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Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

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erste Konzertsänger Deutschlands sie in die Schule nimmt! Wer hätte das hoffen dürfen, daß sich solch ein Mann eines alten Schulkameraden erinnern, seinen Besuch freundlich aufnehmen, seine Tochter hören und ihre Ausbildung dem mittelosen Vater wie etwas Selbstverständliches vorschlagen wird, und daß er nicht nur die Kosten der Ausbildung, sondern sogar den größeren Theil ihres Unterhalts für drei Jahre in Frankfurt selber trägt! Ja, es ist etwas Ungeheuerliches, und man will sich das bißchen Tyrannei schon gefallen lassen, wenn es zu des Kindes Bestem ist. Ein bißchen Tyrannei! Aber so viel, daß er sie zwingt, das pfennigweise von den Eltern zusammengebrachte Reisegeld wieder zurückzuschicken mit der trockenen Bemerkung, es sei besser, sie warte noch ein Jahr, dann sei es vielleicht etwas Rechtes? - - - Immer langsamer ging Schaible, je mehr er sich seiner Wohnung näherte, und nicht nur, weil die Hohenheimerstraße eine Steigung macht. Was wird seine Frau sagen! Heute morgen hat er ihr noch eigenhändig ein großes Netz voll Spinat vom Markt an der Planie geholt. "Das ischt emal e Gründonnerstag, der trägt sein' Namen mit Recht, heut z'Mittag mach' ich Laubfrösch'*)!" Auf der dritten Treppe schon duftet ihm das Frühlingsgericht entgegen, und nun ist ihm der Hunger vergangen. Soll er's

*) Gebackene Spinatkrapfen.

erste Konzertsänger Deutschlands sie in die Schule nimmt! Wer hätte das hoffen dürfen, daß sich solch ein Mann eines alten Schulkameraden erinnern, seinen Besuch freundlich aufnehmen, seine Tochter hören und ihre Ausbildung dem mittelosen Vater wie etwas Selbstverständliches vorschlagen wird, und daß er nicht nur die Kosten der Ausbildung, sondern sogar den größeren Theil ihres Unterhalts für drei Jahre in Frankfurt selber trägt! Ja, es ist etwas Ungeheuerliches, und man will sich das bißchen Tyrannei schon gefallen lassen, wenn es zu des Kindes Bestem ist. Ein bißchen Tyrannei! Aber so viel, daß er sie zwingt, das pfennigweise von den Eltern zusammengebrachte Reisegeld wieder zurückzuschicken mit der trockenen Bemerkung, es sei besser, sie warte noch ein Jahr, dann sei es vielleicht etwas Rechtes? – – – Immer langsamer ging Schaible, je mehr er sich seiner Wohnung näherte, und nicht nur, weil die Hohenheimerstraße eine Steigung macht. Was wird seine Frau sagen! Heute morgen hat er ihr noch eigenhändig ein großes Netz voll Spinat vom Markt an der Planie geholt. „Das ischt emal e Gründonnerstag, der trägt sein’ Namen mit Recht, heut z’Mittag mach’ ich Laubfrösch’*)!“ Auf der dritten Treppe schon duftet ihm das Frühlingsgericht entgegen, und nun ist ihm der Hunger vergangen. Soll er’s

*) Gebackene Spinatkrapfen.
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erste Konzertsänger Deutschlands sie in die Schule nimmt! Wer hätte das hoffen dürfen, daß sich solch ein Mann eines alten Schulkameraden erinnern, seinen Besuch freundlich aufnehmen, seine Tochter hören und ihre Ausbildung dem mittelosen Vater wie etwas Selbstverständliches vorschlagen wird, und daß er nicht nur die Kosten der Ausbildung, sondern sogar den größeren Theil ihres Unterhalts für drei Jahre in Frankfurt selber trägt! Ja, es ist etwas Ungeheuerliches, und man will sich das bißchen Tyrannei schon gefallen lassen, wenn es zu des Kindes Bestem ist. Ein bißchen Tyrannei! Aber so viel, daß er sie zwingt, das pfennigweise von den Eltern zusammengebrachte Reisegeld wieder zurückzuschicken mit der trockenen Bemerkung, es sei besser, sie warte noch ein Jahr, dann sei es vielleicht etwas Rechtes? &#x2013; &#x2013; &#x2013; Immer langsamer ging Schaible, je mehr er sich seiner Wohnung näherte, und nicht nur, weil die Hohenheimerstraße eine Steigung macht. Was wird seine Frau sagen! Heute morgen hat er ihr noch eigenhändig ein großes Netz voll Spinat vom Markt an der Planie geholt. &#x201E;Das ischt emal e Gründonnerstag, der trägt sein&#x2019; Namen mit Recht, heut z&#x2019;Mittag mach&#x2019; ich Laubfrösch&#x2019;<note place="foot" n="*)">Gebackene Spinatkrapfen.</note>!&#x201C; Auf der dritten Treppe schon duftet ihm das Frühlingsgericht entgegen, und nun ist ihm der Hunger vergangen. Soll er&#x2019;s
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[279/0287] erste Konzertsänger Deutschlands sie in die Schule nimmt! Wer hätte das hoffen dürfen, daß sich solch ein Mann eines alten Schulkameraden erinnern, seinen Besuch freundlich aufnehmen, seine Tochter hören und ihre Ausbildung dem mittelosen Vater wie etwas Selbstverständliches vorschlagen wird, und daß er nicht nur die Kosten der Ausbildung, sondern sogar den größeren Theil ihres Unterhalts für drei Jahre in Frankfurt selber trägt! Ja, es ist etwas Ungeheuerliches, und man will sich das bißchen Tyrannei schon gefallen lassen, wenn es zu des Kindes Bestem ist. Ein bißchen Tyrannei! Aber so viel, daß er sie zwingt, das pfennigweise von den Eltern zusammengebrachte Reisegeld wieder zurückzuschicken mit der trockenen Bemerkung, es sei besser, sie warte noch ein Jahr, dann sei es vielleicht etwas Rechtes? – – – Immer langsamer ging Schaible, je mehr er sich seiner Wohnung näherte, und nicht nur, weil die Hohenheimerstraße eine Steigung macht. Was wird seine Frau sagen! Heute morgen hat er ihr noch eigenhändig ein großes Netz voll Spinat vom Markt an der Planie geholt. „Das ischt emal e Gründonnerstag, der trägt sein’ Namen mit Recht, heut z’Mittag mach’ ich Laubfrösch’ *)!“ Auf der dritten Treppe schon duftet ihm das Frühlingsgericht entgegen, und nun ist ihm der Hunger vergangen. Soll er’s *) Gebackene Spinatkrapfen.

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/287>, abgerufen am 25.11.2024.