Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Schaible's hatten sich bei den Händen gefaßt und drückten sie immer stärker. Sie ließen sich von den Tönen wiegen und vergaßen sogar, sich zuzuflüstern. Diese jauchzende Andacht, dieser Glanz der ersten Zeit! Glückliche Seele, in der es so aussah! Was für ein wonniges Lebensgefühl! Das ist, um gesund daran zu werden! - Einen Augenblick flogen die Gedanken zu dem einsamen Grabe, an dem sie gestern gestanden. ,Du nimmst den Odem weg: in Staub zerfallen sie'. Aber wie war es möglich, dabei zu verweilen! Alles Dunkle, Tragische, Unlösbare schien so unwirklich, so unwahr in diesem Rosenlichte. Konnte es möglich sein, daß dort ein junges Dasein in Verzweiflung geendet hatte? - Glückliche, glückliche Seele, die über Grab und Tod hinweg solchen Freuden-Aufschwung, solchen Himmelsflug fand! "Was dieser Haydn nun zum zweiten Male an mir thut," sprach es im Herzen der Frau, diesmal lautlos und ohne Wirkung auf die Nachbarn. Auch in der Pause, die dem Alleluja folgte, saß sie starr, traumverloren. Und nun der dritte Theil, das Paradies. ,Seht das beglückte Paar, wie Hand in Hand es geht!' Ja, das war die schmerzenlose, die bessere Welt. Im Reiche der Kunst gab es diese unsäglich schöne, aus lauter Freude und Liebe gewobene Empfindung, und wenn die Lotte auch jetzt räumlich und körperlich nicht bei ihnen war, bei ihnen war sie doch, wußte sie hier Schaible’s hatten sich bei den Händen gefaßt und drückten sie immer stärker. Sie ließen sich von den Tönen wiegen und vergaßen sogar, sich zuzuflüstern. Diese jauchzende Andacht, dieser Glanz der ersten Zeit! Glückliche Seele, in der es so aussah! Was für ein wonniges Lebensgefühl! Das ist, um gesund daran zu werden! – Einen Augenblick flogen die Gedanken zu dem einsamen Grabe, an dem sie gestern gestanden. ‚Du nimmst den Odem weg: in Staub zerfallen sie‘. Aber wie war es möglich, dabei zu verweilen! Alles Dunkle, Tragische, Unlösbare schien so unwirklich, so unwahr in diesem Rosenlichte. Konnte es möglich sein, daß dort ein junges Dasein in Verzweiflung geendet hatte? – Glückliche, glückliche Seele, die über Grab und Tod hinweg solchen Freuden-Aufschwung, solchen Himmelsflug fand! „Was dieser Haydn nun zum zweiten Male an mir thut,“ sprach es im Herzen der Frau, diesmal lautlos und ohne Wirkung auf die Nachbarn. Auch in der Pause, die dem Alleluja folgte, saß sie starr, traumverloren. Und nun der dritte Theil, das Paradies. ‚Seht das beglückte Paar, wie Hand in Hand es geht!’ Ja, das war die schmerzenlose, die bessere Welt. Im Reiche der Kunst gab es diese unsäglich schöne, aus lauter Freude und Liebe gewobene Empfindung, und wenn die Lotte auch jetzt räumlich und körperlich nicht bei ihnen war, bei ihnen war sie doch, wußte sie hier <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0304" n="296"/> Schaible’s hatten sich bei den Händen gefaßt und drückten sie immer stärker. Sie ließen sich von den Tönen wiegen und vergaßen sogar, sich zuzuflüstern. Diese jauchzende Andacht, dieser Glanz der ersten Zeit! Glückliche Seele, in der es so aussah! Was für ein wonniges Lebensgefühl! Das ist, um gesund daran zu werden! – Einen Augenblick flogen die Gedanken zu dem einsamen Grabe, an dem sie gestern gestanden. ‚Du nimmst den Odem weg: in Staub zerfallen sie‘. Aber wie war es möglich, dabei zu verweilen! Alles Dunkle, Tragische, Unlösbare schien so unwirklich, so unwahr in diesem Rosenlichte. Konnte es möglich sein, daß dort ein junges Dasein in Verzweiflung geendet hatte? – Glückliche, glückliche Seele, die über Grab und Tod hinweg solchen Freuden-Aufschwung, solchen Himmelsflug fand! „Was dieser Haydn nun zum zweiten Male an mir thut,“ sprach es im Herzen der Frau, diesmal lautlos und ohne Wirkung auf die Nachbarn. Auch in der Pause, die dem Alleluja folgte, saß sie starr, traumverloren.</p> <p>Und nun der dritte Theil, das Paradies. ‚Seht das beglückte Paar, wie Hand in Hand es geht!’ Ja, das war die schmerzenlose, die bessere Welt. Im Reiche der Kunst gab es diese unsäglich schöne, aus lauter Freude und Liebe gewobene Empfindung, und wenn die Lotte auch jetzt räumlich und körperlich nicht bei ihnen war, bei ihnen war sie doch, wußte sie hier </p> </div> </body> </text> </TEI> [296/0304]
Schaible’s hatten sich bei den Händen gefaßt und drückten sie immer stärker. Sie ließen sich von den Tönen wiegen und vergaßen sogar, sich zuzuflüstern. Diese jauchzende Andacht, dieser Glanz der ersten Zeit! Glückliche Seele, in der es so aussah! Was für ein wonniges Lebensgefühl! Das ist, um gesund daran zu werden! – Einen Augenblick flogen die Gedanken zu dem einsamen Grabe, an dem sie gestern gestanden. ‚Du nimmst den Odem weg: in Staub zerfallen sie‘. Aber wie war es möglich, dabei zu verweilen! Alles Dunkle, Tragische, Unlösbare schien so unwirklich, so unwahr in diesem Rosenlichte. Konnte es möglich sein, daß dort ein junges Dasein in Verzweiflung geendet hatte? – Glückliche, glückliche Seele, die über Grab und Tod hinweg solchen Freuden-Aufschwung, solchen Himmelsflug fand! „Was dieser Haydn nun zum zweiten Male an mir thut,“ sprach es im Herzen der Frau, diesmal lautlos und ohne Wirkung auf die Nachbarn. Auch in der Pause, die dem Alleluja folgte, saß sie starr, traumverloren.
Und nun der dritte Theil, das Paradies. ‚Seht das beglückte Paar, wie Hand in Hand es geht!’ Ja, das war die schmerzenlose, die bessere Welt. Im Reiche der Kunst gab es diese unsäglich schöne, aus lauter Freude und Liebe gewobene Empfindung, und wenn die Lotte auch jetzt räumlich und körperlich nicht bei ihnen war, bei ihnen war sie doch, wußte sie hier
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