Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. "Mann, ich finde, - - ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre -"

"Scht!" machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn.

Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. "Immer denk' ich an die Lotte!"

"Freilich, ich auch!"

"Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, - wer mag es denn sein? 's ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh' g'schwind - - !"

Die Frau hielt ihn am Rockärmel. "Wozu? Solang bild' ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh' - - ."

Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister.

Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ,Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar', - wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. „Mann, ich finde, – – ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre –“

„Scht!“ machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn.

Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. „Immer denk’ ich an die Lotte!“

„Freilich, ich auch!“

„Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, – wer mag es denn sein? ’s ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh’ g’schwind – – !“

Die Frau hielt ihn am Rockärmel. „Wozu? Solang bild’ ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh’ – – .“

Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister.

Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ‚Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar‘, – wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0303" n="295"/>
        <p>Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. &#x201E;Mann, ich finde, &#x2013; &#x2013; ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Scht!&#x201C; machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn.</p>
        <p>Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. &#x201E;Immer denk&#x2019; ich an die Lotte!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Freilich, ich auch!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, &#x2013; wer mag es denn sein? &#x2019;s ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh&#x2019; g&#x2019;schwind &#x2013; &#x2013; !&#x201C;</p>
        <p>Die Frau hielt ihn am Rockärmel. &#x201E;Wozu? Solang bild&#x2019; ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh&#x2019; &#x2013; &#x2013; .&#x201C;</p>
        <p>Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister.</p>
        <p>Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. &#x201A;Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar&#x2018;, &#x2013; wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0303] Die Frau hob wieder den Kopf, lauschte mit vorgestrecktem Hals, mit heftig klopfenden Herzen. Ihr Gesicht überzog sich mit Roth; sie trank die Musik der süßen Stimme, und ein plötzlicher Rausch schien über sie zu kommen. „Mann, ich finde, – – ich muß immer denken, wenn es nicht ganz verrückt wäre –“ „Scht!“ machte es hinter ihr. Das aufgeregte Flüstern ward wieder lästig für die Nachbarn. Aber sowie der erste Theil zu Ende war, und man ein Wort einschieben konnte, tauschten die zwei Alten ihren Eindruck. „Immer denk’ ich an die Lotte!“ „Freilich, ich auch!“ „Das Einsetzen, nicht wahr? Aber dann die Fülle und Kraft, – wer mag es denn sein? ’s ist eppes Dummes, so ohne Programm! Ich geh’ g’schwind – – !“ Die Frau hielt ihn am Rockärmel. „Wozu? Solang bild’ ich mir ein, unsere Lotte zu hören, wenn ich aber den fremden Namen auf dem Zettel seh’ – – .“ Der Souffleur setzte sich wieder, die Nachbarn stöhnten schon über die zwei unruhigen Geister. Aber der Beginn des zweiten Theils war wieder wie ein elektrischer Schlag in die Seelen der Horchenden. ‚Und Liebe girrt das zarte Taubenpaar‘, – wie der reizende Lockruf aus der Stimme der Singenden girrte!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/303
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/303>, abgerufen am 22.11.2024.