Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Immer schon gewesen!" Das matte Echo der Worte ging unter in einem verzweifelten Händezusammenschlagen. "Immer schon so nett wie heute?" fuhr sie ironisch fort.

"Nein, so nett noch nie!"

Bei der Betheuerung blickte Mama Severin auf. Dann murmelte sie etwas Unverständliches, seufzte und kopfschüttelte ängstlich und ging endlich Annita nach, die bei ihren ersten Worten aus dem Zimmer geflohen war.

Das Mädchen ließ sich durchs ganze Haus suchen; oben in Adelheids Stübchen neben dem Bett saß sie, hatte ihr heißes Gesicht in die kühlen Laken gesteckt. Als aber Mama Severin roth und keuchend hereinguckte, stand sie auf und ging ihr mit verwirrten Augen entgegen.

"Weißt Du, Mama, ich hatte es nämlich gar nicht so gemeint, ich wollte ihn ja nur trösten."

"Achhott, Annita!" Frau Severin blinzelte beleidigt und gab ihr einen Puff.

"Sieh mal, weil ich ihn nicht - nicht leiden mag!" das Mädchen sprach so überzeugt aus gutem Gewissen.

"Weil Du ihn nicht leiden magst?" stotterte die Mama.

Annita reckte sich grade. "Ach Mama, meinst Du denn, daß ich ihm einen Kuß gegeben hätte, wenn ich ihn möchte?" sie war flammend roth.

„Immer schon gewesen!“ Das matte Echo der Worte ging unter in einem verzweifelten Händezusammenschlagen. „Immer schon so nett wie heute?“ fuhr sie ironisch fort.

„Nein, so nett noch nie!“

Bei der Betheuerung blickte Mama Severin auf. Dann murmelte sie etwas Unverständliches, seufzte und kopfschüttelte ängstlich und ging endlich Annita nach, die bei ihren ersten Worten aus dem Zimmer geflohen war.

Das Mädchen ließ sich durchs ganze Haus suchen; oben in Adelheids Stübchen neben dem Bett saß sie, hatte ihr heißes Gesicht in die kühlen Laken gesteckt. Als aber Mama Severin roth und keuchend hereinguckte, stand sie auf und ging ihr mit verwirrten Augen entgegen.

„Weißt Du, Mama, ich hatte es nämlich gar nicht so gemeint, ich wollte ihn ja nur trösten.“

„Achhott, Annita!“ Frau Severin blinzelte beleidigt und gab ihr einen Puff.

„Sieh mal, weil ich ihn nicht – nicht leiden mag!“ das Mädchen sprach so überzeugt aus gutem Gewissen.

„Weil Du ihn nicht leiden magst?“ stotterte die Mama.

Annita reckte sich grade. „Ach Mama, meinst Du denn, daß ich ihm einen Kuß gegeben hätte, wenn ich ihn möchte?“ sie war flammend roth.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0264" n="256"/>
        <p>&#x201E;Immer schon gewesen!&#x201C; Das matte Echo der Worte ging unter in einem verzweifelten Händezusammenschlagen. &#x201E;Immer schon so nett wie heute?&#x201C; fuhr sie ironisch fort.</p>
        <p>&#x201E;Nein, so nett noch nie!&#x201C;</p>
        <p>Bei der Betheuerung blickte Mama Severin auf. Dann murmelte sie etwas Unverständliches, seufzte und kopfschüttelte ängstlich und ging endlich Annita nach, die bei ihren ersten Worten aus dem Zimmer geflohen war.</p>
        <p>Das Mädchen ließ sich durchs ganze Haus suchen; oben in Adelheids Stübchen neben dem Bett saß sie, hatte ihr heißes Gesicht in die kühlen Laken gesteckt. Als aber Mama Severin roth und keuchend hereinguckte, stand sie auf und ging ihr mit verwirrten Augen entgegen.</p>
        <p>&#x201E;Weißt Du, Mama, ich hatte es nämlich gar nicht so gemeint, ich wollte ihn ja nur trösten.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Achhott, Annita!&#x201C; Frau Severin blinzelte beleidigt und gab ihr einen Puff.</p>
        <p>&#x201E;Sieh mal, weil ich ihn nicht &#x2013; nicht leiden mag!&#x201C; das Mädchen sprach so überzeugt aus gutem Gewissen.</p>
        <p>&#x201E;Weil Du ihn <hi rendition="#g">nicht</hi> leiden magst?&#x201C; stotterte die Mama.</p>
        <p>Annita reckte sich grade. &#x201E;Ach Mama, meinst Du denn, daß ich ihm einen Kuß gegeben hätte, wenn ich ihn <hi rendition="#g">möchte</hi>?&#x201C; sie war flammend roth.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0264] „Immer schon gewesen!“ Das matte Echo der Worte ging unter in einem verzweifelten Händezusammenschlagen. „Immer schon so nett wie heute?“ fuhr sie ironisch fort. „Nein, so nett noch nie!“ Bei der Betheuerung blickte Mama Severin auf. Dann murmelte sie etwas Unverständliches, seufzte und kopfschüttelte ängstlich und ging endlich Annita nach, die bei ihren ersten Worten aus dem Zimmer geflohen war. Das Mädchen ließ sich durchs ganze Haus suchen; oben in Adelheids Stübchen neben dem Bett saß sie, hatte ihr heißes Gesicht in die kühlen Laken gesteckt. Als aber Mama Severin roth und keuchend hereinguckte, stand sie auf und ging ihr mit verwirrten Augen entgegen. „Weißt Du, Mama, ich hatte es nämlich gar nicht so gemeint, ich wollte ihn ja nur trösten.“ „Achhott, Annita!“ Frau Severin blinzelte beleidigt und gab ihr einen Puff. „Sieh mal, weil ich ihn nicht – nicht leiden mag!“ das Mädchen sprach so überzeugt aus gutem Gewissen. „Weil Du ihn nicht leiden magst?“ stotterte die Mama. Annita reckte sich grade. „Ach Mama, meinst Du denn, daß ich ihm einen Kuß gegeben hätte, wenn ich ihn möchte?“ sie war flammend roth.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/264
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/264>, abgerufen am 25.11.2024.