Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.begegnen! Der zweite Adolf irrte wahrscheinlich in Nacht und Nebel umher, trauernd und unselig, aber der eigentliche Adolf war vielleicht bei seinem Vormund im Comptoir, wo er als Volontär lernte, und konnte jetzt, da es sieben Uhr schlug, zum Mittagessen nach Hause gehen. Annita ward glühend roth unter ihrem weißen Schleier. Das Pelzkäppchen drückte plötzlich ihre Stirn, und der oberste Knopf des Plüschpaletots war ihr immer zu eng gewesen; nun beklemmte er ihr den Athem, auf damit! auf damit! Die zwei Adolfe schmolzen plötzlich ineinander wie zwei Schneeflocken, ununterscheidbar, - jetzt gab es nur noch einen, und dieser konnte ihr jeden Augenblick begegnen. War das ein angenehmer Graus! Aber die Straße, die Straße wie kurz! Da war sie schon am Ende. Ja, dann half es nicht, dann mußte man noch einmal entlang. Es war gewiß Bestimmung, sie sollten sich heute Abend hier treffen. In den Büchern ihres Lebens stand es so eingezeichnet. Aber dann nicht so schnell gehen, die Fehlandsstraße ist zu bald durchmessen. Sie stand an jedem Schaufenster still. So, gab es schon frische Erbsen und Bohnen? Und wie hübsch rosig die Radieschen auf dem Teller mit Kresse schimmerten. Es waren eine Menge Konservenbüchsen da; wenn man all die Aufschriften las oder wenigstens so that, konnte es wirklich lange dauern. Und manches war ja auch interessant herauszukriegen. Zum Beispiel dieses Weißliche, begegnen! Der zweite Adolf irrte wahrscheinlich in Nacht und Nebel umher, trauernd und unselig, aber der eigentliche Adolf war vielleicht bei seinem Vormund im Comptoir, wo er als Volontär lernte, und konnte jetzt, da es sieben Uhr schlug, zum Mittagessen nach Hause gehen. Annita ward glühend roth unter ihrem weißen Schleier. Das Pelzkäppchen drückte plötzlich ihre Stirn, und der oberste Knopf des Plüschpaletots war ihr immer zu eng gewesen; nun beklemmte er ihr den Athem, auf damit! auf damit! Die zwei Adolfe schmolzen plötzlich ineinander wie zwei Schneeflocken, ununterscheidbar, – jetzt gab es nur noch einen, und dieser konnte ihr jeden Augenblick begegnen. War das ein angenehmer Graus! Aber die Straße, die Straße wie kurz! Da war sie schon am Ende. Ja, dann half es nicht, dann mußte man noch einmal entlang. Es war gewiß Bestimmung, sie sollten sich heute Abend hier treffen. In den Büchern ihres Lebens stand es so eingezeichnet. Aber dann nicht so schnell gehen, die Fehlandsstraße ist zu bald durchmessen. Sie stand an jedem Schaufenster still. So, gab es schon frische Erbsen und Bohnen? Und wie hübsch rosig die Radieschen auf dem Teller mit Kresse schimmerten. Es waren eine Menge Konservenbüchsen da; wenn man all die Aufschriften las oder wenigstens so that, konnte es wirklich lange dauern. Und manches war ja auch interessant herauszukriegen. Zum Beispiel dieses Weißliche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0270" n="262"/> begegnen! Der zweite Adolf irrte wahrscheinlich in Nacht und Nebel umher, trauernd und unselig, aber der eigentliche Adolf war vielleicht bei seinem Vormund im Comptoir, wo er als Volontär lernte, und konnte jetzt, da es sieben Uhr schlug, zum Mittagessen nach Hause gehen. Annita ward glühend roth unter ihrem weißen Schleier. Das Pelzkäppchen drückte plötzlich ihre Stirn, und der oberste Knopf des Plüschpaletots war ihr immer zu eng gewesen; nun beklemmte er ihr den Athem, auf damit! auf damit! Die zwei Adolfe schmolzen plötzlich ineinander wie zwei Schneeflocken, ununterscheidbar, – jetzt gab es nur noch einen, und dieser konnte ihr jeden Augenblick begegnen. War das ein angenehmer Graus! Aber die Straße, die Straße wie kurz! Da war sie schon am Ende. Ja, dann half es nicht, dann mußte man noch einmal entlang. Es war gewiß Bestimmung, sie sollten sich heute Abend hier treffen. In den Büchern ihres Lebens stand es so eingezeichnet. Aber dann nicht so schnell gehen, die Fehlandsstraße ist zu bald durchmessen. Sie stand an jedem Schaufenster still. So, gab es schon frische Erbsen und Bohnen? Und wie hübsch rosig die Radieschen auf dem Teller mit Kresse schimmerten. Es waren eine Menge Konservenbüchsen da; wenn man all die Aufschriften las oder wenigstens so that, konnte es wirklich lange dauern. Und manches war ja auch interessant herauszukriegen. Zum Beispiel dieses Weißliche, </p> </div> </body> </text> </TEI> [262/0270]
begegnen! Der zweite Adolf irrte wahrscheinlich in Nacht und Nebel umher, trauernd und unselig, aber der eigentliche Adolf war vielleicht bei seinem Vormund im Comptoir, wo er als Volontär lernte, und konnte jetzt, da es sieben Uhr schlug, zum Mittagessen nach Hause gehen. Annita ward glühend roth unter ihrem weißen Schleier. Das Pelzkäppchen drückte plötzlich ihre Stirn, und der oberste Knopf des Plüschpaletots war ihr immer zu eng gewesen; nun beklemmte er ihr den Athem, auf damit! auf damit! Die zwei Adolfe schmolzen plötzlich ineinander wie zwei Schneeflocken, ununterscheidbar, – jetzt gab es nur noch einen, und dieser konnte ihr jeden Augenblick begegnen. War das ein angenehmer Graus! Aber die Straße, die Straße wie kurz! Da war sie schon am Ende. Ja, dann half es nicht, dann mußte man noch einmal entlang. Es war gewiß Bestimmung, sie sollten sich heute Abend hier treffen. In den Büchern ihres Lebens stand es so eingezeichnet. Aber dann nicht so schnell gehen, die Fehlandsstraße ist zu bald durchmessen. Sie stand an jedem Schaufenster still. So, gab es schon frische Erbsen und Bohnen? Und wie hübsch rosig die Radieschen auf dem Teller mit Kresse schimmerten. Es waren eine Menge Konservenbüchsen da; wenn man all die Aufschriften las oder wenigstens so that, konnte es wirklich lange dauern. Und manches war ja auch interessant herauszukriegen. Zum Beispiel dieses Weißliche,
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Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/270>, abgerufen am 16.02.2025. |