das nun prachtvoll so vor einer vollen Klasse zu stehen, all die großen aufmerksamen Kinderaugen auf sich gerichtet. Ich möchte freilich nicht dabei stehen bleiben, es soll mir nur Mittel sein. Aber darüber kann ich selbst Dir nichts verrathen, das ist mein hohes Geheimniß! Lieber Cousin, bitte, schicke mir die gute Amateurphotographie von Dir, ich hätte sie zu gern! Von mir hab ich leider kein neueres Bild, kann doch auch keins unvermerkt wegnehmen, weißt Du. Eine Beschreibung von mir kann ich auch nicht gut machen;

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/323>, abgerufen am 22.11.2024.