Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Nächste Woche gibt die einen großen Ball, sie wird Dich hoffentlich auch einladen, Ita?" "Ich geh' doch nicht," wehrte Annita beleidigt. Sie waren in den letzten Tagen ein wenig fremd miteinander. "Wie komisch Du Dich anstellst," sagte Adelheid von oben herab, - dann sprachen sie nicht mehr zusammen. Annita schloß sich um so wärmer an Mama Severin an. Acht Tage lang war sie ihr der einzige liebste Mensch auf der Welt. An Adolf wagte sie kaum zu denken, nicht einmal wenn sie allein war, ganz still, vor dem Einschlafen. Es ging ihr damit wunderlich. Hinter dem dummen, kindischen, frechen Adolf stand noch ein andrer Adolf, ein herrlicher Mensch in jeder Beziehung, und den sie sich nur mit Herzklopfen vorzustellen getraute. Dieser Zweite hatte eine feurige Liebe zu ihr, und sie erwiderte sie ebenso feurig. Sie hatte den armen Jungen Adolf auf die Stirn küssen wollen, und plötzlich war jener Zweite hinter ihm vorgesprungen, und dann war jene sonderbare Begebenheit vorgefallen. Sie hatte durchaus die Vorstellung, daß die Küsse, die sie heftig erwidert, von jenem Zweiten herkämen. Sie hatten nichts Unangenehmes oder Beschämendes in der Erinnerung, nachträglich kam es ihr sogar vor, als habe sie sich in jenem Augenblick unbeschreiblich glücklich gefühlt. Zu Anfang konnte sie von Adolf wegwerfend, scherzend, Nächste Woche gibt die einen großen Ball, sie wird Dich hoffentlich auch einladen, Ita?“ „Ich geh’ doch nicht,“ wehrte Annita beleidigt. Sie waren in den letzten Tagen ein wenig fremd miteinander. „Wie komisch Du Dich anstellst,“ sagte Adelheid von oben herab, – dann sprachen sie nicht mehr zusammen. Annita schloß sich um so wärmer an Mama Severin an. Acht Tage lang war sie ihr der einzige liebste Mensch auf der Welt. An Adolf wagte sie kaum zu denken, nicht einmal wenn sie allein war, ganz still, vor dem Einschlafen. Es ging ihr damit wunderlich. Hinter dem dummen, kindischen, frechen Adolf stand noch ein andrer Adolf, ein herrlicher Mensch in jeder Beziehung, und den sie sich nur mit Herzklopfen vorzustellen getraute. Dieser Zweite hatte eine feurige Liebe zu ihr, und sie erwiderte sie ebenso feurig. Sie hatte den armen Jungen Adolf auf die Stirn küssen wollen, und plötzlich war jener Zweite hinter ihm vorgesprungen, und dann war jene sonderbare Begebenheit vorgefallen. Sie hatte durchaus die Vorstellung, daß die Küsse, die sie heftig erwidert, von jenem Zweiten herkämen. Sie hatten nichts Unangenehmes oder Beschämendes in der Erinnerung, nachträglich kam es ihr sogar vor, als habe sie sich in jenem Augenblick unbeschreiblich glücklich gefühlt. Zu Anfang konnte sie von Adolf wegwerfend, scherzend, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0267" n="259"/> Nächste Woche gibt die einen großen Ball, sie wird Dich hoffentlich auch einladen, Ita?“</p> <p>„Ich geh’ doch nicht,“ wehrte Annita beleidigt. Sie waren in den letzten Tagen ein wenig fremd miteinander.</p> <p>„Wie komisch Du Dich anstellst,“ sagte Adelheid von oben herab, – dann sprachen sie nicht mehr zusammen. Annita schloß sich um so wärmer an Mama Severin an. Acht Tage lang war sie ihr der einzige liebste Mensch auf der Welt. An Adolf wagte sie kaum zu denken, nicht einmal wenn sie allein war, ganz still, vor dem Einschlafen. Es ging ihr damit wunderlich. Hinter dem dummen, kindischen, frechen Adolf stand noch ein andrer Adolf, ein herrlicher Mensch in jeder Beziehung, und den sie sich nur mit Herzklopfen vorzustellen getraute. Dieser Zweite hatte eine feurige Liebe zu ihr, und sie erwiderte sie ebenso feurig. Sie hatte den armen Jungen Adolf auf die Stirn küssen wollen, und plötzlich war jener Zweite hinter ihm vorgesprungen, und dann war jene sonderbare Begebenheit vorgefallen. Sie hatte durchaus die Vorstellung, daß die Küsse, die sie heftig erwidert, von jenem Zweiten herkämen. Sie hatten nichts Unangenehmes oder Beschämendes in der Erinnerung, nachträglich kam es ihr sogar vor, als habe sie sich in jenem Augenblick unbeschreiblich glücklich gefühlt. Zu Anfang konnte sie von Adolf wegwerfend, scherzend, </p> </div> </body> </text> </TEI> [259/0267]
Nächste Woche gibt die einen großen Ball, sie wird Dich hoffentlich auch einladen, Ita?“
„Ich geh’ doch nicht,“ wehrte Annita beleidigt. Sie waren in den letzten Tagen ein wenig fremd miteinander.
„Wie komisch Du Dich anstellst,“ sagte Adelheid von oben herab, – dann sprachen sie nicht mehr zusammen. Annita schloß sich um so wärmer an Mama Severin an. Acht Tage lang war sie ihr der einzige liebste Mensch auf der Welt. An Adolf wagte sie kaum zu denken, nicht einmal wenn sie allein war, ganz still, vor dem Einschlafen. Es ging ihr damit wunderlich. Hinter dem dummen, kindischen, frechen Adolf stand noch ein andrer Adolf, ein herrlicher Mensch in jeder Beziehung, und den sie sich nur mit Herzklopfen vorzustellen getraute. Dieser Zweite hatte eine feurige Liebe zu ihr, und sie erwiderte sie ebenso feurig. Sie hatte den armen Jungen Adolf auf die Stirn küssen wollen, und plötzlich war jener Zweite hinter ihm vorgesprungen, und dann war jene sonderbare Begebenheit vorgefallen. Sie hatte durchaus die Vorstellung, daß die Küsse, die sie heftig erwidert, von jenem Zweiten herkämen. Sie hatten nichts Unangenehmes oder Beschämendes in der Erinnerung, nachträglich kam es ihr sogar vor, als habe sie sich in jenem Augenblick unbeschreiblich glücklich gefühlt. Zu Anfang konnte sie von Adolf wegwerfend, scherzend,
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Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/267>, abgerufen am 16.02.2025. |